II. Meilensteine im Kampf der Kurden

Das Erbe Atatürks
Nach 30 Jahren 'Friedhofsruhe'

Erneute 'Auferstehung' der kurdischen Bewegung
Unsäglicher Terror durch die Militärjunta
Bewaffneter Kampf der PKK
Versuche, 1993 die Kurdenfrage friedlich zu lösen
Verbrannte Erde
Eine Zwischenbilanz des Krieges


Verbrannte Erde

Nach Özals Tod wurde der Krieg in Kurdistan intensiviert. Der neue Staatspräsident Süleyman Demirel, Ministerpräsidentin Tansu Ciller und ihre Koalitionspartner von der SHP (später CHP) und der Nationale Sicherheitsrat setzten den Kurs der Repression gegenüber den Kurden fort. Tansu Ciller sprach sogar von einer Endlösung der Kurdenfrage. Ganze Landstriche, Kreisstädte, Hunderte von Dörfern wurden binnen Wochen und Monaten dem Erdboden gleichgemacht und die Bewohner vertrieben. Nachdem die Ministerpräsidentin erklärte, dass sie eine Liste der Unterstützer der PKK in der Hand habe und der Staat sich an diesen rächen werde, gingen die Todesschwadronen ans Werk, um die legale Opposition in den Städten mundtot zu machen und ermordeten gezielt kurdische Politiker, Gewerkschafter, Geschäftsleute. So wurden über 3.000 Menschen durch "Unbekannte" ermordet, über 2.000 Menschen wurden verschleppt und später für "verschwunden" erklärt. Auf Parteibüros der DEP und Zeitungsbüros von Özgür Gündem wurden Bombenanschläge verübt. Eine gezielte Kurdenjagd begann. Bei diesen "Säuberungsaktionen" wurden türkische Mafiabosse und von der Polizei gesuchte Killer der faschistischen MHP (Nationalistische Bewegungspartei) eingesetzt. (14) Der Chef des Geheimdienstes der Gendarmerie (JITEM) vor Ort in Kurdistan, Hüseyin Oguz, sagte vor dem Ausschuss des türkischen Parlamentes, dass "jeder Kurde Zielscheibe und potentieller Todeskandidat des Staates ist" (wörtlich: orijini Kürtse hedeftir: wenn er kurdischer Abstammung ist, dann ist er Zielscheibe. TBMM, Susurluk Arastirma Komisyonu, Susurluk Belgeleri, Seite 125).
Der Bericht erklärt offiziell mit den folgenden Worten die Serie der politischen Morde in den kurdischen Regionen: "Die Entscheidungsbefugnis für Morde im Gebiet des Ausnahmezustandes war in den Händen von Unteroffizieren, stellvertretenden Kommissaren und übergelaufenen Terroristen." (15) Und der Sonderberichterstatter meint in dem Bericht, dass politische Morde im Interesse der Staatsräson zulässig seien und kritisierte nur die Art und Weise, wie gemordet wurde. (16)

(14) s. den Bericht des Sonderberichterstatters des Ministerpräsidenten, Kutlu Savas, 'Susurluk Arastirma Raporu', der das Beziehungsdreick Politik, Mafia und Polizei untersuchte.

(15) taz, 24./25.1.98

(16) taz, 29.1.98
Premierminister Mesut Yilmaz erhielt von der eingesetzten Untersuchungskommission am 12. Januar 1998 einen umfangreichen Bericht über die Verknüpfungen zwischen mafiösen und staatlichen Strukturen. Der Bericht wurde nur teilweise veröffentlicht. Die 'Staatsgeheimnisse' wurden der Öffentlichkeit vorenthalten. Nach der veröffentlichten Version bestanden illegale Organisationen im "Herzen" des Staates, an denen die Mafia beteiligt war. Sie haben eine Serie von Operationen wie die Ermordung von Geschäftsleuten, die vermeintlich die PKK unterstützten, ausgeführt. Die Mitglieder aus der staatlichen Administration, die an diesen illegalen Organisationen beteiligt waren, begannen bald auf eigene Rechnung zu arbeiten, so im Drogenhandel und betrieben Geldwäsche. Lange vor dem Susurluk-Autounfall am 3. November 1996, durch den der ganze Zusammenhang ruchbar geworden war, waren innerhalb der Polizeidirektion offene Kämpfe um die Verteilung der Profite ausgetragen worden. Gesuchte und verurteilte Verbrecher wurden für geheime Aktionen eingesetzt. So wurden z.B. 15 gesuchte Mitglieder der rechtsextremen Grauen Wölfe vom Nationalen Geheimdienst MIT nach Europa entsandt, um dort gegen die armenische ASALA-Organisation vorzugehen. Das Regime, das aus dem Militärputsch in der Türkei von 1980 hervorgegangen war, versorgte diese Verbrechergruppen mit erheblichen Mitteln.
Seit 1993 wurde auch ein sich stets vergrößernder Geheimfonds für die Bekämpfung der PKK ausgewiesen, aus dem Gelder ganz überwiegend ohne jeden Nachweis vergeben wurde. Die davon u.a. gekauften Waffen wurden für die Beseitigung von andersdenkenden kurdischen Intellektuellen und Geschäftsleuten oder für mafiöse Zwecke verwendet. Auch der gescheiterte Versuch, den aserbaidschanischen Präsidenten Haydar Alijev zu ermorden, wurde mit Unterstützung von Mitgliedern aus dem türkischen Staatsapparat organisiert. Der Kommissionsvorsitzende Savas beendete seinen Bericht mit der Empfehlung, den Geheimdienst MIT drastisch abzubauen, und möglichst schnell die türkische Justiz zu reorganisieren, wobei mit den Istanbuler Gerichtshöfen baldigst begonnen werden müsse, da sie durch einen Drall zur Mafia besonders gefährdet seien. Drei Jahre nach Veröffentlichung des Berichtes laufen die Bandenmitglieder und Killer noch immer frei herum. (Nützliche Nachrichten 1/98)