Konferenz 
            Für Existenzgeld und eine radikale Arbeitszeitverkürzung. 
               
              Zur Kritik der Lohnarbeitsgesellschaft
            18. März  21. März 1999, Berlin, organisiert von 
              FelS 
            Dieser Text ist ein Diskussionspapier, daß die Ideen der 
              Gruppe Fels für eine europäische Konferenz zu "Existenzgeld 
              und dem (möglichen) Ende der Lohnarbeitsgesellschaft" 
              vorstellen soll. Geplant ist diese Konferenz für den 18. - 
              21.3.99. Da wir ein solch umfangreiches Projekt nicht alleine machen 
              können - und auch nicht wollen - erhoffen wir uns Anworten 
              von anderen Gruppen. Dieses Papier selber ist als offene Diskussionsgrundlage 
              gedacht. Bei uns Diskussion über dieses Papier traten auch 
              viele Widersprüche zutage, aber mit einer Veröffentlichung 
              zum jetzigen Zeitpunkt wollen wir den Diskussionsprozeß nachvollziehbarer 
              machen. 
            Ausgangspunkt für die Idee zu dieser Konferenz war die Kritik 
              an Maastricht und der Währungsunion. Ist es aber zur Zeit eine 
              zentrale Frage, sich zur Währungsunion zu verhalten? Einerseits 
              agiert das Kapital immer mehr transnational, die meisten sozialen 
              Kämpfe schaffen es aber nur schwer, den nationalen Rahmen zu 
              überschreiten. Gerade angesichts der Währungsunion und 
              der Schaffung eines "Europas des Kapitals" steht der Aufbau 
              einer europäischen linken auf der Tagesordnung. 
            Das Ende des keynesianistischen Klassenkompromisses , welches das 
              letzte halbe Jahrhundert bestimmt haben, zeigt sich auch im Ende 
              des vermassten Lohnarbeiters des Fordismus. Auf der einen Seite 
              findet eine Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse und eine 
              "Reproletarisierung" großer Teile der Menschen statt, 
              gleichzeitig erschwert eine zunehmende Segmentierung und Zersplitterung 
              der Lebensverhältnisse die Verbindung der vielen lokalen sowie 
              gruppenspezifischen Kämpfe. Die Forderung nach Existenzgeld, 
              also einem menschenwürdigen Leben und einer radikalen Umverteilung 
              der Arbeit kann unserer Meinung nach eine Losung sein, die es ermöglicht, 
              diese Aufspaltung zu überwinden und ein Europa des Klassenkampfes 
              gegen das Europa von Maastricht zu stellen. 
            Ziel dieser Konferenz ist es nicht nur, die Forderung nach einem 
              Existenzgeld zu diskutieren. Gerade die deutsche Linke hat sich 
              größtenteils von sozialen Kämpfen und einer materialistischen 
              Analyse verabschiedet. Dem nationalen, rassistischen Konsens muß 
              wieder eine antikapitalistische-emanzipatorische Utopie entgegenzustellen 
              werden. Mit dieser Konferenz wollen wir wieder einen Klassenbezug 
              verankern und einen - ersten - Ansatz zu einem europäischen 
              Organsisierungsprozeß bieten. 
            Die Kritik an Maastricht 
            Die Rahmenbedingungen linker Politik werden sich in den nächsten 
              Jahren nachhaltig verändern. Da ist zum einen der globale Trend 
              nach einem halben Jahrhundert keynesianistischer Interventionspolitik 
              zu deregulierten Märkten zurückzukehren - was üblicherweise 
              mit "Neoliberalismus" umschrieben wird. 
            Zum anderen findet in Europa ein Vereinheitlichungsprozeß 
              statt, der mit dem EURO zementiert wird. Ziel dieses währungspolitischen 
              Einschnitts ist nicht nur, die "Vereinigten Staaten von Europa" 
              ökonomisch vorwegzunehmen, sondern vor allem die Spielräume 
              nationalstaatlicher Sozial- und Wirtschaftspolitik noch weiter zurechtzustutzen. 
              Mit dem EURO wird das deutsche Modell einer autonomen Notenbank 
              mit restriktiver Geldpolitik europäisiert, das heißt 
              es wird mit der europäischen Zentralbank eine Art marktliberaler 
              Überregierung installiert, auf die keine direkte politische 
              Kontrolle mehr ausgeübt wird. 
            Monetaristische Wirtschaftspolitik wird europaweit festgeschrieben. 
              Die Konvergenzkriterien (Beschränkung von Inflation und Staatsverschuldung) 
              haben dabei vor allem die Funktion, Sachzwänge zu erzeugen, 
              mit denen die traditionelle, keynesianistische Sozial- und Arbeitsmarktpolitik 
              unmöglich gemacht wird, denn mit der Einengung von Inflations- 
              und Verschuldungsspielräumen gibt es für die EU-Regierungen 
              keine Alternativen zu Privatisierung und "Sparpaketen". 
              Oder etwas genauer ausgedrückt: die Konvergenzkriterien sind 
              gleichermaßen Vehikel, um die Umverteilung von unten nach 
              oben politisch zu legitimieren ("wir müssen kürzen, 
              sonst schaffen wir die Euro-Bedingungen nicht"), als auch Instrumente, 
              um eine monetaristische Wirtschaftspolitik unabhängig von Wahlergebnissen 
              zu erzwingen (linkskeynesianistische Regierungen hätten nur 
              die Alternative aus dem Euro herauszufallen oder aber nachzuziehen). 
            Der Abschied vom keynesianistischen Interventionsstaat, wie sie 
              mit den Konvergenzkriterien in bestechend knapper Form vorgeschrieben 
              wird, ist also eine pervertierte Form politischer Vereinigung. Die 
              Entscheidungsmacht wird den gesellschaftlichen Institutionen abgenommen, 
              die außerpolitische Notenbank (und nicht legtimationsabhängige 
              Regierungen) bestimmen die Wirtschaftspolitik. Im Prinzip ist das 
              natürlich nichts Neues. Im Kapitalismus sind gesellschaftliche 
              Verhältnisse stets "versachlicht", d.h. sie werden 
              hinter dem Rücken der Akteure als Sachzwang fetischisiert. 
              Aber dennoch war der Keynesianismus in mancher Hinsicht so etwas 
              wie ein institutionalisierter Klassenkompromiß unter Führung 
              des Kapitals, bei dem durchgesetzt war, daß die Politik in 
              die Ökonomie intervenieren muß. Von dieser (erkämpften) 
              Erkenntnis wird jetzt abgerückt. 
            Wenn die französische kommunistische Partei, die italienische 
              Rifondazione Communista oder manche linkssozialdemokratische Gruppen 
              Maastricht ablehnen, hat dies vor allem damit zu tun. Es geht gegen 
              die Festschreibung einer liberalen Wirtschaftspolitik und um die 
              Verteidigung der im Keynesianismus durchgesetzten Erkenntnis, daß 
              der Markt von der Gesellschaft (d.h. im Konkreten dem spätkeynesianistischen 
              Staat als Repräsentanten des institutionalisierten Klassenkompromisses) 
              nicht nur normiert (wie es die Liberalen fordern), sondern daß 
              aktiv staatlich in ihn eingegriffen werden muß.  
            Auch wenn das vom marxistischen und linksradikalen Standpunkt nicht 
              weit genug geht, weil die Regulation kapitalistischer Märkte 
              durch den Staat am zugrundeliegenden Verhältnis nichts ändert, 
              steht hinter der reformlinken Kritik eine wichtige Einsicht, die 
              in Deutschland scheinbar allen abhanden gekommen ist: Der Kampf 
              um Befreiung ist ganz wesentlich ein Kampf um die Unterordnung der 
              Ökonomie unter die Politik, ein Kampf um die Gestaltung von 
              Arbeit und Wirtschaft nach gesellschaftlichen Bedürfnissen. 
             
            Wenn man die europäische Vereinigung angreift, sollte man 
              also zum Kern Marx'scher Theorie zurück: Die Sachzwänge 
              des Marktes als gesellschaftliche Machtverhältnisse entlarven. 
             
            Gegen die EU und den Euro?
            Natürlich gibt es gegen das EU-Projekt noch eine ganze Reihe 
              weiterer, bekannter Argumente: Die EU bedeutet eben keine Abschaffung, 
              sondern nur eine Verlagerung von Grenzen - nicht- weiße ArbeiterInnen 
              werden so weit geduldet werden, wie dies dem Kapital Billiglöhne 
              garantiert (marokkanische Landarbeiter auf spanischen Agrarplantagen, 
              tunesische Malocher in norditalienischen Klitschen, türkische 
              Putzfrauen in französischen Büros, ukrainische Bauarbeiter 
              in Deutschland), die anderen werden mit einer gigantischen Repressionsmaschinerie 
              außen vor gehalten. Gleichzeitig wird die flächendeckende 
              Kontrolle im Inneren verschärft - schon jetzt kommt es in regelmäßigen 
              Abständen zu Autobahnfahndungen und Großrazzien, die 
              im Prinzip die Grenzkontrollen ins Landesinnere verlagern. Und schließlich 
              ist auch der bürokratische Charakter der EU nicht zu unterschätzen. 
              Wenn man bisher schon kaum Begeisterung für die parlamentarische 
              Demokratie im Kapitalismus aufbringen konnte, wird dies in der EU 
              noch viel weniger der Fall sein. Das europäische Parlament 
              ist nicht mal ein Kasperltheater, es ist gar nichts. 
            Trotz dieser Argumente halten wir es allerdings für falsch, 
              pauschal gegen die EU zu argumentieren. Eine solche Position ist 
              leicht mit den chauvinistischen Konzepten der Rechtspopulisten ("Unsere 
              DM schützen") oder den wohlfartsstaatlichen Abwehrgefechten 
              der Linkssozialdemokratie zu verwechseln. Weder die europäische 
              Nation des 19. und 20.Jahrhunderts noch der keynesianistische Sozialstaat 
              sind es wert verteidigt zu werden. Die "Globalisierung aufhalten 
              zu wollen", wie dies aus Kreisen der deutschen PDS zu hören 
              war, ist lächerlich bis erbärmlich. Als ob der keynesianistische 
              Staat eine Errungenschaft der Linken und nicht vor allem eine Integrationsmaßnahme 
              des Kapitals gewesen wäre. 
            Zudem ist eine simple Anti-EU-Haltung aber auch einfach zum Mißerfolg 
              verdammt. Rückwärtsgerichtete Kämpfe von links sind 
              stets zum Scheitern verurteilt. Und in diesem Fall ganz besonders: 
              Die Globalisierung ist ein objektiver Trend, der im Moment auch 
              die politischen Institutionen überrollt. Juristische Regelungen 
              (z.B. hinsichtlich Kapitalmärkte, Internet etc.) hinken im 
              Augenblick etwa ein Jahrzehnt hinter der technologischen Wirklichkeit 
              hinterher. Wie sollten wir es da schaffen, die technologische Dynamik 
              zu stoppen? Wer will schon mit einer Fahrradbremse einen 40-Tonner 
              zum Stehen bringen? 
            In Anbetracht dieses Dilemmas, daß weder europäischer 
              Geschichtsoptimismus - wie ihn etwa Jürgen Elsässer vertritt 
              - noch keynesianistische Nostalgie irgendetwas mit der Realität 
              zu tun haben, ist der einzig vernünftige Weg die Flucht nach 
              vorne, wie sie viele Basisgruppen in der EU längst angetreten 
              haben. Statt uns in der Maastricht-Diskussion auf die eine oder 
              andere von zwei gleichermaßen idiotischen Positionen zu schlagen, 
              sollten wir lieber zwei zentrale Momente des EU-Projekt thematisieren: 
              1) Die rassistische Abschottung der EU und die autoritäre und 
              repressive Politik nach innen; sowie 2) die kapitalfreundliche Politik, 
              wie sie mit dem EURO festgeschrieben wird. 
            Über den ersten Punkt wird in der radikalen Linken schon lange, 
              schon seit Mitte der 80er Jahre gesprochen, über den zweiten 
              leider bisher kaum.  
            Die monetaristische Ausformung des EURO und damit der EU sind (wie 
              oben dargestellt) das eigentliche Problem der neuen Währung. 
              Zwar geht die EU deutlich weiter als die nordamerikanische NAFTA, 
              die als reines Freihandelsabkommen die Mobilität des Kapitals 
              erweitert, ohne die der Arbeitskraft zuzulassen, aber auch in der 
              EU sind sozialpolitische Regelungen bisher völlig außen 
              vor geblieben. Es gibt keine EU-weiten Mindestlöhne, Tarifverträge 
              oder gar eine Arbeitsmarktpolitik Brüssels. Damit werden die 
              zwiespältigen Errungenschaften aus einem Jahrhundert Arbeiterbewegung 
              weggewischt. Das legale Sozialdumping (die außertariflichen 
              Arbeitsverhältnisse mit Malochern aus Irland und Portugal sind 
              nicht illegal) wird dadurch durchgesetzt.  
            Das alles ist kein Zufall: Den EU-Regierungen ist es problemlos 
              gelungen, ihre Polizeigesetze zu vereinheitlichen und die Repressionsapparate 
              zu integrieren. Wenn das gleiche in der Sozialgesetzgebung nicht 
              stattgefunden hat, dann deswegen weil der keynesianistische "Wohlfahrtsstaat" 
              gezielt zerschlagen werden soll. 
            Für gemeinsame Sozialstandards kämpfen?
            Auf der Hand liegt es schon lange: Gegen ein transnational agierendes 
              Kapital muß auch das Proletariat transnational agieren (mit 
              "Proletariat" meinen wir nicht jenen traditionellen und 
              immer schon falschen Begriff von "Arbeiterklasse", sondern 
              jene fragmentierte Masse aller derjenigen, die von Löhnen leben 
              müssen bzw. davon nicht leben können, weil sie gar nicht 
              in die kapitalistische Lohnarbeit hineinkommen, also Hausfrauen, 
              Erwerbslose, Flüchtlinge. Das Proletariat ist also nicht männlich 
              und weiß, sondern mehrheitlich "farbig" oder weiblich). 
              Natürlich beschränkt sich dieser Anspruch nicht auf die 
              Europa. Gesellschaft ist nur global zu verstehen, aber da die EU 
              ein existierender politischer Rahmen ist, müssen wir auch hier 
              ansetzen. 
            Die Gewerkschaften als zerfallende Apparate (siehe Revelli) werden 
              diese Transnationalisierung sicher nicht leisten. Es ist kein Zufall, 
              daß ihre Führungsriegen fleißig bei der chauvinistischen 
              Standort Deutschland-Debatte mitstricken. Viel besorgniserregender 
              ist, daß es auch in der außerparlamentarischen Linken 
              (die sich ja gern selbst als undogmatisch und internationalistisch 
              bezeichnet) solche Auseinandersetzungen kaum gibt. Anstatt eines 
              transnationalen Antikapitalismus feiert man sich immer selbst in 
              den unpolitischen und konsequenzlosen "Ach-wir-sind-ja-so-internationalistisch" 
              Happenings wie den Chiapas-Kongressen. 
            Es sind hauptsächlich linke Betriebsleute und geschaßte 
              Trotzkisten gewesen, die im Sommer 1997 den europäischen Marsch 
              gegen Erwerbslosigkeit und Marginalisierung nach Amsterdam organisierten. 
              Und damit den gemeinsamen Kampf um Sozialstandards ins Gespräch 
              brachten.  
            Unserer Ansicht nach müßte man genau dort ansetzen, 
              ohne allerdings die keynesianistischen Prämissen zu akzeptieren. 
              Für den untergehenden Wohlfahrtsstaat sindu 1) die nationalstaatliche 
              Eingrenzung, 2) die sozialbürokratische Kontrolle der Unterschichten 
              und 3) die Ankoppelung der Einkommen an die Produktivitätsentwicklung 
              kennzeichnend gewesen. Alles drei lehnen wir ab. Uns geht es nicht 
              um die reformtechnologische Verwaltung der Arbeit (das ist das Problem 
              der Regierungen), sondern um unser Recht auf ein anständiges 
              Leben.  
            Her mit dem schönen Leben  1500 DM für alle!
            Keine Forderung beinhaltet diese Absicht unserer Meinung so treffend 
              wie die Forderung nach Existenzgeld: 
            
              - Revolutionäre Diskurse, die steril bleiben, weil sie niemanden 
                mobilisieren, sind objektiv betrachtet überhaupt nicht radikal. 
                Dann doch lieber Lenin: Mit "Land, Frieden, Brot" eine 
                Gesellschaft in Bewegung bringen. Den Vorwurf "Existenzgeld 
                ist reformistisch" kann man abhaken. Natürlich ist die 
                Existenzgeld-Forderung reformistisch, aber man kann anhand von 
                ihr die Legitimität des herrschenden Verteilungs- und Arbeitsmodells 
                angreifen und damit eine nicht-kapitalistische Alternative wieder 
                vorstellbar machen. (Wer Radikalität mit selbstgewählter 
                gesellschaftlicher Isolation verwechselt, hat sich in der Veranstaltung 
                geirrt: Die Evangelisten treffen sich nebenan...) 
 
              - Die Forderung nach Existenzgeld wird der Klassenstruktur des 
                Postfordismus gerecht. K.H.Roth hat das neue Proletariat vor 2 
                Jahren sehr poetisch als "Archipel" kleiner, segmentierter 
                Gruppen bezeichnet, die zum Teil außerhalb der Erwerbsarbeit 
                stehen oder prekär malochen, zum anderen als "Selbständige" 
                arbeiten oder immer noch über Tarifverträge verfügen. 
                Eine Forderung, die das Existenzrecht aller formuliert, kann zu 
                einer Brücke zwischen den ArchipelbewohnerInnen werden. 
 
                Eine Garantie gibt es dafür natürlich nicht. Aber wir 
                wissen, daß neue proletarische Bewegungen kaum noch am (prekären 
                und flexibilisierten) Arbeitsplatz entstehen werden. Sie können 
                sich eigentlich nur noch in konkreten politischen Kämpfen 
                konstituieren, wo Solidarität im gemeinsamen Projekt (und 
                nicht wie früher am Arbeitsplatz) erfahren wird.  
              - Wir müssen den Zerfall des Keynesianismus nutzen, um zu 
                einer radikalen Version von Kommunismus zu kommen. Für alle 
                gesellschaftlichen Modelle bisher (marktliberale, keynesianistische 
                und staatssozialistische) war der Zwang zur Lohnarbeit charakteristisch. 
                Akkordmodelle, Arbeitsmythos und fordistische Fabriken gab es 
                nicht nur in den USA und Westeuropa, sondern auch in der Sowjetunion. 
              
 
             
            Inzwischen jedoch ist aufgrund der technologischen Entwicklung 
              immer weniger Arbeit nötig, um die gleiche oder sogar eine 
              größere Menge an Reichtümern herzustellen. Immer 
              weniger Leute werden für die Produktion von Gütern und 
              Dienstleistungen gebraucht. Die wachsende Zahl von Arbeitslosen 
              wird in Jobs gedrückt, wo zu Hungerlöhnen gearbeitet wird 
              (in Norditalien sind 5-6 DM Stundenlohn keine Seltenheit mehr), 
              weil sich sonst ihre Anstellung überhaupt nicht mehr rechnen 
              würde. Die Profiteure sind eine kleiner werdende Zahl von KapitalbesitzerInnen, 
              leitende Angestellte und sonstige Großverdiener. Und die sozialen 
              Widersprüche werden sich noch massiv verschärfen.  
            D.h. an der Debatte um neue gesellschaftliche Verteilungsmodelle 
              kommt sowieso niemand mehr vorbei. Natürlich kann man den Trend 
              zu südamerikanischen Verhältnissen (die reichsten 20% 
              verdienen 20-30 Mal so viel wie die ärmsten 20%) als gottgegeben 
              betrachten. Man kann aber heute noch deutlicher als bisher feststellen, 
              daß es nicht die Arbeit des Einzelnen ist, die Reichtum erschafft, 
              sondern das angehäufte technische und kulturelle Wissen der 
              Menschheit.  
            Wer soll die Früchte hiervon beanspruchen? 25% Festangestellte 
              und Kapitalbesitzer oder eine Gesellschaft als Ganze? Die Frage 
              führt fast zwangsläufig zu nicht-kapitalistischen Konzepten. 
              Das Ende des Keynesianismus/ Fordismus bietet also eine Grundlage 
              für eine allgemeine Debatte um Arbeitszeitverkürzung, 
              Umverteilung der Arbeit und Abschaffung der Lohnarbeit insgesamt. 
              Und die Existenzgeld-Forderung ist eine politische Umsetzung dieser 
              Erkenntnis: Wir haben alle einen Anspruch auf die gesellschaftlichen 
              Reichtümer bzw. auf die Gestaltung der Ökonomie als Ganzem. 
              
            Zur Konferenz
            Wir stellen uns ein Treffen vor allem mit ReferentInnen aus der 
              EU vor. Wir wollen keine Fachtagung zu Grundsicherungsmodellen, 
              denn wir sind keine "Regierung in spe", die sich über 
              die Realisierbarkeit von Reformen den Kopf zerbrechen muß. 
              Wir sind Teil einer embrionären außerparlamentarischen 
              Bewegung, die die antagonistischen Verhältnisse in Kapitalismus 
              und Patriarchat zum Ausdruck bringt. Unsere Forderungen vermitteln 
              Ansprüche, sie sind keine Gesetzesprojekte. 
            Wir wollen ein Treffen mit Gruppen, die innerhalb der EU leben 
              und arbeiten, das heißt ausdrücklich eben auch jenen 
              Teil von EinwandererInnen, die wie blinde Flecke behandelt und rassistisch 
              angegriffen werden.  
            Außerdem wollen wir keine pseudo-basisdemokratische Befindlichkeitsdebatte, 
              sondern eine Auseinandersetzung um Vorträge und Thesenpapiere, 
              das heißt wir wollen gut vorbereitete und relativ effizient 
              geleitete Arbeitsgruppen, zu denen wir prominentere TheoretikerInnen 
              wie Revelli, Roth, Hirsch, Gorz, Mahnkopf etc. einladen wollen. 
              Die Größe der Konferenz müssen wir im Verlauf festlegen, 
              wenn wir mehr über Interesse und Finanzmöglichkeiten wissen. 
             
            Einige Ideen für mögliche Foren:
            Das mögliche Ende der Arbeitsgesellschaft:
            Es zeichnet sich deutlich ab, daß es nie wieder Vollbeschäftigung 
              geben wird. Wenn man schon in der Vergangenheit fragen konnte, was 
              an der Forderung nach Lohnarbeit links sein soll, dann kann man 
              sie heute getrost ganz vergessen. Statt dessen müssen unmittelbare 
              Kämpfe im Zusammenhang mit der Umverteilung von Arbeit und 
              Einkommen geführt werden.  
              Frage: In welche Richtung wird sich der Kapitalismus weiterentwickeln? 
              Welche Chancen ergeben sich daraus? 
              
            Unbezahlte Arbeit: der blinde Fleck im Marxismus:
            Auch marxistische Theoretiker haben lange nur Lohnarbeit als Arbeit 
              erkannt. Die zahlreichen Formen unbezahlter Arbeit, vor allem der 
              in den Familien geleisteten Reproduktionsarbeit, spielten keine 
              Rolle. Wie ist das Verhältnis reproduktiver und produktiver 
              Arbeit zu bewerten? Welche Bedeutung hat die Nicht-Lohnarbeit für 
              den Erhalt patriarchaler Strukturen?  
            Wir wollen nicht zurück zum Wohlfahrtsstaat:
            Die Wirklichkeit der Sozialbürokratien 
              Ein Forum zur Kritik des Keynesianismus: Inwiefern waren Sozialhilfe 
              und -ämter notwendige Institutionen zur Armutskontrollle und 
              -verwaltung? 
            Vorstellung und Kritik unterschiedlicher Grundsicherungsmodelle:
            In allen Parteien werden Existenzgeldmodelle diskutiert. Worauf 
              zielen diese verschiedenen Modelle ab und würde sich die Situation 
              bei einem Existenzgeld auf niedrigem Niveau nicht sogar noch verschlechtern? 
            Die Situation von Flüchtlingen und MigrantInnen:
            Wie werden hier im Augenblick Zahlungen verweigert und ist die 
              Forderung nach Existenzgeld aus der Sicht von MigrantInnengruppen 
              überhaupt zu begrüßen - schließlich bleibt 
              die Zahlung auf die EU oder einzelne Mitgliedsstaaten beschränkt? 
              Was bedeutet die Verteidigung der sozialen Standards für die 
              Unterklassen im Süden und Osten? 
            Europäische Diskussion über Forderungen in den jeweiligen 
              Ländern:
            In anderen Ländern der EU spielt das Existenzgeld in der Diskussion 
              kaum eine Rolle. Welche anderen Forderungen gibt es und wieso ist 
              beispielsweise in Frankreich vor allem der Mindestlohn in der Debatte? 
              Was würde das Existenzgeld für Osteuropa bedeuten? 
            Das Ende der Gewerkschaften:
            Der italienische Postfordismus-Theoretiker Revelli behauptet, daß 
              sich die Gewerkschaften auflösen. Warum ist das so und wo kann 
              Klassenwiderstand dann organisiert werden? 
            FelS Sozial-AG 
             
            
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