Park Fiction

Image Sabine B. Vogel im Kunst-Bulletin 10/2005
Zehn Jahre ist es her, dass AnwohnerInnen in St. Pauli einen kleinen Park forderten. Christoph
Schäfer und damals noch Cathy Skene machten daraus ein ungewöhnliches kollektives Kunst-
Projekt. Ort des Geschehens war das letzte Stück unbebauten Landes am Pinnasberg, mit Blick auf
die Elbe und rund 6ooo qm umfassend. Genug, um hier gewinnbringende Hochhäuser zu bauen,
wie es die Stadt Hamburg vorsah. Genug, um sich gegen diese Privatisierung zu wehren, wie es
sofort der Hafenrandverein begann. Gerade genug, um hier das kleine Paradies entstehen zu
lassen, das Christoph Schäfer und in den letzten Jahren auch Margit Czenki koordinieren.

Über eintausend Personen beteiligten sich an der Entstehung des Parks, Anwohnerlnnen,
KünstIerInnen und ArchitektInnen. In einer einzigartigen Verbindung von Subkultur, Politik und
Kunst ist ein Idealmodell entstanden, das vielleicht einmal Schule machen wird. Am 3 1. August
2005 war die Eröffnung. Mit dem Dach der Turnhalle und dem Kirchgarten stehen jetzt 9000 qm zur
Verfügung, auf denen die Wünsche realisiert sind. Denn auf Wünschen, die die Wohnung
verlassen und auf die Strasse gehen basiert diese Parkgestaltung: praktische Ideen wie die
Nachbarschaftsgärten mit Beeten, die in Eigenregie beackert werden, oder der umzäunte
Hundegarten mit Sitztribüne, die drei Open Air Solarien und die Insel mit künstlichen Palmen,
die öffentlichen Kräuterbeete mit Salbei, Hosmarin oder Stangensellerie, das Grüntheater, eine
Treppen-Terrassen-Situation aus Naturstein, das Stegesystem und der Fliegende
Teppich, ein wellenförmiges Rasenstück. Unfinanziert ist bisher der Seeräuberinnen-Brunnen.
Genehmigt, aber von städtischer Willkür bedroht, ist der Bau des Park-Fiction-Containers mit dem
Archiv des Planungsprozesses.


All diese Parkelemente wurden in intensiven Vorbereitungen und Gesprächen entwickelt. Dafür
stand ab 1997 der Planungscontainer zur Verfügung, mit dem Wunscharchiv, einer kleinen action kit: der Planungscontainer in
Klein zum Mitnehmen mit einem aufklappbaren Hafenpanorama und jeder Menge Bastelmaterial
(C. Schäfer). (...) Und das ist dann auch eines der spannenden Erkenntnisse dieses
Planungsprozesses: Erst in diesem Zusammenkommen von subjektiven Ideen und kollektiver
Umsetzung entstehen solche wirklich speziellen Objekte statt der üblichen genormten Zonen und
Geräte.


Park Fiction, das ist also keine stadtübliche Rasen- und Baumoase. Hier sind die subjektiven
Wünsche Wirklichkeit geworden. Und daran schhesst sich eine höchst erstaunliche und
einzigartige Qualität an: Dies ist ein Park der unklaren Nutzungen. So wird etwa das
tulpengemusterte Tartanfeld mal von Skateboardern, dann von Kindern mit Dreirad und im
fliegenden Wechsel wieder zum Strassenfussball genutzt. Mit den verschiedenen Funktionen
kommen hier auch - anders als im Entweder-oder von Spielplatz, Sportplatz oder Erholungszone -
verschiedene Mitspieler im Park zusammen.
Damit findet Partizipation als zentrale Grundlage der Planungsphase jetzt auch in der Nutzung eine
Fortsetzung. Und darin unterscheidet sich dieser Park wohl auch am gravierendsten von allen
anderen, partizipatorisch entstandenen Projekten. Denn Park Fiction ist weder didaktisch noch
ein Mehrheitspark (C.S.). Er ist zugleich ein Beweis für effiziente Mitgestaltung in Planung,
Nutzung und Verständnis - und ein Anfang für grundsätzliche Überlegungen, was eine Stadt ist
und wie die eigenen Visionen Wirklichkeit werden können.





Konzept: Arbeitsgruppe Park Fiction (Cathy Skene und Christoph Schäfer mit Hafenrandverein e.V.)
Durchsetzung: Nachbarschaftsnetzwerk und Park Fiction
Künstlerische Koordination: Christoph Schäfer und Magrit Czenki
Ausführung: Park Fiction mit arbos Landschaftsarchitekten
Bauherr: Freie und Hansestadt Hamburg
1995 Beginn des Projektes Park Fiction
1997 endgültige Verhinderung der städtischen Bebauungspläne und Beginn der Planungsphase;
Aufstellung des Planungscontainers, diverse Veranstaltungen
1998 Fertigstellung des Konzepts zur Realisierung des Parks
1999 Park Fiction - die Wünsche werden die Wohnung verlassen und auf die Strasse gehen, Film
von Margit Czenki
Sommer 1999 Versuch der Bezirkspolitiker, die Ausführung des Projekts selbst zu übernehmen
2000 Zusammenarbeit vom Team Park Fiction mit dem Architektenbüro arbos und städtischer
Auftrag zur Umsetzung der Park-Pläne