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NOVEMBER 2003

Wir sind alle eine terroristische Vereinigung

Am 21.10. wurde unter strengen Sicherheitsvorkehrungen der Prozess gegen Carsten, Marco und Daniel aus Magdeburg in Halle eröffnet. DemoDer Vorwurf, auf dem die BAW trotz mehr als dürftiger Beweislage beharrt, lautet: Mitgliedschaft in- und Bildung einer terroristischen Vereinigung nach §129a. Zum Prozessbeginn versammelten sich vor dem Justizgebäude in Halle etwa 60 Menschen zu einer Solidaritätskundgebung. Mehr als die Hälfte der angereisten ProzessbeobachterInnen wurden jedoch unter fadenscheinigen Begründungen von der Verhandlung ausgeschlossen. Zum einen waren die Saalwärter nicht bereit, den Raum so zu bestuhlen, dass alle Platz fanden, zum anderen wurden die für einen späteren Verhandlungstag als Zeuginnen geladenen Verlobten der Angeklagten mit der Begründung des Saales verwiesen, sie hätten erst vor Gericht ihre Verlobung nachzuweisen. Nach Standing Ovations für die verlesene Prozesserklärung der drei Angeklagten wurde ein Besucher aus dem Gerichtssaal entfernt, da er ein Transparent („Wir grüßen euch. Viel Liebe und viel Kraft! Reissen wir die Mauern ein, die uns trennen!“) hoch hielt. Der erste Prozesstag endete mit der Forderung, den Vertreter der BAW Dr. Hornick abzulösen, da er von der Verteidigung in den Zeugenstand gerufen wird, um seine Ermittlungsmethoden richterlich überprüfen zu lassen.

Eine der Anwältinnen, Gesa Schulz, kam in ihren Ausführungen zu dem Schluss: „... dass die Bundesanwaltschaft als eigentlicher Urheber terroristischer Vereinigungen anzusehen ist... Lässt man einmal die Wertungen und Interpretationen der Ermittlungsbehörden außer acht, beinhaltet die gesamte Akte meinen Mandanten betreffend lediglich, dass er ein „Linker“ und dem Autonomen Spektrum zuzurechnen ist. Wenn das ausreicht, um monatelang in Untersuchungshaft zu sitzen und als Mitglied einer terroristischen Vereinigung angeklagt zu werden, bleibt all jenen, die wie mein Mandant politisch aktiv sind, nichts anderes übrig, als sich mit einer Strafbarkeit nach §129a StGB auseinander zu setzen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, völlig unvermittelt von einem derartigen Vorwurf überrollt zu werden.“ Gemeinsam erklärte die Verteidigung, dass trotz monatelanger Observationen und Ermittlungen keine Beweise vorlägen, um die Existenz einer terroristischen Vereinigung in Magdeburg nachzuweisen, sondern dass die BAW in ihrem Konstrukt von politischen Überzeugungen und linker Rhetorik auf die Begehung bestimmter Straftaten schließt.

Bei soviel Interpretationsvermögen und Angst vor radikaler Politik war auch das massive Polizeiaufgebot zur bundesweiten Demo „Linke Politik verteidigen! Freiheit für Carsten, Daniel und Marco!“ wenig verwunderlich. 6000 militärisch hochgerüstete und bis auf die Zähne bewaffnete Robocops - fehlte nur die GSG9 - wurden aus dem gesamten Bundesgebiet zusammengekarrt, um die Sicherheit Magdeburgs am 25.10. zu gewährleisten. Illegale Vorkontrollen, Einkesselungen und Personalienüberprüfungen für die nächsten §129a Konstrukte waren die Folge. Wer/welche sich den staatlichen Kontrollen verweigerte, wurde postwendend wieder nach Hause geschickt, wie es einem Bus aus Hamburg passierte. Bis letztendlich alle aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten 2500 mutmaßlichen TerroristInnen sich zu einer großen Vereinigung zur Auftaktkundgebung zusammenschließen konnten, waren mehrere Stunden vergangen. Dennoch verlief die Demo - wen wundert`s? - ohne besondere Zwischenfälle. Die meisten gaben ihr bestes, vor allem die Nürnberger Reihen, um die Demo trotz der leisen Lautsprecheranlage möglichst lautstark und kraftvoll erscheinen zu lassen.

Bereits im Vorfeld zur bundesweiten Demo waren verschiedene Spaßguerilla-Aktionen durchgeführt worden, um das Sicherheitsbedürfnis und den Law-and-Order-Wahn der Regierungsparteien ad absurdum zu führen. Neben einer Jubeldemo für den §129a wurde eine härtere Innenpolitik gefordert, sowie zwei Molotowworkshops vor einem Kaufhaus in der Innenstadt und dem LKA-Gebäude angeboten.

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