| ...den gesamten Umfang der Idee Anmerkungen zum Papier »Gegen 
              die Hierarchisierung des Elends - Ueberlegungen zu Prekarisierung, 
              Existenzgeld und Arbeitszeitverkuerzung« (Kursive 
              Zitate in spitzen Klammern sind aus diesem Papier.)  1. Klassenbewußtsein In Zeiten, in denen sich die Restlinke als oberster Sittenwächter 
              - durchweg bürgerlicher - Moral aufspielt, "systemkritische" 
              Theorie entweder zum hundertfünfzigsten Male humanistische 
              Ideale radikalisiert oder sich in andere philosophischen Gefilde 
              verlustiert, in Zeiten, wo Klassenkampf als Ablenkung von sexistischer 
              und rassistischer Underdrückung denunziert wird, fällt 
              das Papier »Gegen die Hierarchisierung des Elends...« 
              der "Gruppe Blauer Montag" angenehm aus dem Rahmen: Es 
              verrät etwas, das der Linken scheinbar völlig abhanden 
              gekommen ist, nämlich Klassenbewußtsein. Es geht 
              ihnen um die eigenen existenziellen Probleme. Sie haben begriffen, 
              daß ihre eigenen Probleme aus ihrer Klassenlage als Proleten, 
              und nicht etwa z.B. aus der "verfehlten Politik der Kohl-Regierung" 
              resultieren. Die Autorinnen des "Blauen Montag" wälzen 
              also nicht, wie in der Linken üblich, die Probleme, wie eine 
              bessere, gerechtere, menschlichere, fortschrittlichere etc. Welt 
              errungen werden könnte. Ihr Papier dient der Analyse der Klassenverhältnisse, 
              des Standes des Klassenkampfs, und zwar weil die Autorinnen eine 
              Überwindung der kapitalistischen Ausbeutung als ihr Interesse 
              als Lohnabhängige begriffen haben. Das spricht für sie, 
              selbst wenn ihre Analyse, für meinen Geschmack, einige Unzulänglichkeiten 
              hat.  2. Klassenlage Als Minister Blüm warnende Töne von wegen der "Entstehung 
              einer neuen Klassengesellschaft" zum besten gab, redete er 
              natürlich von der "Spaltung in Arbeitsplatzbesitzer und 
              Arbeitslose". "Solidarität mit den Arbeitslosen, 
              Rentnern etc." hatten jene angeblich "privilegierten", 
              "beschäftigten" Proleten zu leisten, und zwar durch 
              höhere Abgaben an den Staat.  Dieses Märchen, wonach die Spaltung der Gesellschaft mitten 
              durch das Proletariat laufen würde, hat auch bei den Linken, 
              die sich dem Ideal der Gleichheit verpflichtet fühlen, jede 
              Menge Anhänger gefunden.  Nicht wenige, oft professorale, "Marxisten" behaupten 
              allen Ernstes, daß Sozialhilfeempfänger gar nicht zum 
              Proletariat gehören. Danach ist es nicht Lohnabhängigkeit, 
              also die Erpressung zur Maloche für die Vermehrung fremden 
              Privateigentums, die das gemeinsame Los der Arbeiterklasse ausmacht. 
              Stattdessen soll es das Ableisten von Arbeit sein, das einen Menschen 
              zum Angehörigen der Arbeiterklasse "adelt". Dieser 
              Ideologie entspricht das Bild vom anspruchslosen, fleißigen 
              proletarischen Edelmenschen im Blaumann mit großen Pranken 
              und Schutzhelm. Diese untertänige Witzfigur will bekanntlich 
              nichts anderes erreichen, als ein gewerkschaftlich und staatlich 
              gesichertes Arbeitsleben. Und das bekommt diese Figur, glaubt man 
              den gängigen Sozialstaats-Ideologien, in der "sozialen 
              Marktwirtschaft" auch.  Als Gegenstück zum wackeren Arbeitsmann existiert in genau 
              dieser Ideologie eine ganz andere Kaste von Leuten: Pöbel, 
              mit fragwürdiger Arbeitsmoral. Frauen, denen es doch eigentlich 
              um Küche und Kinderkriegen gehen müßte. Studies, 
              die eigentlich nur "nebenbei" arbeiten. Wirtschaftsflüchtlinge, 
              die ja nur wegen der D-Mark hier sind. Ausländer im Ausland, 
              denen bekanntlich der deutsche Fleiß fehlt usw.. Daß 
              diese Leute irgendwie zu recht nicht in den "Genuß" 
              eines gewerkschaftlich-staatlich "gesicherten Beschäftigungsverhältnisses" 
              kommen, und deswegen höchstens auf sozialstaatliche Mildtätigkeit 
              hoffen dürfen, fanden Sozialstaats-Ideologen schon immer O.K.. 
              Nach dieser Ideologie gibt es den Sozialstaat ja nicht als staatliche 
              Verwaltung der im Kapitalismus unweigerlich erzeugten Armut, sondern 
              als lobenswerte staatliche Fürsorge für Menschen, denen 
              ein "normales" Leben einfach nicht gelingen will.  Es war also immer eine staatstragende Ideologie, die zwischen Arbeitern 
              im "Normalarbeitsverhältnis" und Sozialfällen, 
              die sich mit mieser Arbeit durchschlagen müssen, den entscheidenden 
              Klassen-Unterschied konstruiert hat. Diese Ideologie paßt 
              sich zur Zeit veränderten Gegebenheiten an. Dabei entsteht 
              Diskussionsbedarf.  Die Tatsache, daß das Kapital inzwischen auch in Deutschland 
              so viele Proleten überflüssig gemacht hat, daß jede 
              Menge ehemals vom Kapital gebrauchte Leute zu Sozialfällen 
              wurden, die sich notgedrungen nach miesesten Jobs umsehen, hat in 
              Gewerkschaftskreisen eine »Prekarisierungsdiskussion« 
              entfacht, die pfiffig unterscheidet zwischen einerseits guten, gewerkschaftlich 
              mitbestimmten »Normalarbeitsverhältnissen« 
              und andererseits schlechten »prekären Beschäftigungsverhältnissen«. 
             Das Papier der "Gruppe Blauer Montag" kritisiert diese 
              Sichweise zu recht:   
              »Es macht keinen Sinn, Prekarisierung oder Prekaritaet 
                als Begriff anzuwenden, um eine bestimmte Gruppe, Schicht oder 
                gar Fraktion der Lohnabhaengigen definieren zu koennen. Es gibt 
                keinen "positiven" Begriff von Prekarisierung, er macht 
                nur Sinn im Verhaeltnis zum sogenannten Normalarbeitsverhaeltnis.« 
               Und:   
              »Es gibt im Kapitalismus prinzipiell keine garantierten 
                Beschaeftigungsverhaeltnisse. Das einzige, was wirklich garantiert 
                bleibt, solange das Kapital durch Klassenherrschaft existiert, 
                ist die Lohn abhaengigkeit«, und »die Grundform 
                dieser Lohnabhaengigkeit ist prekaer«.  Angesichts dieser erfreulich richtigen Klarstellungen ist es fast 
              nebensächlich, daß die Autorinnen bei der Analyse dessen, 
              das »wir Normalarbeitsverhaeltnis nennen«, etwas 
              daneben liegen. Sie wissen, daß es keine »Norm kapitalistischer 
              Reproduktion im allgemeinen Sinne« ist, denn:   
              »historisch galt diese Norm weltweit (!) ja nie«. 
               Statt sich die einmalige weltpolitische Konstellation genauer anzusehen, 
              die unter ausdrücklicher Billigung der konkurrierenden kapitalistischen 
              Staaten in einigen Frontstaaten zum Realsozialismus Sozialstaats-Modelle 
              erlaubte, beschränken sie sich auf die Aussage, daß auch 
              diese staatlich modifizierten Varianten kapitalistischer Ausbeutung 
              »erkämpft« werden mußten.   
              Es wäre ein »historisches Verhaeltnis , geronnen 
                in dem, was neuerdings "fordistischer Klassenkompromiss" 
                genannt wird« gewesen, »ging vielmehr aus Klassenkaempfen 
                hervor«, beruhte »auf einem permanenten Klassenkonflikt« 
                und enthielt im »einen Deal mit wechselseitigen "Garantien"« 
                etc. gescheitert wäre dieser Deal ausgerecnet an den »Blockaden, 
                Stoerungen im Produktionsprozess - teils durch offene Revolten 
                in den Fabriken, teils durch stille Renitenz«, den proletarischen 
                »Widerstaendigkeiten gegen die Bedingungen der Produktion«, 
                woraufhin die inzwischen erfolgreichen »Angriffe der 
                herrschenden Klassen, mit denen ein neues Ausbeutungsmodell mit 
                hoeheren Ausbeutungsraten durchgesetzt werden sollte« 
                diesem deal ein Ende machten.  Das ist schief. Die Arbeitskämpfe waren damals in der BRD 
              so gering bemessen, daß sie überhaupt kein "Regulationsmodell" 
              in Gefahr brachten. Der DGB hatte seine Basis fast durchgehend im 
              Griff.  Was sich geändert hat, ist die internationale Lage. Der damals 
              gemeinsame Beschluß der kapitalistischen Siegermacht, Deutschland 
              (und übrigens auch Japan) zu "Bollwerken gegen den Sozialismus" 
              zu machen, versah diese Länder mit so viel Kredit, daß 
              dort die Arbeitskräfte schnell knapp wurden. Wo für die 
              Wirtschaft lebensnotwendige Grundstoffe knapp werden, entschließen 
              sich kapitalistische Staaten gerne zur Außerkraftsetzung der 
              Logik von Angebot und Nachfrage. In Deutschland entschied man sich 
              zu einer, mit antikommunistischen Gewerkschaftbonzen ausgehandelten, 
              staatlichen Arbeitsmarktbewirtschaftung.  Diese einmalige historische Voraussetzung für das ehemalige 
              deutsche "Sozialstaatsmodell" hätten die Autorinnen 
              klarstellen sollen, damit ein für allemal klar ist, daß 
              die fade Utopie vom "sozialstaatlich gebändigten Kapitalismus" 
              noch unrealistischer geworden ist, als die erstrebenswerte 
              Revolutionierung der Produktionsverhältnisse, von der die Arbeiterklasse 
              wirklich etwas hätte.  Ein unvoreingenommener Blick auf die keineswegs abnehmende staatliche 
              Regulationstätigkeit verträgt sich längst nicht 
              mehr mit der Ideologie vom angeblichen proletarischen Nutzen durch 
              staatliche Regulierung des Kapitalverhältnisses.  Deutsches Kapital bedient sich längst am gesamteuropäischen 
              Arbeitsmarkt. Von Arbeitskräfteknappheit kann keine Rede mehr 
              sein. Nach dem Abgang des Realsozialismus hat die, vorher nur eingeschränkte, 
              Konkurrenz der großen kapitalistischen Nationen wieder voll 
              eingesetzt. Finanzielle Konzessionen an aufmüpfige Tade Unions 
              (in England spielten sie wirklich eine Rolle!) waren wegen der "roten 
              Gefahr" einst nötig. Solche Konzessionen wären jetzt 
              schädliche Kosten, die die Konkurrenzfähigkeit jener Staaten 
              gefährden würden, die manche Linke so gerne zu Sozialstaaten 
              ummodeln wollen.  Die staatliche Regulierung des Arbeitsmarktes ist wie eh und je 
              für niedrige Löhne zuständig. Die Nettolohnhöhe 
              entscheidet der Staat durch Lohn- und andere Steuern. "Familiengerechte" 
              Steuersätze sorgen dafür, daß auch kinderlose "Doppelverdiener" 
              keine übermäßigen Vorteile haben. Der ständig 
              sinkende Standard in der Gesundheitsversorgung wird ebenfalls nicht 
              den Verhandlungsergebnissen zwischen Kapital und Arbeit überlassen. 
              Die staatliche Regulierung des Arbeitsmarktes sorgt ferner mit jämmerlich 
              niedrigen Sozialleistungen für unglaublich billige "illegale 
              Dazuverdiener", die zudem einen Großteil ihrer Zeit mit 
              der Jobsuche oder "berufsqualifizierenden Maßnahmen" 
              verbringen sollen. Noch billiger ist der Sektor der durch staatlichen 
              Beschluß "illegalen Ausländer"...  Diese Regulierungen haben den Ehrentitel "Sozialstaat". 
              Dieser soll, das hat der neue Bundeskanzler mehrfach betont, seine 
              Existenzberechtigung erneut unter Beweis stellen. Und zwar, nach 
              Willen der neuen Regierung, dadurch, daß er dem deutschen 
              Kapital einen internationalen Konkurrenzvorteil verschafft, der 
              mit einer ungeregelten Benutzung der Ware Arbeitskraft nicht erreichbar 
              wäre.  3. Klassenkampf Zurück zu den analytisch wertvollen Passagen des Papiers. 
              Wie gesagt, die Autorinnen lehnen es ab, »den Prekarisierungsbegriff 
              zur Analyse von unterscheidbaren sozialen Gruppen anzuwenden«. 
              Vielmehr handelt es sich bei dem Prozeß, der immer mehr Lohnabhängige 
              in hire and fire-Jobs zwingt, »nicht (nur)« 
              um »die Schaffung von Sonderverhaeltnissen neben einem 
              unberuehrten Normalarbeitsverhaeltnis, sondern gehoert zu jenen 
              Prozessen, die zusammengenommen historisch neu definieren, was als 
              Norm fuer Arbeitsverhaeltnisse zu gelten hat.« Es handelt 
              sich also um ein Moment des Klassenkampfes (von oben), »um 
              ein Kampfverhaeltnis, das in jedem Fall den gesamten Zusammenhang 
              der lohnabhaengigen Klasse, das gesamte Klassenverhaeltnis betrifft«. 
             Sie befürworten daher auch keine vom beschäftigten Proletariat 
              getrennte "Arbeitslosenbewegung" und wissen um den trostlosen 
              Stand des Klassenbewußtseins in diesem Land, dessen Änderung 
              m. E. vordringliche Aufgabe der radikalen Linken zu sein hätte: 
              
              »Es gibt eine fatale Schere im Massenbewusstsein: auf 
                der einen Seite die Tendenz zur entwuerdigenden Haltung "Nehme 
                jede Arbeit an"; auf der anderen Seite das Bewusstsein einer 
                konservativen Besitzstandswahrung - bei Beschaeftigten, die das 
                Recht auf kollektivvertraglichen Schutz zum Privileg umwandeln. 
                Ein Recht kann zum Privileg verwandelt werden, wenn seine Allgemeingueltigkeit 
                in Frage gestellt wird (Wir erinnern hier nur an die heftigen 
                Widerstaende gegen Illegale statt gegen Illegalisierung). Verstaerkt 
                werden diese Fronten im Massenbewusstsein durch eine Hierarchisierung 
                des Elends, worin leider Linke die groessten Meister {!!} 
                sind. Argumentationsmuster wie "Euch geht's ja noch gut, 
                ihr profitiert vom Elend der Armen und Entrechteten" reproduzieren 
                bei den fest Beschaeftigten nur das Bewusstsein vom Glueck und 
                Privileg: "Warum soll ich noch kaempfen, wenn es anderen 
                doch noch viel schlechter geht?"«  4. Klassenfeinde Es gibt eine Sorte von Sozialisten, die am Kapitalismus ständig 
              seine mangelnde staatliche Regulierung kritisieren. "Deregulierung" 
              nennen diese Leute die zunehmende Verschlechterung der prolatarischen 
              Lebensverhältnisse, die hierzulande als konzertierte Aktion 
              von Regierung und Kapitalisten betrieben wird. Die Autorinnen vom 
              "Blauen Montag" bezweifeln zu recht, »ob eine 
              totale Deregulierung wirklich im Interesse der herrschenden Klasse 
              liegt«. Denn, so argumentieren sie: »Ein voelliges 
              Tabula rasa in der Tarifpolitik und den arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen 
              bedeutet ja zugleich einen erheblichen Kontrollverlust ueber die 
              Arbeitskraft.« Statt der an die Wand gemalte Deregulierung 
              vermuten als Strategie der Kapitalseite eine »Re-Regulierung«, 
              einen neuen »Pakt fuer eine stoerungsfreie Produktion« 
              zwischen Gewerkschaften und Kapital.  Bezüglich der Gewerkschaften wagt man beim "Blauen Montag" 
              allerdings vorsichtigen Optimismus.  So charakterisieren die Autorinnen die Politik der Gewerkschaften 
              als: »der Prekarisierung widerstehen, um die Kontrollmoeglichkeiten 
              im Betrieb zu behalten«, um sich »in den Betrieben 
              gegen die Bedrohung von aussen zu verbarrikadieren«, mit 
              dem Resultat daß dieser »Widerstand zur Bestandssicherung 
              der Stammbelegschaften mehr und mehr ins Leere« ging. 
             Dabei hätten die Gewerkschaften die Erfahrung gemacht, daß 
              die »Staumauern zwischen Rand- und Stammbelegschaften zwar 
              noch nicht eingebrochen, aber bereits kraeftig unterspuelt worden 
              sind.« Aus der Erfahrung, daß der »Bereich, 
              der tarifpolitisch nicht abgedeckt wird, immer groesser wird« 
              und ihre Tarifpolitik den für den proletarischen Lebensstandard 
              verheerenden »Druck auf die Sozialleistungen« 
              ohnehin nicht kompensieren kann, hätten sie »nach 
              der Logik gewerkschaftlicher Politik« den Schluß 
              gezogen, die »nur durch eine arbeitsmarkt- und sozialpolitische 
              Gesetzgebung gefuellt werden«.  Diesen Weg halten die Autorinnen vom "Blauen Montag" 
              für nicht gangbar. Denn: »was koennen die parlamentarischen 
              Sozialpolitiker schon im Gesetzeswerk bewegen, wenn es keine ausserparlamentarische 
              soziale Mobilisierung, also Kaempfe gibt?« Und selbst 
              wenn das funktionieren würde, und »sich die herrschende 
              Klasse auf dem heutigen Stand auf eine Neuregulierung einlassen« 
              würde, halten die Autorinnen zu recht nichts davon. Es wäre 
              nach ihrer Ansicht nur die »Festschreibung aller bisherigen 
              Angriffe des Kapitals und Niederlagen des marginal gebliebenen sozialen 
              Widerstandes«.  Dieses Urteil ist zu optimistisch. Der deutsche Gewerkschaftsapparat 
              ist keineswegs in einer Sackgasse.  Zum einen ist es ja gar nicht so, daß man von Seiten des 
              DGB dem Phänomen der »Prekarisierung« jemals 
              machtlos gegenüber gestanden hätte. Als Konkurrenzvorteil 
              wollten die Betriebe Leih- und andere Billigst-Arbeiterinnen nicht 
              missen. Also hat man den Ansinnen der Betriebe nachgegeben - selbstverständlich 
              zur "Sicherung der Arbeitsplätze" der Stammbelegschaft. 
              Zweitens stünde der DGB gegenüber dem Sozialkahlschlag 
              gar nicht so machtlos gegenüber, wenn er es nur wollte. Wenn 
              in Zukunft Zahnersatz ein Privileg ist, dann doch nur deswegen, 
              weil die vom DGB sozialpartnerschaftlich mitbestimmten Niedriglöhne 
              den Kauf dritter Zähne zum finanziellen Debakel werden lassen. 
              Ein vom DGB organisierter Massenstreik zur deutlichen Steigerung 
              der Nettolöhne würde auch die Sozialkassen kräftig 
              füllen.  Nur, wie gesagt, das wollen die national verantwortlich denkenden 
              Funktionäre der DGB-Gewerkschaften nicht. Weil es ihnen um 
              den Konkurrenzerfolg der "deutschen Arbeitgeber" geht, 
              delegieren sie die Interessen ihrer Mandanten in die Hände 
              der Institution, die dafür zuständig ist. Eben deswegen 
              beschwören sie ständig die angebliche Machtlosigkeit des 
              organisierten Teils der Arbeiterklasse. (Eine Argumentation, die 
              bislang bei der Basis geglaubt wird.)  Überflüssig werden diese Herrschaften dadurch keineswegs. 
              Wenn 90% der Beschäftigten außerhalb jedes Tarifverhältnisses 
              ihre Arbeitskraft verkaufen müßten, der DGB würde 
              genau die 10% der High-Tec und sicherheitsrelevanten Proleten organisieren, 
              die dem Kapital die schmerzlichsten Schläge zufügen könnten. 
             Eben so haben sich die Gewerkschaften in Asien und Amerika bewährt: 
              als institutionalisierte Spaltung der Arbeiterklasse. Wegen 
              dieses fehlenden Blicks über den nationalen Tellerrand ist 
              dem "Blauen Montag" seine Prognose noch zu optimistisch 
              geraten.    5. Kampfperspektiven Die "Gruppe Blauer Montag" benennt zwei Vorschläge, 
              wie der Klassenkampf von proletarischer Seite zu führen wäre. 
              Sie sind in »Forderungen nach Existenzgeld und Arbeitszeitverkuerzung« 
              formuliert. Beide sollen »in jeweils unterschiedlicher 
              Form die Weigerung transportieren, das eigene Leben bedingungslos 
              den Anforderungen "der Arbeit" zu unterwerfen«. 
             Diese Weigerung als wesentlicher Schwerpunkt zukünftiger Kämpfe 
              dürfte so manchem Linken zu wenig sein. Immerhin ist die Linke 
              dem Proletariat seit Jahrzehnten damit auf die Nerven gegangen, 
              daß die Arbeiterklasse die historische Mission habe, so hehre 
              Menscheitsideale wie Gleichheit und gesellschaftlichen Fortschritt 
              zu erkämpfen.  Tatsächlich ist »Kampf gegen die(se) Arbeit« 
              (Zwischenüberschrift des Papiers) die einzig materialistische 
              und erfolgversprechende Zielstellung, da sie das Ausbeutungsverhältnis 
              unmittelbar in Frage stellt. Es ist gut, daß der "Blaue 
              Montag" diese Zielstellung so prägnant formuliert.  Kein Geplärre von wegen "Entfremdete Arbeit"! Keine 
              Forderung nach "Arbeit! Arbeit! Arbeit!" Im Gegenteil. 
              Auch daß Arbeit ein "Grundbedürfnis" ausgerechnet 
              "des" Menschen, sei, weswegen man den vielen "Arbeitslosen" 
              das nationale "Recht auf Arbeit" nicht länger verwehren 
              dürfe, fällt den Autorinnen des Blauen Montags nicht ein. 
              Kein "Arbeit gerecht verteilen!", mit dem die neue Führungsmannschaft 
              des deutschen Staates sich gerade anschickt, den Arbeitsmarkt "auf 
              Trab" zu bringen!  Die Verfasserinnen des Papiers halten von derartigem nichts. Insofern 
              ist das Papier durchaus eine brauchbare Grundlage für die Leute, 
              die die sozialdemokratische Machtübernahme nicht zum Anlaß 
              für rosige Träume nehmen wollen.  Nun stellt sich die Frage, inwieweit der »Kampf gegen 
              die(se) Arbeit« sich in den Forderungen nach Existenzgeld 
              und Arbeitszeitverkürzung unter einen Hut bringen läßt. 
              Immerhin haben beide Forderungen einen Vorteil: sie wurden aus einer 
              zwar recht mickerigen, aber immerhin einst vorhandenen "Bewegung", 
              nämlich »der gewerkschaftsunabhaengigen Erwerbslosenbewegung« 
              aufgegriffen.  Interessanterweise haben die Autorinnen selber festgestellt, daß 
              diese Forderungen »losgeloest von der urspruenglich in 
              ihnen enthaltenen Kritik an der (Lohn-)Arbeit« vertreten 
              werden. Nun soll die radikale Kritik an der Lohnarbeit diese beiden 
              Forderungen als »inhaltliche Klammer« zusammenbringen? 
             Wie das? Beide Forderungen sind so recht dazu geeignet, rechten 
              Sozialdemokraten das Gefühl zu vermitteln, da würden ihre 
              ureigensten Ideale vertreten.  Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung hat eine Karriere 
              als ideologische Begleitmusik für die gewerkschaftlich mitbestimmte 
              Zerschlagung des Normalarbeitstages - "Flexibilisierung" 
              - hinter sich. Von Inhalt und Intensität der Arbeit war bei 
              dieser Forderung schon abgesehen, als der DGB in den 80er-Jahren 
              seine 35 mit der gelben Sonne auf Flugblätter druckte, die 
              er in Einkaufszonen verteilen ließ. Es wurde schon damals 
              dem Kapital überlassen, den Effekt der Arbeitszeitverkürzung 
              nach der längst bekannten Methode zu seinen Gunsten auszunutzen: 
              
              »Sobald die Verkürzung des Arbeitstags, welche 
                zunächst die subjektive Bedingung der Kondensation der Arbeit 
                schafft, nämlich die Fähigkeit des Arbeiters, mehr Kraft 
                in gegebner Zeit flüssig zu machen, zwangsgesetzlich wird, 
                wird die Maschine in der Hand des Kapitals zum objektiven und 
                systematisch angewandten Mittel, mehr Arbeit in derselben Zeit 
                zu erpressen.« (MEW 23, S. 434).  Schließlich kann die Arbeitszeitverkürzung sogar aus 
              einem Interesse des Kapitals entspringen:   
              »Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß 
                die Tendenz des Kapitals, sobald ihm Verlängrung des Arbeitstags 
                ein für allemal durch das Gesetz abgeschnitten ist, sich 
                durch systematische Steigrung des Intensitätsgrads der Arbeit 
                gütlich zu tun und jede Verbeßrung der Maschinerie 
                in ein Mittel zu größrer Aussaugung der Arbeitskraft 
                zu verkehren, bald wieder zu einem Wendepunkt treiben muß, 
                wo abermalige Abnahme der Arbeitsstunden unvermeidlich wird.« 
                (MEW 23, S. 440).  Den Ertrag der Arbeit läßt die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung 
              schon ganz außer acht: ohne deutliche Anhebung der Stundenlöhne 
              sind nicht wenige Proleten gezwungen, "nach Feierabend" 
              Zusatzjobs anzunehmen, wie das Beispiel USA hinlänglich beweist. 
             Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung, hat zwar den Kapitalisten, 
              wie jede andere Forderung übrigens auch, nie gepaßt. 
              Andererseits verzichtet diese Forderung auf jede Einmischung in 
              Inhalt und Ertrag der Arbeit und ist bestenfalls geeignet, die alte 
              gewerkschaftliche Begleitmusik für Lohnsenkung und Arbeitsverdichtung 
              neu anzustimmen.  Wer sich dafür einsetzt, daß für das Kapital und 
              seinen Staat kein Finger mehr gerührt wird, stimmt eine andere 
              Parole an.  Ähnlich verhält es sich mit der anderen Forderung der 
              Autorinnen nach einem Existenzgeld. Diskutabel ist diese Forderung von Seiten des Staates ohnehin nur, 
              wenn die generelle Arbeitspflicht weiter besteht und er durch Einsparung 
              von Verwaltungskosten (also Entlassungen in den zuständigen 
              Ämtern), unterm Strich Geld spart. Dementsprechend niedrig 
              kann dieses pauschale Almosen nur sein. In einem Wirtschaftssystem, 
              das von der Vermehrung privaten Eigentums abhängt, geht eben 
              nichts anderes.
 Fazit: Die Autorinnen vom "Blauen Montag" haben 
              treffend formuliert, was fällig wäre. Allerdings halten 
              sie die alten sozialdemokratischen Forderungen immer noch für 
              halbwegs geeignete Vehikel von Klassenbewußtsein, das die 
              Lohnarbeit generell in Frage stellt (und anderes taugt nichts). 
              Damit gelingt ihnen höchtens dem alten sozialdemokratischen 
              Mist etwas revolutionären Anstrich zu verleihen.  Es stimmt schon, wenn die Autorinnen festhalten:   
              »Natuerlich muessen aus der Idee die konkreten Vorschlaege 
                und Forderungen entwickelt werden, um die dann gekaempft werden 
                soll.«  Um »den gesamten Umfang der Idee« der Abschaffung 
              der Lohnarbeit, »den gesamten Anspruch auf Aneignung gesellschaftlichen 
              Reichtums« nicht ständig zu verwässern, braucht 
              die fällige revolutionäre Bewegung unbedingt eindeutigere 
              Äußerungen ihres Standpunktes. Insbesondere gegen eine 
              Regierung, die mit sozialdemokratischer Arbeitsideologie die alte 
              Politik weiterführen wird.  Andreas Schmidt, Gruppe Kritik und Diskussion, Hamburg   
              PS.:  Für die Experten, die fordern, es solle mal mit unkonventionellen 
              Mitteln dafür gesorgt werden, daß "ein Ruck durch 
              unser Land" geht, und die ständig "jugendnahe" 
              und "neue Agitationsformen" fordern:  Der Bundestagswahlkampf wurde von einer Partei dafür genutzt, 
              »den gesamten Anspruch auf Aneignung gesellschaftlichen 
              Reichtums« durchaus öffentlichkeitswirksam zu formulieren. 
              Dazu wurden u. a. folgende Parolen verwendet: »Für das 
              Recht auf Arbeitslosigkeit bei vollem Lohnausgleich!« »Jedem 
              Menschen muß ein Leben nach seinen Bedürfnissen ermöglicht 
              werden!« »Für die Einführung der Jugendrente, 
              Abschaffung der Altersrente!« »Hemmungslose Bereicherung, 
              nicht nur für eine Hand voll Parasiten, sondern für ALLE!« 
             Die selbe Partei, die der »vom Leistungsterror verseuchten 
              Erwerbsgesellschaft« den Kampf angesagt hat, formulierte als 
              »die einzige Anwort aus jede schleimige Bettelei um Arbeitsplätze: 
              NIE WIEDER ARBEIT!« Und ihre Haupt-Wahlkampfparole dürfte 
              diejenige sein, an die sich das Wahlvolk noch am längsten erinnern 
              wird: »ARBEIT IST SCHEISSE!« (Weiteres, z.B. eine komplette Ableitung der Lohnarbeit aus der 
              Warenproduktion bei http://www.appd.de/ 
              nachzulesen. |