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            Auf zu einem europäischen Netzwerk  
              für das Einkommen 
            Liebe Freundinnen und Freunde, 
            AC! (Agir ensemble contre le chômage! - Gemeinsam handeln gegen 
              Erwerbslosigkeit! ) vereinigt in Frankreich rund 180 Kollektive. 
              Sie setzen sich zusammen aus Empfängern von Löhnen, handle es sich 
              um Gehälter, um Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Ausbildungsunterstützung 
              oder Rente. Dieses Kollektivnetz definiert seine Orientierung whrend 
              seiner nationalen Tagungen (zwei- oder dreimal pro Jahr). Aus verschiedenen 
              Arbeitsgruppen entstanden Kommissionen, deren Aufgabe es ist, kollektiv 
              zu analysieren, zu debattieren, Aktionskampagnen vorzuschlagen und 
              vorzubereiten oder Agitationsmaterial zur Verfügung zu stellen und 
              Militanten auszubilden: Kommission 'Einkommen', Kommission 'Verkehrsmittel 
              zum Nulltarif', Komm. 'Recht und soziale Selbstverteidigung', Komm.'Erwerbslose/Unternehmen',Komm. 
              'Arbeitszeitverkürzung' usw. ...  
            Während der Nationalen Tagung von AC! im Oktober 1995 wurde die 
              Forderung eines Einkommens für jeden, mit oder ohne Arbeit, angenommen. 
              Zahlreiche tiefgehende und widersprüchliche Debatten gingen der 
              Annahme dieser neuen Orientierung voraus. Nach und nach wurde die 
              Hypothese einer Rückkehr zur Vollbeschäftigung, die anfangs von 
              zahlreichen Kamaraden, vor allem Gewerkschaftern aus dem öffentlichen 
              Dienst  die am Ursprung von AC! stehen  verteidigt wurde, relativisiert, 
              da sich immer mehr Arbeitslose und prekär Beschäftigte zu dem sich 
              rasch ausbreitenden Netz gesellten.  
            Im wesentlichen bewegen sich die Forderungen der Erwerbslosen und 
              prekär Beschäftigten um den Anspruch auf ein Existenzrecht, unabhängig 
              vom Arbeitplatz. Eine Lohn- und Geldforderung auf diesem Gebiet 
              ermöglicht es, eine strukturierende Achse unserer politischen Intervention 
              zu definieren. Die Forderung eines garantierten Einkommens für alle 
              ermöglicht es, an das Erreichte aus den früheren Arbeitslosenbewegungen 
              anzuknüpfen, als auch das Verweigern der Erwerbslosigkeit wieder 
              in eine globalere Perspektive der Kritik der Lohnarbeit zu integrieren. 
             
            Ein Jahr später, während der Nationalen Tagung vom Oktober 1996, 
              wurde definiert, daß die Höhe dieses garantierten Mindesteinkommens 
              für alle auf Höhe des SMIC (d.h. der frz. monatliche Mindestlohn, 
              der sich der Wachstumsrate anpaßt.) sein soll. Versuchen wir, die 
              Kämpfe der letzten Jahre zu analysieren, so stellen wir fest, daß 
              die Forderungen rund um das Einkommen eine entscheidende Rolle hinsichtlich 
              der internen Organisation, als auch dem öffentlichen Hervortreten 
              der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten in Frankreich gespielt 
              haben. Und dies auf besonders spektakuläre Weise im Winter 97/98 
              : Forderung der Erhöhung der Sozialhilfe, Anspruch auf ein Einkommen 
              für Jugendliche, finanzielle Nothilfe (z.B. die "Weihnachtsprämien"), 
              Schwarzfahrtaktionen, kollektive Wiederaneignungsaktionen von Reichtümern 
              ("Einkaufswagenaktionen" in Supermärkten, Gratisessen in Luxusrestaurants 
              oder Unternehmenskantinen usw...) Zwischen Februar und September 
              1998, während der monatlichen Aktionstage der Erwerbslosen- und 
              prekär Beschäftigtenbewegung in Deutschland, lautete die erste Forderung 
              Einführung eines garantierten Mindesteinkommens von 1500DM + Warmmiete. 
              €hnliche Forderungen existieren oder erscheinen in den anderen europäischen 
              Ländern. Und obwohl das garantierte Mindesteinkommen für alle von 
              der Mobilisierung der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten in den 
              Vordergrund der sozialen und politischen Szene Europas gerückt wurde, 
              sind unsere verschiedenen (fast alle sozialdemokratischen) Regierungen 
              dabei, sich für eine neo-liberale Version eines europäischen Mindesteinkommens 
              zu entscheiden, die Armut, Lohnsenkungen und disziplinäre soziale 
              Kontrolle verschlimmern wird. "Workfare", mickrige Unterstützungen, 
              Zwangsarbeit mit Androhung sonst aus den Karteien gestrichen zu 
              werden, "Anreiz" zur Arbeit mit Maßnahmen wie den "Kombilohn", "Aktivierung 
              der passiven Ausgaben", Kontrolle-Denunziation-Streichung von Erwerbslosen 
              und prekär Beschäftigten usw...  praktisch alle europäischen Länder 
              sind dabei, ihre Maßnahmen im Sinne von Prekarität, von Armut und 
              sozialer Kontrolle zu verstärken, gemäß den schwarz auf weiß in 
              den Kommunikationen der Europäischen Kommission in Brüssel aufgestellten 
              Prinzipien:  
             "Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um Arbeitslose durch administrative 
              Kontrolle und sozialen Druck zur Arbeit anzureizen" (Kommunikation 
              der EK vom 23.4.98)  
             "Darüber hinaus muß die Lohnskala, durch eine Reduzierung der 
              Lohnkosten wenig qualifizierter Arbeit von 20-30%, nach unten erweitert 
              werden, wie das z. B. in den USA in den 70er und 80er Jahren der 
              Fall war. Um wirksam zu sein, verlangt eine solche Maßnahme in Europa 
              nach einer ebenso hohen Reduzierung der Arbeitslosenunterstützung 
              und Sozialhilfe, um nicht in die Schlingen der Armut zu geraten." 
              (Kommunikation der EK vom 25.2.98)  
            Infolge des Gipfels von Luxemburg stehen wir heute in den verschiedenen 
              europäischen Ländern vor Arbeitsbeschaffungsplänen, die alle eins 
              gemeinsam haben, nämlich die Erwerbslosen zu zwingen, jegliche untertariflich 
              bezahlte Arbeit zu akzeptieren und das Lohndumping zu verschlimmern. 
             
            Deshalb erscheint es uns entscheidend, uns auf europäischem Niveau 
              zu organisieren, um diese "Arbeitspolitiken" radikal abzulehnen, 
              um unsere Forderung eines garantierten Mindesteinkommens für alle 
              geltend zu machen, um unsere Informationen, Analysen und Kampferfahrungen 
              auszutauschen.  
            AC! hat in der Erstellung des Netzes der Euromärsche eine wesentliche 
              Rolle gespielt. Die Einkommenskommission von AC! spielt im übrigen 
              eine aktive Rolle im Sekretariat der Märsche in Frankreich, und 
              wir werden in diesem Rahmen weiterarbeiten, denn er ermöglicht eine 
              breite Mobilisation, die für Initiativen von europäischem Ausmaß, 
              wie die Demonstration von Juni 97 in Amsterdam oder jene in Köln 
              am 5. Juni 99, notwendig ist. Uns erscheint es jedoch bei einer 
              so entscheidenden Frage wie jener des garantierten Einkommen unabdingbar, 
             
            1. daß wir mit all jenen in Kontakt stehen, die in diesem Sinne 
              arbeiten, selbst wenn sie aus verschiedenen Gründen selbst nicht 
              an den Euromärschen teilnehmen wollen.  
            2. daß wir mit anderen Kampfvereinigungen an diesen Fragen arbeiten. 
              In Frankreich wird AC! beispielsweise noch Diskussionen und Aktionen 
              zum Thema Einkommen mit verschiedenen Kollektiven vestärken. Mit 
              den Koordinationen der "Papierlosen" (Sozialrechte der Immigranten, 
              Bewegungsfreiheit, gegen Diskriminierung von Unverheirateten), mit 
              Selbsthilfegruppen von Aidskranken (Sozialrechte der Aidskranken, 
              Individualisierung der Sozialrechte, garantiertes Einkommen für 
              Inhaftierte), mit Frauenrechtsgruppen (Gratisarbeit, zu niedrige 
              Löhne für teilzeitbeschäftigte Frauen), mit Obdachlosengruppen (Recht 
              auf Wohnung), mit Studenten und Schülern (jünger als 25 sind Jugendliche 
              in Frankreich von Mindesteinkommen ausgeschlossen, Verbreitung von 
              prekären Arbeitsplätzen, Anrecht auf ein Einkommen während der Ausbildung), 
              ... Diese Aufzählung gibt einen Einblick darin, was auf europäischem 
              Niveau gemacht werden könnte und sollte...  
            3. daß wir mit anderen Personen, Forschungsgruppen und Zeitschriften 
              zusammenarbeiten, die nicht in direktem Kontakt zu sozialen, militanten 
              oder Gewerkschaftsgruppen stehen.  
            4. daß wir die Zeit nehmen, Materialien, Analysen, Erfahrungen 
              und Gedanken auszutauschen, was das Thema Einkommen und prekäre 
              Beschäftigung in Europa betrifft (Arbeistlosenunterstützung, Sozialhilfe, 
              Löhne usw...): Während der Koordinationsversammlungen oder der Kongresse 
              der Euromärsche spielen Terminfragen eine so überragende Rolle, 
              daß tiefergehenden Analysen und Debatten nicht genügend Platz blieb. 
              Unsere Ideen über Themen wie Einkommen, unbezahlte Arbeit, die "klassische" 
              marxistische Differenzierung zwischen "produktiver" und "unproduktiver" 
              Arbeit, den "Post-Fordismus", prekäre Beschäftigung, immaterielle 
              Arbeit, Kontrollgesellschaft, "Workfare" usw... auszutauschen, kann 
              durchaus fruchtbar sein.  
            5. daß wir unsere Beziehungen zu den Gruppen formalisieren, die 
              im Rahmen der Euromärsche die Forderung nach einem garantierten 
              Einkommen, nach "Existenzgeld", oder auch "sozialem Lohn" und selbst 
              nach "Produktivitätsgeld" hervorheben... ...(Es wäre zweifellos 
              sehr interessant über solche Definitionsprobleme auf europäischem 
              Niveau zu diskutieren, denn jeder kennt wohl die Beziehung zwischen 
              den Worten und den Dingen...).  
            AC!, ebenso wie das Netz der Euromärsche, bietet eine relativ breite 
              Spanne von Positionen was die Frage Erwerbslosigkeit und Prekarität 
              betrifft, und dies führt manchmal zu notwendigen Spannungen und 
              Kompromissen . Der berühmt gewordene Slogan von AC! "Un emploi est 
              un droit, un revenu est un d" (ein Arbeitsplatz ist ein Recht, 
              ein Einkommen eine Schuldigkeit) spiegelt diese Situation wider. 
              Selbst wenn wir uns dafür entschieden haben, "alle zusammen" zu 
              kämpfen, erscheint es uns dennoch notwendig, unsere Positionen deutlich 
              kundzutun und unseren Kampf in das neue produktive Sozialumfeld 
              einzuschreiben.  
            Die soziale Bewegung bleibt logischerweise von den Gewohnheiten 
              und von der Erinnerung einer Arbeiterbewegung gekennzeichnet, die 
              jahrzehntelang innerhalb der Unternehmen Rechte errungen hat. Doch 
              greifen wir heute die aktuellen Formen der kapitalistischen Ausbeutung 
              an. Wir müssen erfinderisch sein; der Kampf bezieht sich auf neue 
              Produktionsformen, auf eine neue soziale Organisation von Arbeit 
              und Leben. Die kapitalistische Umstrukturierung steht der Entwicklung 
              von neuen Formen der Zusammenarbeit entgegen, und wenn es sein muß, 
              nimmt sie sich von ihnen, was Marktwert besitzt. Als Ergebnis der 
              lebendigen Arbeit sind Erfindungskraft, Wissenschaft und Technik 
              immer den sozialen Verhältnissen nach gestaltet, um dieses Sich- 
              Aneignen zur Valorisierung zu ermöglichen. Vorausgreifen heißt hier 
              dann immer wieder, sich von den nostalgischen Sprüchen der Gewerkschaften 
              zu lösen ("Recht auf Arbeit", "Rückkehr zur Vollbeschäftigung"). 
              Es heißt jetzt, eigene Forderungen zu haben und im Sinne einer wahren 
              Umverteilung der sozial produzierten Reichtümer zu handeln: für 
              ein Einkommen für die  nicht anerkannte  Gratisarbeit, die wir 
              leisten, für ein Einkommen, das den neuen Produktionformen ("general 
              intellect", immaterielle Arbeit...) entspricht, für ein Einkommen, 
              das unabhängig vom Arbeitsplatz hinaus Sozialrechte für alle Arbeit 
              anerkennt, die rund um die offizielle Arbeit herum, neben und unter 
              ihr geleistet wird. Das alles heißt, Aktivitätsformen zu sichern, 
              die über die kapitalistische Rentabilität hinausgehen. Armut ablehnen, 
              Kapazitäten des Widerstands gegen Prekarität schaffen und sich einer 
              neuen Entwicklung öffnen,  so könnten die Argumente für ein garantiertes 
              Einkommen für alle zusammen gefaßt werden  und dies nicht nur für 
              sofortige Aktionen, sondern auch für eine tiefe Veränderung unserer 
              Gesellschaft.  
            Wir sind jedenfalls nicht bereit, irgendeinen Arbeitsplatz anzunehmen, 
              um irgendwas zu produzieren. Es steht für uns beispielsweise außer 
              Frage sich Kampagnen, wie jenen der kommunistischen Partei Frankreichs 
              PCF oder der Gewerkschaft CGT anzuschließen, die sich der Schließung 
              von Rüstungsfabriken, Automobilfabriken und Atomkraftwerken entgegenstellen. 
              Mit so einem "Kampf gegen Arbeitslosigkeit" haben wir nichts am 
              Hut.  
            Weiterhin sind wir davon überzeugt, daß die Forderung eines garantierten 
              Einkommens den besten Angriffswinkel bietet, um offensiv eine neue 
              Lohnrunde einzuläuten und dies aufgrund der derzeitigen Arbeitsbedingungen 
              von Erwerbstätigen (Diskontinuität, Polyvalenz, Mobilität) und Arbeitern 
              (Gratisarbeit, Billiglöhne, Ausbeutung). Unter diesem Gesichtspunkt 
              geht unsere Forderung weit über die begrenzte soziale Gruppe, die 
              man unter dem Begriff "Erwerbslose" zusammenfaßt, hinaus. Die Arbeitsprekarität 
              kann nicht als Randerscheinung aufgefaßt werden, die nur eine am 
              Weg zurückgelassene Minderheit betrifft. Die Prekarität steht heute 
              im Zentrum des Produktionssystems. Und so finden wir dann auch die 
              Tradition des offensiven Kampfs des Proletariats wieder, das sich 
              für eine Erhöhung der Löhne mobilisiert,  sei es für einen zum 
              größten Teil sozialisierten Lohn (Lohnempfänger mit Arbeitsplatz) 
              oder einen vollständig sozialisierten Lohn (für Lohnempfänger ohne 
              Arbeitsplatz).  
            Eine Zielsetzung der Europäischen Einkommenskommission wäre es, 
              eine Plattform für die europäische Forderung von Existenzmittel 
              für alle zu sein. Uns schienen vier Texte für solch eine kollektive 
              Ausarbeitung besonders bedeutend --:  
            1. Existenzgeld/ 10 Positionen gegen falsche Bescheidenheit und 
              das Schweigen der Ausgegrenzten, BAG - Erwerbslose, 1992.  
            2. Manifeste pour la garantie des moyens d'existence pour tous, 
              coordination de collectifs de chômeuet précaire1988.  
            3. Platttform des italienischen Verbandes 3RME, 1998.  
            4. Trois arguments pour le revenu, Commission Revenu d'AC!, 1998. 
             
            Es gibt sicherlich noch andere wichtige Texte, die in anderen europäischen 
              Ländern kreisen: Schickt sie uns!  
            Die Kommission wird zweifellos Organisations-, Sprach- und technische 
              Probleme lösen müssen. Da muß halt Erfindungsreichtum bewiesen werden! 
              Und man muß wohl auch von schon vorgesehenen Gelegenheiten profitieren 
              (Die Tagung für die Euromärsche am 23. und 24. Januar 99 in Köln, 
              das Symposium der Fels-Gruppe in Berlin im März 99 usw...), sowie 
              von der individuellen Mobilität jedes einzelnen und vom E-Mail, 
              um anzufangen, das alles aufzubauen.  
            Seid ihr, Kollektiv, Einzelner, Zeitschrift usw... an diesem Projekt 
              interessiert, dann sendet uns eure Anschrift (wenn möglich mit E-Mail 
              oder zumindest Fax... ) und vor allem:  
            eure Ideen, Vorschläge, Wünsche, Erfahrungen, Texte und alles, 
              was nützen könnte, um dieses europäische Netzwerk für das Einkommen 
              auf die Beine zu stellen (Ihr könnt in jeder beliebigen Sprache 
              schreiben, wir kriegen das schon geregelt, doch seid ihr gewohnt 
              Englisch zu schreiben, zögert nicht!).  
            Die Commission Revenu d'AC! könnte vorrübergehend als Sekretariat 
              dienen. Wenn wir die Initiative zu diesem Schreiben ergriffen haben, 
              so geschah dies, um uns so schnell wie möglich die schlechten Gewohnheiten 
              des Pariser Zentralismus abzugewöhnen:  
            Commission Revenu d'AC! 
              42 rue d'Avron  
              75020 Paris  
              France  
              Fax (präzisieren: "Commission Revenu") :00 33 1 43 73 00 03  
              E-Mail : com. revenu@ras.eu.org 
            
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