Vollständige Bibliographie 1988-1998     mit Anmerkungen


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Feuer und Flamme.
Zur Geschichte und Gegenwart der Autonomen,
248 Seiten (drei Auflagen) vergriffen (überarbeitete Neuauflage ab 1995 lieferbar)

12. ID-Archiv im IISG:
Reader der ðanderenÐ Archive,
340 Seiten, vergriffen

13. ID-Archiv im IISG:
Verzeichnis der ðlieferbarenÐ Broschüren
Ausgabe 1990,
112 Seiten, vergriffen

14. Peter Hein:
Bibliographie Stadtguerilla/Bewaffneter Kampf in der BRD und Westberlin,
160 Seiten (zwei Auflagen) vergriffen

15. Anti-Quariat (Hg.):
Fizz-Reprint,
120 Seiten (A3), 36,- DM, 3-89408-007-8

16. Arbeitskreis Internationale Solidarität:
Shell raus aus Südafrika.
Materialien zur Anti-Shell Kampagne,
90 Seiten (A4), vergriffen

Nach fast einjähriger Arbeit und statt geplanter 100 Seiten wird kurz vor dem 1. Mai das 250 Seiten-Werk Feuer und Flamme endlich fertig. Auch wenn die autonome Bewegung bereits ihre beste Zeit hinter sich hat, auf ein Buch, das sich mit der Geschichte und Gegenwart der eigenen politischen Szene beschäftigt, haben offensichtlich viele gewartet. In den zwei Berliner Buchhandlungen Schwarze Risse und O21 werden in einer Woche rekordverdächtig jeweils über 100 Exemplare verkauft und auf den Büchertischen im Anschluß an die revolutionäre 1. Mai Demo ist das Buch überall präsent. Nach einem Monat ist die 3 000er Erstauflage vergriffen. Und Geronimo geht im Sommer und Herbst auf Diskussionsreisen durch die autonomen Zentren und linken Buchläden der Republik. Daß sich die RezensentInnen bei Feuer und Flamme weitgehend zurückhalten, beeinflußt das LeserInneninteresse kein bißchen. Vielmehr wird deutlich, daß die Marktmechanismen bei politischen Themen anders als branchenüblich funktionieren. Diskussionsgruppen zum Buch, direkte Empfehlungen und Verlagspräsenz bei größeren Veranstaltungen (wie z.B. dem Kongreß der Radikalen Linken) sind teilweise wirkungsvoller. Obwohl wir uns selbst nicht so definieren, bekommen wir durch dieses Buch den Stempel des »Autonomenverlags«. Aber damit können wir leben.
1990 haben die bibliographischen Publikationen des Amsterdamer ID-Archivs einen ebenso hohen Stellenwert wie die Diskussionsbände und Dokumentationen. Es erscheinen erstmals zwei vom ID-Archiv zusammengestellten Verzeichnisse. Trotz guter Resonanz bleibt der Reader der ðanderenÐ Archive mit rund 300 Selbstdarstellungen außerinstitutioneller Archive leider ein einmaliges Projekt. Die wohl interessanteste originäre ID-Archiv Arbeit, das Verzeichnis der ðlieferbarenÐ Broschüren, ist der Versuch, die »graue Literatur« zu bibliographieren und dadurch vielleicht die Verbreitung der dort aufgenommenen Publikationen zu unterstützen. »Das Verzeichnis der ðlieferbarenÐ Broschüren enthält alle notwendigen bibliographischen Daten zu rund 2 500 Publikationen aus dem linken, alternativen und feministischen Spektrum und ist für Buchläden, Bibliotheken, Archive und politische Gruppen ein wichtiges Nachschlagewerk mit hohem Gebrauchswert« (aus dem Vorwort des Verzeichnisses der ðlieferbarenÐ Broschüren). Trotz Lob von renommierten ArchivarInnen ist der Verkauf deprimierend, selbst die meisten der ansonsten engagierten Buchläden ignorieren das bibliographische Hilfsmittel. Sie haben schlichtweg kein Interesse an Kundenbestellungen der Broschüren, denn wegen des niedrigen Preises, hoher Portokosten und des schlechten Rabattes sind dabei die Unkosten höher als der Verkaufspreis. Bundesweit gibt es heute höchstens noch ein Dutzend Buchläden, die überregionale Broschüren in ihren Auslagen haben, und bei Zeitschriften sieht es vergleichbar aus. Nach drei Ausgaben wird das Projekt 1993 eingestellt, fünf Jahre später wird erstmals eine Palette mit ID-Büchern dem Altpapiercontainer zugeführt.
Auch 1990 stehen wir offensichtlich bei Staatsschützern hoch im Kurs. Neben Feuer und Flamme sind die Bibliographie von Peter Hein zum bewaffneten Kampf in der BRD und die Broschüre Kill a Multi zu der internationalen Anti-Shell-Kampagne Anlaß genug, im Herbst gegenüber unserer damaligen Auslieferung in der Berliner Knobelsdorffstraße eine Wohnung anzumieten und uns zu observieren. Durch Hinweis eines aufmerksamen Nachbarn wird das Versteck (das BKA hatte bei der Hausverwaltung eine ansonsten unbewohnte Wohnung angemietet, über die noch nicht einmal der Hausmeister informiert war) entdeckt. Wie gehabt, bekommen wir keine offiziellen Informationen über Ziel, Umfang und Dauer der Observationen. Diese staatlichen Maßnahmen lösen sich ebenso wie die Ermittlungsverfahren ein paar Monate später in Luft auf.


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aufruhr
- widerstand gegen repression und § 129a.
Texte und Materialien. Zusammengestellt von der Gruppe ðwüster haufenÐ,
300 Seiten, vergriffen

18. Projektgruppe (Hg.):
Metropolen(gedanken) und Revolution?
Texte zur Patriarchts-, Rassismus-, Internationalismusdiskussion,
160 Seiten (zwei Auflagen), vergriffen
19. Ingrid Strobl:
Strange Fruit.
Bevölkerungspolitik, Ideologien, Ziele, Methoden - Widerstand,
90 Seiten (drei Auflagen), vergriffen

20. Agentur Bilwet:
Bewegungslehre, Botschaften aus einer autonomen Wirklichkeit.
Aus dem Niederländischen von Christian Unverzagt,
190 Seiten, vergriffen

21. Stefan Seifert:
Lotta armata.
Bewaffneter Kampf in Italien, Die Geschichte der Roten Brigaden,
220 Seiten, vergriffen

22. ID-Archiv im IISG:
Verzeichnis der alternativMedien
Ausgabe 1991/92,
300 Seiten, 3-89408-306-9, 28,- DM

23. ID-Archiv im IISG:
Verzeichnis der ðlieferbarenÐ Broschüren
Ausgabe 1991/92,
240 Seiten, 3-89408-307-7

24. Edition ID-Archiv (Hg.):
(Neo-) Faschismus & Rassismus.
Kommentierte Literaturliste zum Thema,
48 Seiten, vergriffen

Im März ziehen wir aus dem ehemaligen Charlottenburger Regenbogen-Büro (ohne Toilette und sonstige Infrastruktur) in die Schliemannstraße 23 am Prenzlauer Berg. Dort hatten einige Medienprojekte aus der DDR (u.a. die Umweltbibliothek, telegraph und basisdruck) 1990 ein Gebäudekomplex besetzt und es später angemietet. Die Arbeitsbedingungen sind dort nicht unbedingt besser (fast zwei Jahre müssen wir auf einen eigenen Telefonanschluß warten), aber der Kontakt und die Zusammenarbeit mit anderen Projekten ist produktiv. Vor allem mit Jürgen Schneider von der benachbarten Galerie caoc, Dirk Teschner von der Galerie Front-Art und auch in der Anfangsphase mit R. Maro ist die Zusammenarbeit gut. Als Gemeinschaftsausgabe mit dem basisdruck-Verlag bringen wir das Buch von Wolfgang Rüttenklau Störenfried heraus, die erste umfassende Darstellung der DDR-Oppositionsbewegung, dokumentiert aus den Umweltblättern.
Im Herbst erscheint mit dem Titel Bewegungslehre die erste eigenständige Verlagsübersetzung. Die Botschaften aus einer autonomen Wirklichkeit der Agentur Bilwet handeln von Hausbesetzungen, Antifaschismus, Anti-Olympia-Aktivitäten sowie den inneren Strukturen und Mechanismen der Bewegung. Die Agentur Bilwet wurde 1983 als freie Assoziation von Autoren und Forschern gegründet und hatte sich die Förderung der illegalen Wissenschaft zum Ziel gesetzt. Bewegungslehre sind Analysen aus dem Inneren der Bewegung, denn »während die Theoretiker der Neuen Sozialen Bewegungen den einschläfernden Duft von Weihrauch, Tinte und abgewetzten Schreibtischen verbreiten, stinken die Botschaften der Bewegungslehre nach Haschisch, Molotow-Cocktails und durchgelegenen Matrazen.« Deshalb ist es für die Leserinnen und Leser auch kein Problem, daß sich die beschriebenen Geschichten in Amsterdam abspielten, denn so oder so ähnlich ereigneten sie sich ebenso in Berlin, Hamburg, Köln und vielen anderen größeren Städten. Bewegungslehre ist jedoch nicht nur unterhaltsame Geschichte für linksradikale Nostalgiker und Altautonome im Staatsdienst. Auszüge von Bewegungslehre werden in den Zeitungen der Besetzerszene, die 1990 in der ehemaligen DDR und Ostberlin innerhalb kürzester Zeit entstanden war, abgedruckt - und diskutiert. Die Buchvorstellung im legendären SOS am Kollwitzplatz im Prenzlauer Berg gerät zu einer großen Fete, und hätten alle Besucher der zwei bundesweiten Lesetouren Bewegungslehre käuflich erworben, wäre sofort eine Neuauflage fällig gewesen.
Als weitere Beiträge zu aktuellen Diskussionen erscheinen im Frühjahr das aus einer Veranstaltungsreihe an der Hamburger Uni hervorgegangene Sammelband aufruhr. widerstand gegen repression und § 129a, im Sommer fassen wir Texte aus der Berliner Infozeitschrift Interim von Ingrid Strobl, der autonomen l.u.p.u.s.-Gruppe, den Revolutionären Zellen und Klaus Viehmann mit GenossInnen u.a. unter dem Titel Metropolen(gedanken) und Revolution? zusammen. Die Texte zur Patrichats-, Rassismus-, Internationalismusdiskussion erfahren mit drei Auflagen breites Interesse, und einige Texte erscheinen 1993 nochmals als erster Band der Schwarzen Reihe. Mit der Literaturliste zum Thema Faschismus und Rassismus wird diese Publikationsform beendet. Das Verhältnis Aufwand und Ergebnis stimmt nicht mehr, das Engagment des Buchhandels hat stark nachgelassen. Ein Jahr später, nach den rassistischen Angriffen in Rostock, Mölln u.s.w., wird das Interesse wieder stärker, dem Publikum einen Literaturüberblick zum Thema anzubieten. Da wir jedoch keine Neuauflage planen, überlassen wir die Literaturliste den Anares Medien zur weiteren Verwendung.


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