linksrhein Quelle: Südkurier (Baden-Württemberg) vom 17.01.01
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Zeugen belasten angeklagte Skinheads schwer

Mutmaßliche Seenachtfest-Schläger als rassistische Angreifer geschildert · Aber auch Widersprüche in Zeugenaussagen

Am ersten Tag der Beweisaufnahme im Prozess gegen fünf Angeklagte aus der Skinheadszene in Pfullendorf, Markdorf und Bad Wurzach haben die Geschädigten und ein Security-Bediensteter die mutmaßlichen Täter schwer belastet. Den Anwälten der Angeklagten gelang es jedoch auch, Widersprüche in den Schilderungen der Zeugen aufzuspüren. Die Angeklagten schwiegen gestern. Sie hatten am ersten Verhandlungstag bestritten, gewalttätige Rechtsradikale zu sein. Vielmehr stellten sich einige von ihnen als Opfer gewalttätiger Übergriffe der Ausländergruppe dar.

Ein 23-jähriger, seit sieben Jahren in Deutschland lebender Mann aus Togo und zwei 22-jährige hier aufgewachsene Türken wollen hingegen in einigen der Angeklagten die Männer wiedererkannt haben, von denen sie während des Seenachtfests 2000 rassistisch angepöbelt, verfolgt, geschlagen und getreten worden sind.

Ein damals eingesetzter Security-Wachmann bestätigte, von mindestens zwei Mitgliedern der Skinheadgruppe den Hitlergruß gesehen zu haben. Auch habe er zwei junge Männer abgefangen, die dabei waren, einen anderen zu verfolgen. Schließlich bestätigte der Wachmann, eine Schlägerei zwischen einem Skin und einem Schwarzen entdeckt zu haben. Dabei sei der Skin ganz deutlich auf den Schwarzen losgegangen.

In deutlichem Widerspruch zu den nüchternen Beobachtungen des Wachmanns standen die emotional gefärbten Aussagen der geschädigten Seenachtfestbesucher. Der von deutschen Eltern adoptierte, als Arbeiter bei Daimler-Chrysler in Sindelfingen beschäftigte Schwarze aus Togo war mit zwei Arbeitskollegen und einer Bekannten auf das Konstanzer Seenachtfest gereist. Man habe nur ein "bisschen Spaß" haben wollen. Plötzlich sei aus einer entgegenkommenden Gruppe der Ruf "Scheiß Neger" laut geworden. Kurz darauf sei es zur ersten Attacke durch den 26-jährigen Hauptangeklagten gekommen, berichtete der Angegriffene. Diesen Angriff konnte er offenbar abwehren: "Ich habe ihn zu Boden geschickt", gab der selbstbewusste Mann an. "Ich werde niemandem den Gefallen tun, dass er mich totschlägt · ich wehre mich, aber ich schlage mich nicht", entgegnete er auf Versuche eines Verteidigers, seine Friedfertigkeit in Frage zu stellen.

Widersprüchlicher erlebten die Prozessbeteiligten die Aussagen der beiden anderen Geschädigten. Zwar erkannten auch sie einzelne der Angeklagten, erinnerten sich in etwa an die Abläufe von der Schlägerei über eine Hatz bis zum kollektiven Abdrängen eines Geschädigten in den nahen See; auch schilderten sie eine bedrohliche und gewaltbereite Situation, aus der heraus die teils stark angetrunkene Gruppe von Skinheads agierte. Doch während in früheren Aussagen von etwa fünf Tätern die Rede ist, gab einer der Geschädigten nun in farbiger Schilderung an, bis zu 20 Skins um sich herum gesehen zu haben. Schwer taten sich die Zeugen mit der Zurechnung einzelner Tatbeiträge: "Die sehen jetzt alle ganz unschuldig aus mit den längeren Haaren", sagte einer von ihnen über die nicht mehr glatzköpfigen Angeklagten, deren Einzelverhalten nun kaum mehr ausgemacht werden könne.

Ein Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Klaus Geiger wurde als unbegründet abgelehnt. Drei Verteidiger hatten ihm vorgeworfen, dem 26-jährigen Angeklagten durch Bemerkungen schon während der Beweisaufnahme eine Täterrolle zugewiesen zu haben. (wird fortgesetzt)

Tobias Engelsing

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sw, 16.01.01