Vollständige Bibliographie 1988-1998     mit Anmerkungen


[1988]  [1989]  [1990]  [1991]  [ 1992 ]  [1993]  [1994]  [1995]  [1996]  [1997]  [1998]  [1999] 25. Redaktion diskus (Hg.):
Küss den Boden der Freiheit.
diskus - Texte der Neuen Linken,
460 Seiten, vergriffen

26. Redaktion diskus (Hg.):
Die freundliche Zivilgesellschaft.
Rassismus und Nationalismus in Deutschland,
168 Seiten, 10,- DM (Sonderausgabe), 3-89408-019-1

27. ID-Archiv im IISG (Hg.):
Drahtzieher im braunen Netz.
Der Wiederaufbau der NSDAP. Ein Handbuch des antifaschistischen Autorenkollektivs,
172 Seiten (drei Auflagen) vergriffen

28. autonome l.u.p.u.s.-Gruppe:
Geschichte, Rassismus und das Boot.
Wessen Kampf gegen welche Verhältnisse,
170 Seiten (zwei Auflagen) vergriffen

29. Wolfgang Rüddenklau:
Störenfried.
DDR-Opposition 1986-1989,
320 Seiten, vergriffen

30. Geert Lovink:
Hör zu - oder stirb!
Fragmente einer Theorie der souveränen Medien. Aus dem Niederländischen von Axel Diederich,
100 Seiten, vergriffen

31. Frauenkollektiv (Hg.):
Basta!
Frauen gegen Kolonialismus,
320 Seiten, vergriffen

32. Waldemar Schindowski:
Alternative Ökonomie.
Eine bibliografie,
80 Seiten, 12,- DM, 3-89408-101-5

33. ID-Archiv im IISG (Hg.):
Verzeichnis der ðlieferbarenÐ Broschüren
Ausgabe 1992/93,
260 Seiten, 32,- DM, 3-89408-308-5

34. Geronimo u.a.:
Feuer und Flamme II.
Kritiken, Reflexionen und Anmerkungen zur Lage der Autonomen,
200 Seiten, vergriffen

Nach Geronimos Feuer und Flamme von 1990, dem im Herbst 1992 ein Debattenband folgt, erscheint im Frühjahr mit Küss den Boden der Freiheit ein weiteres Buch zur Auseinandersetzung mit der linksradikalen Geschichte. Herausgegeben wird das Buch von der diskus-Redaktion, die 1989, gestützt auf eine linke Mehrheit im Frankfurter AStA, begonnen hatte, die brachliegende StudentInnenzeitschrift diskus wieder zu aktivieren. »Die Reste der radikalen Linken in der Bundesrepublik sehen sich gegenwärtig mit der anstrengenden Tatsache konfrontiert, neben der politischen Arbeit, der praktischen Kritik der schlechten Realität im Kapitalismus, auch deren theoretische Reflexion organisieren zu müssen. Dazu gehört, sich des intellektuellen Potential zu vergewissern, das eine radikale Kritik an den Verhältnissen in der BRD früher kennzeichnete.« Auf 460 Seiten sind Texte der Neuen Linken aus der vierzigjährigen Geschichte der Studentenzeitschrift versammelt: U.a. die Autorinnen und Autoren Max Horkheimer (Über akademische Freiheit, 1953); Johannes Agnoli (Die Gastarbeiter und die Reservearmee im Spätkapitalismus, 1972); Brigitte Heinrich (Chile-BRD: Praktischer Internationalismus, 1974); Mathias Beltz (Linksradikalismus. Jenseits von Kommunismus und Antikommunimus, 1976); Rossana Rossanda (Portugal und die europäische Linke, 1975); Karl Heinz Roth (Der 2. Juni 1967: 10 Jahre danach, 1977); Sebastian Cobler (Gesinnungstäterschaft, 1977) u.v.a.
Der diskus-Redaktion geht es, genauso wie dem Verlag, jedoch nicht nur um die Dokumentation lesenswerter älterer Texte. Viel wichtiger erscheint uns in dieser Phase eine Intervention in die weit verbreitete Rassismusdiskussion. Die diskus-Redaktion ist, gemeinsam mit vielen anderen Gruppen, an Aktionen gegen die Wiedervereinigung (Nie wieder Deutschland-Demo mit 15 000 Menschen am 12. Mai 1990 in Frankfurt) und an den Aktionen gegen die Abschaffung des Asylrechts im Sommer 1992 beteiligt. Mit dem Band Die freundliche Zivilgesellschaft werden die politischen Bedingungen des Rassismus und Nationalismus in theoretischer wie in journalistisch und kritisch kommentierter Form dargestellt.
Daß in der radikalen Linken in dieser Phase umfassend über Strategien gegen den staatlichen Rassismus, den rechten Mob und faschistischen Terror diskutiert wird, wird am besten am Beispiel des ebenfalls im Frühjahr von der autonomen l.u.p.u.s-Gruppe erscheinenden Geschichte, Rassismus und das Boot deutlich. Viele politische Gruppen nutzten das Buch als Diskussionsgrundlage.
Kurzfristig ins Programm aufgenommen wird die Recherche des antifaschistischen Autorenkollektivs Drahtzieher im braunen Netz. Der Wiederaufbau der NSDAP, ein Buch über die Strukturen und personellen Verbindungen der militanten Neo-Nazi-Szene in (Ost-)Deutschland und Europa. Der Buchhandel hat Verständnis für unser Vorgehen, das Projekt aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich anzukündigen und eine »Unverlangt-Aktion« (ohne Bestellung werden an rund 150 Buchhandlungen über 1.500 Exemplare ausgeliefert) zu starten. Daß diese Strategie nichts mit Paranoia zu tun hat, wird im Herbst 1993 deutlich, als wir in der Neo-Nazi-Broschüre »Einblick« als Angriffsziel auftauchen. Drahtzieher im braunen Netz wird auf vielen Veranstaltungen von Mitarbeiter der Herausgebergruppe vorgestellt, und fast alle großen Zeitungen berichten über die Recherche. Für die bürgerlichen Medien beinhaltet das Buch den Reiz des Spektakulären, die Gefährlichkeit der Neo-Nazis in Wort und Bild präsentiert zu bekommen. Für AntifaschistInnen ist es aber ein praktisches Handbuch, das sie in ihrer politischen Alltagsarbeit unterstützt, denn die Faschisten aus der Anonymität zu holen und gleichzeitig deren interne Strukturen zu veröffentlichen, schwächt natürlich ihren Aktionsradius nicht nur auf dem Papier.
Als Beitrag zum 500. Jahrestag des Export westlicher Zivilisationskultur bringt ein Berliner Frauenkollektiv im Herbst das Buch Basta! Frauen gegen Kolonialismus heraus. Schwerpunkt des Sammelbandes sind Übersetzungen von Texten indianischer und schwarzer Frauen aus US- und Lateinamerika. Gleichzeitig verstehen die Herausgeberinnen das Projekt auch als Diskussionsansatz für eine neue internationalistische Solidarität.
Wie Theorie in Praxis transferiert werden kann, versuchen wir mit einer Buchvorstellung aufzuzeigen. In Zusammenarbeit mit der Galerie Front Art wird im Ostberliner S.O.S. das neue Buch von Geert Lovink Hör zu - oder stirb! Theorie der souveränen Medien vorgestellt. Eingeladen sind zwei Mitarbeiter des illegalen Amsterdamer Radio Patapoe, die auf dem Dach einen Sender installieren und abends (zumindest für einen Umkreis von rund 500 Metern und in sehr schlechter Qualität) live auf Sendung gehen.


[1988]  [1989]  [1990]  [1991]  [1992]  [ 1993 ]  [1994]  [1995]  [1996]  [1997]  [1998]  [1999] 35. ID-Archiv im IISG (Hg.):
Die Früchte des Zorns.
Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionären Zellen und der Roten Zora,
800 Seiten, 2 Bände (2. Auflage), 68,- DM, 3-89408-024-9

36. Max Annas/Ralph Christoph (Hg.):
Neue Soundtracks für den Volksempfänger.
Nazirock, Jugendkultur und rechter Mainstream,
175 Seiten (drei Auflagen), vergriffen

37. Günther Jacob:
Agit-Pop.
Schwarze Musik und weiße Hörer. Texte zu Rassismus und Nationalismus, HipHop und Raggamuffin,
240 Seiten (drei Auflagen), vergriffen

38. Diedrich Diederichsen (Hg.):
Yo! Hermeneutics!
Schwarze Kulturkritik, Pop, Medien, Feminismus.
Aus dem Amerikanischen von Bettina Seifried und Raymund Burghard,
240 Seiten, vergriffen

39. BüroBert:
Copyshop.
Kunstpraxis und politische Öffentlichkeit. Ein Sampler,
240 Seiten, viele Abbildungen,
15,- DM (Sonderausgabe), 3-89408-032-X

40. Redaktionskollektiv ðRight OnÐ (Hg.):
Black Power.
Interviews mit (Ex-) Gefangenen aus dem militanten Schwarzen Widerstand in den USA,
10,- DM (Sonderausgabe), 3-89408-031-1

41. Drei zu Eins.
Texte von Ingrid Strobl, Klaus Viehmann u.a., autonome l.u.p.u.s.-Gruppe,
110 Seiten, vergriffen

42. Peter Hein:
Stadtguerilla/Bewaffneter Kampf.
Eine Bibliographie - Ergänzungsband,
60 Seiten, vergriffen

Im Januar erscheint das Buch Die Früchte des Zorns. Texte und Materialien zur Geschichte der Revolutionären Zellen und der Roten Zora. Ursprünglich als Diskussionsband geplant, entwickelt sich das Buch bald zu einem Mammutprojekt. Auf insgesamt 800 Seiten sind sämtliche Dokumente aus fast zwanzig Jahren militanter Politik aufgenommen, das ganze ist von einer externen Redaktionsgruppe eingeleitet und vom Verlag mit über 100 Seiten Anmerkungen, Literaturverweisen, Register etc. versehen. Erfreulicherweise können auch die benötigten rund 20 000 Mark Zuschuß für die Realisierung sowie ein Darlehen bei solidarischen GenossInnen organisiert werden. An der Herausgabe von Früchte des Zorns ist eine Gruppe von Militanten beteiligt, die auch dem Verlag unbekannt bleiben. Über Kontaktleute verständigt man sich und diskutiert die inhaltliche Stoßrichtung des Projektes. In Anbetracht der komplizierten Kommunikation klappt die Realisierung sogar sehr gut. Allerdings ist es im nachhinein als Manko zu bewerten, daß man sich letztlich auf die Dokumentation der RZ/Rote Zora-Geschichte beschränkt und die ursprüngliche Idee der Gruppe, die »eigene Geschichte« umfassend kritisch zu reflektieren, verwirft.
So wertvoll Die Früchte des Zorns für die Darstellung linksradikaler Geschichte sein kann, der erwartete Beitrag zu einer Debatte wird es nicht. Die Schwierigkeiten, eine umfassende Reflexion dieser Gruppen zu betreiben, ist sicher in deren Politikverständnis und Organisationskonzept - Illegalität als politische Strategie und als Schutz vor staatlicher Verfolgung - begründet. Aber der Verweis auf die weitere Auseinandersetzung in anderen Szene-Medien (von konkret über ak bis interim), wie im Buch geschehen, kann im nachhinein eher als Entlassung der Redaktionsgruppe aus der eigenen Verantwortung gewertet werden. Denn auf die vielen offenen Fragen, die sich aus der Dokumenten-Lektüre ergeben, wird auch in den nächsten Jahren nicht eingegangen. Durchaus vorhandene Formen der Vermittlung der Binnenperspektive werden nicht genutzt. Weder werden die verschiedenen Konzepte der RZ und die Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zu den anderen bewaffneten Gruppen analysiert, noch findet die notwendige Auseinandersetzung um Antizionismus/Antisemitismus in der Linken und ihr Verhältnis zum Befreiungsnationalismus statt.
Daß die Revolutionären Zellen und die Rote Zora innerhalb der Linken, trotz der weitgehenden Einstellung ihrer Aktivitäten, populär sind, zeigt sich durchaus in den Verkaufszahlen. Bereits im Sommer muß das Buch nachgedruckt werden, bis heute sind über 5 000 Exemplare der zwei Bände Die Früchte des Zorns verkauft.
Im Frühjahr erscheinen auch die für die weitere Entwicklung des Verlages entscheidenten ersten Bücher zum Thema Musik und Kunst. Stärker als bisher sollen in Zukunft die kulturkritischen Aspekte gesellschaftlicher Entwicklungen im Verlagsprogramm repräsentiert werden. Der Titel Neue Soundtracks für den Volksempfänger. Die Musik der Neonazis versteht sich dementsprechend als ein Beitrag zu den in allen Medien meist oberflächlich und sensationsheischend behandelten Phänomen der »rechten Jugendbewegung«. In den Verlag gelangt der Sammelband über die Vermittlung von Diedrich Diederichsen zu den Kölner Spex-Autoren Max Annas und Ralph Christoph. Diedrich arbeitet zu dieser Zeit bereits an der Herausgabe des Buches Yo! Hermeneutics!. Der im Herbst erscheinende Sammelband umfaßt erstmals auf deutsch Texte schwarzer Intellektueller, die eine bedeutsame Rolle in den laufenden politischen und kulturellen Auseinandersetzungen der US-Gesellschaft spielen. Es ist ein Betrag zu der aktuellen antirassistischen Diskussion, denn dort und in Teilen der Frauenbewegung werden zunehmend schwarze TheoretikerInnen wahrgenommen.
Genauso bedeutend für die Diskussion zu Rassismus und Nationalismus ist Günther Jacobs Agit-Pop mit einer Untersuchung zum Verhältnis von Schwarzer Musik und weißen Hörern. Agit-Pop enthält Beiträge zur sozialen Situation der »schwarzen Bevölkerung« in den USA und Großbritannien, zu den Riots wie z.B. in Los Angeles 1992 und zu anderen Aspekten des schwarzen Widerstands.
Obwohl wir aufgrund eigener Erfahrungen um das Interesses an diesen Themen wissen und dies dem Buchhandel immer wieder in den Vorschauen, über die Vertreter oder direkt vermitteln, sind die Vorbestellzahlen erschreckend gering. Selbst bei Titeln, die sich mit dem Thema linke Öffentlichkeit beschäftigen (wie CopyShop. Kunstpraxis und politische Öffentlichkeit von BüroBert), mauert der kulturkonservative Buchhandel anfangs vehement. Erst aufgrund von Rezensionen bzw. mehreren Buchvorstellungen und Veranstaltungsreisen und den damit zusammenhängenden Publikumsnachfragen werden die Titel stärker in den Buchläden präsentiert.


[ -> weiter (bibliografie 1994-1995) ]