Vollständige Bibliographie 1988-1998     mit Anmerkungen


[ 1988 ]  [1989]  [1990]  [1991]  [1992]  [1993]  [1994]  [1995]  [1996]  [1997]  [1998]  [1999] 1. ID-Archiv im IISG (Hg.):
2.11.87...
Dokumentation. Berichte, Stellungnahmen, Diskussionen zu den Schüssen an der Startbahn-West,
300 Seiten (A4), vergriffen

2. ID-Archiv im IISG (Hg.):
Geld.
Kommentierte Literaturtliste zum Thema IWF,
32 Seiten, vergriffen

3. ID-Archiv im IISG (Hg.):
Projekt Gedächtnis.
ID-Artikel zum Thema Gegenöffentlichkeit 1973-1981,
120 Seiten (A4) (zwei Auflagen), 5,- DM (Sonderpreis), 3-89408-001-9

In den Räumen des Frankfurter Informationsdienst wird im März, während die Kisten für den Archiv-Umzug bereits gepackt sind, aus Dutzenden alternativer Zeitschriften die Dokumentation 2.11.87 ... zusammengestellt. Das Layout findet nachts bei der Siegener Druckerei winddruck statt. Winddruck ist auch in den nächsten zehn Jahren die Hausdruckerei und für die Herstellung fast sämtliche Verlagsproduktionen verantwortlich.
Im Sommer erscheint ein kleiner Beitrag zu den Anti-IWF-Aktivitäten gegen den im September stattfindenden IWF/Weltbankkongreß in Berlin. Bundesweit sind Hunderte von Gruppen entstanden, die die Selbstdarstellung der Kapitalismusstrategen aus aller Welt stören wollen. Als Orientierungshilfe bei der Suche nach brauchbaren Publikationen, die wie immer bei politischen Konjunktur auf den Markt geworfen werden, geben wir die Literaturliste Geld mit rund 200 Titeln heraus. Sie erscheint in einer Auflage von rund 20 000 Exemplaren, und engagierte Buchläden verteilen sie kostenlos an ihre KundInnen.
Die eigentliche Verlagstätigkeit beginnt dann im Herbst mit einem Reprint von Texten aus dem Informationsdienst zur Verbreitung unterbliebener Nachrichten (ID). Projekt Gedächtnis hat für Archiv und Verlag dann auch programmatischen Charakter. Im ersten Buchhandelsprospekt stellt sich der Verlag vor: »In der ðEdition ID-ArchivÐ werden Beiträge zur Auseinandersetzung mit neuerer linker Geschichte und sozialen Bewegungen sowie Dokumente für die heutige Diskussion in der BRD publiziert. Die Veröffentlichungen der Edition ID-Archiv stehen in wechselseitiger Beziehung zur Archivarbeit und haben folgende Schwerpunkte: Die ðDokumente der GegenöffentlichkeitÐ sind, in der Phase von Zeitgeist, Kurzzeitgedächtnis der Linken und zunehmender staatlicher Repression (§ 129a, § 130a/b), ein Versuch, Informationsmonopole zu durchbrechen; die Reihe ðBibliographienÐ beinhaltet begrenzte Bereiche zur politischen Diskussion und wissenschaftlichen Forschung; die ðLiteraturlisten zur Theorie und PraxisÐ verstehen sich als Orientierungshilfe bei der Literaturflut zu wichtigen aktuellen Themen; ðVerzeichnisseÐ sind Handbücher, Nachschlagewerke und bibliographische Hilfsmittel mit redaktionellem Teil und hohem Gebrauchswert.«
Aufgrund der Bezuschußung der 2.11.87... Dokumentation durch das IISG und minimaler Kosten verfügt der Verlag über ein Anfangskapital von rund 5 000 Mark. Vor allem aber aufgrund der langen Zahlungsziele unserer Druckerei, die sie uns bis zum heutigen Tage gewährt, können die ersten Publikationen gedruckt und die Verlagsarbeit intensiviert werden.


[1988]  [ 1989 ]  [1990]  [1991]  [1992]  [1993]  [1994]  [1995]  [1996]  [1997]  [1998]  [1999] 4. ID-Archiv im IISG (Hg.):
Verzeichnis der alternativMedien Ausgabe 1989,
220 Seiten, vergriffen

5. Gen-Archiv Essen/ID-Archiv im IISG (Hg.):
Gentechnologie & Bevölkerungspolitik.
Kommentierte Literaturliste,
32 Seiten, vergriffen

6. ID-Archiv im IISG (Hg.):
radikal - Ein Interview,
80 Seiten (3 Auflagen), vergriffen

7. ID-Archiv im IISG (Hg.):
Schwarze Texte.
Politische Zensur in der BRD 1968 bis 1989,
160 Seiten (A4) (3 Auflagen), vergriffen

8. Stichting Europe against the current:
Europa gegen den Strom.
Katalog zum Amsterdamer Medien-Festival,
240 Seiten (A4), vergriffen

9. Birgit Latz:
Frauenarchive.
Grundlagen und Nutzungsmöglichkeiten,
160 Seiten, vergriffen

10. Literarisches Informationszentrum Josef Wintjes (Hg.):
Verzeichnis deutschsprachiger Literaturzeitschriften.
Günther Emigs VDL 1989/90,
120 Seiten, vergriffen

Die Beschäftigung mit dem Thema ðPolitische Zensur in der BRD gegen linke Buchläden, Verlage, Zeitschriftem und DruckereienÐ ist in der Anfangszeit zentraler Bestandteil der Verlagsarbeit. 1986/87 hatte es eine bundesweite Repressionswelle mit Durchsuchungen, Festnahmen und Prozessen im Zusammenhang mit der Zeitschrift radikal gegeben. Nochmals zugespitzt hatte sich die Situation im Dezember 1987. Auf der Suche nach Mitgliedern der militanten Frauengruppe Rote Zora wurden mit bundesweiten Razzien die Themen Gen-und Reproduktionstechnologie, Bevölkerungs- und Asylpolitik zu anschlagsrelevanten Themen erklärt. Trotzdem, oder gerade deshalb, war eine breite Diskussion zu den Themenkomplexen in Gang gekommen. Gemeinsam mit dem Gen-Archiv Essen und einer Siegener Frauengruppe beteiligen wir uns daran u.a. mit einer kommentierten Bibliographie, die ähnlich der IWF-Liste in einer Auflage von mehreren zehntausend Exemplaren über die Buchhandlungen verteilt wird.
Im September, pünktlich zum großen Amsterdamer Festival Europa gegen den Strom, erscheint das erste »Großprojekt« des Verlages. Die Arbeit an Schwarze Texte erfolgt weitgehend in einem WG-Zimmer. An der Realisierung dieses Projektes ist wesentlich Renate Hassenzahl beteiligt, die auch bis 1993 die herstellerischen Arbeiten weiterer Titel unterstützt. Ausgangspunkt von Schwarze Texte ist eine Pressemeldung, daß das Bundeskriminalamt fast 1 000 sogenannte »linksextremistische Publikationen« in einer Datei namens »Tesch« (terroristisches Schrifttum) gespeichert hat. Da aber 1989 noch viele Projekte und Einzelpersonen existieren, die sich nicht vorschreiben lassen wollen, was sie zu drucken und verkaufen haben, wird das nicht einfach hingenommen. Dementsprechend gut ist auch die Resonanz auf Schwarze Texte und die Publikation erhält durch die Herausgeberschaft vom »Internationalen Institut für Sozialgeschichte« natürlich noch eine gewisse Solidität. »In Schwarze Texte geht es um die Unterdrückung dieser Gegenöffentlichkeit, um die Kontinuität staatlicher Zensurmaßnahmen, ihre Entwicklung und die daraus abzuleitende Bedeutung für den Umgang der Gegenöffentlichkeit mit der Zensur. Die Chronologie zeigt das Ausmaß dieser politischen Unterdrückung auf, die Originalreprints dokumentieren den Inhalt der (ehemals) verbotenen Texte, und der Diskussionsteil vermittelt sowohl Erfahrungen und Ansätze als auch Widersprüche und Schwächen des Widerstandes bei den Versuchen, der politischen Zensur etwas entgegenzusetzen.« (Schwarze Texte, S. 4)
Parallel zu Schwarze Texte publizieren wir mit einer 80-seitigen Broschüre die vollständige Fassung eines Interviews mit der illegalen Zeitschrift radikal. Sozusagen als »Autorenhonorar« erhalten die radikal-GenossInnen eine größere Stückzahl der Broschüre. Ohne unsere Kenntnis legen sie das Heft dem Aboversand der Nr. 138 bei. Das ist nicht besonders klug, denn natürlich gehört auch der Staatsschutz zu den Abonnenten, und es motiviert die Bundesanwaltschaft, verfügt sie nun aufgrund des Impressums der Broschüre erstmals über Namen, zu einer groß angelegten Durchsuchungsaktion bei unserer Auslieferung Aurora in Berlin, Winddruck in Siegen sowie einer ehemaligen Privatadresse in Siegen. Wie üblich bei solchen Verfahren, wird von Staatsseite dick aufgetragen. Der Vorwurf lautet: »Herausgabe, Herstellung und Vertrieb der illegalen radikal und die Unterstützung terroristischer Vereinigungen RAF und RZ.«
Zusätzlich wird im Dezember 1989 durch Akteneinsicht beannt, daß die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gegen »Hoffmann, Diederich, Schindowski« ebenfalls ein Ermittlungsverfahren nach § 129a StGB wegen des Buches Schwarze Texte eingeleitet hat und eine bundesweite Beschlagnahme des Buches geplant war. Höchstrichterlich würdigt aber das Kammergericht Berlin die Publikationspraxis und spricht uns von dem Vorwurf der Unterstützung nach § 129a frei.
»Die von der Bundesanwaltschaft in einem Vermerk vom 7. November 1989 vertretene Auffassung, die Wiedergabe der Texte erfolge nur vordergründig zum Zwecke der Dokumentation, findet in der Broschüre selbst keine ausreichende Grundlage. Die Verfasser bzw. Herausgeber befürworten es zwar erkennbar, linksextremes Gedankengut auch dann zu veröffentlichen, wenn dadurch gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen wird, weil dies nach ihrer Auffassung ein notwendiger Teil des Kampfes gegen politische ðZensurÐ darstellt. Hieraus folgt aber nicht, daß sie mit der Broschüre auch das Ziel der propagandistischen Stärkung terroristischer Vereinigungen verfolgen.«
Ansonsten erscheinen 1989, neben dem ersten Verzeichnis der alternativMedien, noch das von Josef Wintjes betreute Verzeichnis deutschsprachiger Literaturzeitschriften. Eine Fortführung der Kooperation kommt leider aufgrund unterschiedlicher Konzeptvorstellungen nicht zustande. Im September 1995 stirbt Bibi Wintjes, der »Würger von Bottrop« und einzige Mitarbeiter des legendären Literarischen Informationsdienst.


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