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Strassenmedizin
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1. Die Reizstoffe CN und CS

Offiziell eingeführt bei den Polizeien in der Bundesrepublik Deutschland sind heute die Reizstoffe omega-Chloracetophenon ("CN") und in einigen Bundesländern zusätzlich ortho-Chlorbenzyliden-malodinitrilf ("CS"), seit 1982) (Steiner 1970, Dicke 1982). Schon vor 1930 hatten Polizeikreise den Wunsch nach einem »Polizeigas« geäussert (Kronberger 1930), das später als Senföl Eingang in die Polizeiarsenale fand (Otto 1965).

Weltweit sollen etwa 15 verschiedene derartige Reizstoffe bereits eingesetzt worden sein (Sanford 1976), denen jedoch bis auf die beiden zuerst genannten sowie das Diphenylaminochlorarsin (Adamsit, "DM") keine grössere Bedeutung beigemessen wird (Generalsekretär der Vereinten Nationen 1970). Stammel (1974) führt insgesamt 19 bekannte Substanzen auf, die er in 16 feste Reizstoffe (darunter CN), 4 Brechreiz-Stoffe (u.a. DM) und einen Zwitter-Reizstoff (CS) unterteilt.

1.1 Physikochemische Eigenschaften

CN wurde 1871 erstmals von dem deutschen Chemiker C. Graebe "als eine bei 41° schmelzende und bei 246° siedende, farblose Verbindung" dargestellt, die sich nicht in Wasser, wohl aber in Alkohol und Äther löse und einen "stechenden, die Augen heftig reizenden Geruch" besitze (Graebe 1871, S. 35). An anderer Stelle wird ihr Geruch mit dem der Apfelblüte verglichen (Neilands 1973).

CS hat nach seinen Entdeckern einen mehr als doppelt so hohen Schmelzpunkt, verursacht Niesen und Hautreizungen (Corson und Stoughton 1928) und riecht stechend und pfefferartig (Neilands 1973). Es ist ebenfalls kaum wasserlöslich, wenig löslich in höheren Alkoholen, Tetrachlorkohlenstoff und Äther sowie gut löslich u.a. in Aceton (Corson und Stoughton 1928).

Tabelle l gibt einen Überblick über die physikalischen und chemischen Daten (leicht gekürzt nach Däniken 1983, S. 4):

Tabelle 1: Physikalische und chemische Eigenschaften
Substanz w-Chloracetophenon o-Chlorbenzyliden-malodinitril
chemische Formel
Molekulargewicht 154,6 188,4
Schmelzpunkt 54-59°C 95-96°C
Siedepunkt 244-247°C 310-315°C
Löslichkeit in Wasser 0,1-0,5 g/l gering
Hydrolyse keine in siedendem Wasser tl/2 bei 25°C: 12 min in Wasser
Flüchtigkeit bei 20°C 105 mg/m3 0,31 mg/m3
Dampfdruck bei 20°C 0,0130 mmHg (keine Angabe)
Erläuterung: (1/2 = Halbwertszeit)

1.2. Polizeiliche Anwendungsformen

Da es sich um bei Zimmertemperatur kaum flüchtige feste Stoffe handelt, müssen beide Substanzen zunächst aufbereitet werden, um sie als »Tränengase« über unterschiedliche Entfernungen gegen Menschen einsetzen zu können. Die Polizei bedient sich dabei hierzulande im wesentlichen dreier Anwendungsformen:

  1. Reizstoffwurfkörper, die entweder von Hand zuwerfen oder mit einer Waffe zu verschiessen sind und nach der Zündung durch Verschwelung die wirksame Substanz als Schwebstoff freisetzen;
  2. Wasserwerfer mit Zumischeinrichtung, bei denen die Wirksubstanz in Form einer vorbereiteten Stammlösung dem Wasserstrahl kurz vor seinem Austritt aus dem Strahlrohr des Wasserwerfers zugesetzt wird und dann in Form eines Aerosols niederregnet;
  3. Reizstoffsprühgeräte in handlicher Form, aus denen Sprühstösse der in organischen Lösungsmitteln gelösten Wirksubstanz abgegeben werden. Weitere Einsatzmittel bedienen sich der gleichen Aufbereitungsformen und sind auf spezielle Einsatzbedingungen (grosse Entfernung, grossräumiger Einsatz, Durchbrechen von Trennwänden etc.) zugeschnitten (Kassner 1973, Gromes 1973, Damm 1988a).

1.3. Reizstoffkonzentrationen im Polizeieinsatz

Die bei Demonstrationen eingesetzten Wasserwerfer enthalten die Wirkstoffe CN und CS in Konzentrationen von 150, 225 bis zu 300 mg/l ( = 0,03%) (Damm 1988a). Doch sagt dies nur wenig über die tatsächlich erreichten Reizstoffkonzentrationen am Wirkort aus: Kann bei einem Direkttreffer mit dem Wasserwerferstrahl aufgrund der speziellen Zumischtechnik bei kurzen Entfernungen von einer annähernd konstant bleibenden Wirkstoffkonzentration ausgegangen werden (entsprechende Messungen sind vorgenommen worden It.Damm 1988a), so dürfte diese im Falle des sogenannten Abregnens über einer grösseren Menschenmenge von zahlreichen Umweltfaktoren abhängen (vgl. Damm 1982 und 1988c sowie Generalsekretär der Vereinten Nationen 1970). Noch komplizierter werden die Verhältnisse, wenn CN und CS zeitgleich in verschiedenen Einsatzmitteln (etwa Wasserwerfer und Wurfkörper wie z.B. in Wackersdorf 1986) verwendet werden.

Reizstoffsprühgeräte enthalten entweder 0,9% CN oder 1% CS in organischen Lösungsmitteln (83,0% 1,1,2-Trichlor - 1,2,2-trifluorethan, 3,3% 1,1,1-Trichloret-han, ca. 4% kerosinähnliche Kohlenwasserstoffe und 8,6% Treibgas Freon1^ (Damm 1988a)). Bei ihrer Anwendung kommt es allerdings rasch zum Verdampfen des Treibmittels und einer Anreicherung der Reizstoffe in den schwerflüchtigen Kohlenwasserstoffen. Darüberhinaus fördern diese organischen Lösungsmittel die Diffusion in die Haut (Gromes 1974).

1.4. Toxische Wirkungen auf Menschen

Hauptwirkorte der Reizstoffe CN und CS sind die Schleimhäute der Augen und des Atemtraktes sowie die gesamte zugängliche Hautoberfläche.

1.4.1 Augen

Am menschlichen Auge, dem - wie der Name »Tränengase« nahelegt - beabsichtigten Zielorgan dieser Einsatzmittel, verursachen CN und CS bereits ab einer Menge von 15 ng/mm Augenbrennen bis hin zur »Kampfunfähigkeit« . Das entspricht bei einer 0,05%igen Reizstoffkonzentration im Treibmittel des Sprays einer Sprühdauer von zwei Sekunden über eine Entfernung von drei Metern (Schlatter 1978). Mit ansteigenden Konzentrationen verstärkt sich die Wirkung über schmerzhafte Bindehautreizung mit Tränenfluss und vorübergehendem Lid-krampf (insbesondere nach CS, Ballantyne und Swanston 1973) bis hin zu einer offenbar allergischen Lidrand- und Bindehautentzündung bei wiederholter Exposition (Uhde 1948). Schwerwiegende Schädigungen mit über Monate anhaltender Sehverschlechterung durch Hornhauttrübung sowie Corneaepithel-Defekte sind nach Anwendung von CN-Sprays aus kurzer Distanz (unter einem Meter) beschrieben (Rose 1969, Oksala und Salminen 1975, Bleckmann und Sommer 1981). Auf die schweren Verletzungen durch Gaspistolen oder detonierende Gasgranaten (s. Hoffmann 1965, Levine und Stahl 1968, Adams et al. 1966, Schmidt 1938) soll hier nicht eingegangen werden, da ihnen im Zusammenhang mit bundesdeutschen Polizeieinsätzen allenfalls rudimentäre Bedeutung zukommt und sich ausserdem Abgrenzungsprobleme hinsichtlich der Verletzungsursache ergeben.

1.4.2. Atemtrakt

Ein weiteres wichtiges Ziel der Reizstoffwirkung ist das Atmungssystem. Aus Tierversuchen ist bekannt, dass sowohl CN als auch CS eine reflektorische Unterdrückung der Atmungsrate hervorrufen (Ballantyne et al. 1977, Kane et al. 1979), für die eine Stimulation von Chemorezeptoren der Nase und der oberen Luftwege verantwortlich gemacht wird (Alarie 1973). Darüberhinaus konnte beim Menschen eine Abnahme des Atemminutenvolumens unter CS-Einwirkung gezeigt werden (Cotes et al. 1972, Cole et al. 1975,1977). Bei der Anwendung in geschlossenen Räumen ist es schon mehrfach zu schweren Lungenschädigungen mit Bron-chitis, Pneumonie und toxischem Lungenödem gekommen, die teilweise erst nach Tagen auftraten (Thorburn 1982, Park und Giammona 1972, Krapf und Thaimann 1981). In einigen Fällen starben die Betroffenen an den Folgen solcher Einsätze (Naeve 1960, Stein und Kirwan 1964, Chapman und White 1978, Himsworth Committee 1971).

1 Mangels Zugang zur Originalarbeit von Schlatter (1978, s. Literaturverzeichnis) kann dieser Terminus leider nicht erläutert werden.

1.4.3. Haut

Hautschädigung durch CN und CS macht sich zunächst durch Brennen und Stechen bemerkbar, das bereits nach Besprühen leicht bekleideter Menschen mit wässriger CS-Lösung in Konzentrationen zwischen 0,001 und 0,005% auftreten kann (15 Liter in 15 Sekunden über die gesamte Körperoberfläche (Ballantyne et al. 1976)). Höhere Konzentrationen und längere Exposition führen schliesslich über Rötung und Ödembildung bis hin zum Erscheinungsbild zweitgradiger Verbrennungen (Eissner und Liebeskind 1964, Hellreich et al. 1967,1969). Bei gleichen Dosen ist CN das erheblich potentere Hautirritans (Holland und White 1972). Verstärkt wird die Hauttoxizität der fettlöslichen Reizstoffe durch Wärme, Feuchtigkeit, Luftabschluss und Reibung, da unter diesen Bedingungen ihr Eindringen in die Haut erleichtert wird (Weigand 1969, Holland und White 1972). Schwarze Haut ist - möglicherweise aufgrund ihres höheren Melaningehaltes - erheblich resistenter gegenüber CS-Einwirkung (Hellreich et al. 1967, Weigand und Mershon 1970). Erstmals beschrieben wurden »Tränengasekzeme« in den dreissiger Jahren dieses Jahrhunderts, meist in Zusammenhang mit Gasraum- und Luftschutzübungen (s. Eissner und Liebeskind 1964). Querangal des Essarts (1955) zählte in einigen Jahren 42 Fälle von Dermatitis, die vor allem während des Auffüllens von Kamstern mit CN trotz Tragens von Handschuhen und Schutzmasken bei Beschäftigten der französischen Armee aufgetreten waren.

Kontaktdermatitis

Abbildung l: Grossflächige Kontaktdermatitis nach Beschuss durch CN-versprühenden Wasserwerfer (feuchte Hose am Körper getrocknet, Fall 2 bei Fuchs und Ippen 1986, S.14)


1.5. Allergische Reaktionen

Wie seitdem in mehreren Tierversuchsreihen nachgewiesen werden konnte, besitzen CN und CS ein erhebliches Sensibilisierungspotential (Linton 1943, Rothberg 1970, Chung und Giles 1972). Dabei zeigte sich Chloracetophenon wiederum als die wirksamere Substanz, besonders in seiner Zubereitung für Chemical Mace - Sprühgeräte, in der es sowohl toxischer als auch stärker sensibilisierend war als in Acetonlösung gleicher Konzentration. Auch scheint es, dass höhere Dosen und häufigere Exposition von Meerschweinchen gegenüber CN den Grad der Sensibi-lisierung erhöhen (Chung und Giles 1972).

1.5.1. Kasuistiken

Es existieren eine ganze Reihe von Berichten über mögliche und tatsächliche Kontaktallergien (lymphozytenvermittelte Spätreaktionen vom Typ IV nach Coombs und Gell (1975)) exponierterPersonen gegen CN (Queen und Stander 1941, Ingram 1942, Kissin und Mazer 1944, Madden 1951, Foussereau et al. 1968, JoUy und Carpenter 1968, Stoffen 1968, Penneys et al. 1969, Kleine-Natrop et al. 1975, Frazier 1976, Forstrom et al. 1978, Calnan 1979) oder CS (Bowers et al. 1960, Hellreich et al. 1969, Shmunes und Tayior 1973, Gollhausen et al. 1988). Aus jüngerer Zeit stammen weitere Veröffentlichungen (Allart 1983, Michel et al. 1985, Forestier et al. 1986, Schmutz et al. 1987, Pfeiff 1985, Hörn und Mulders 1986, Maucher et al. 1986, Fuchs und Ippen 1986, Leenutaphong und Goerz 1989). Bei einigen Patienten konnte beobachtet werden, dass nach CN/CS-Erstkontakt mit oder ohne kurzzeitiger initialer Hautreaktion eine bis zu vier Wochen lange beschwerdefreie Phase folgte, bevor sich ohne erneute Exposition an derselben Stelle ein länger anhaltendes Ekzem entwickelte (Heureich et al. 1969, Penneys et al. 1969, Forstrom et al. 1978, Allart 1983, Michel et al. 1985, Hörn und Mulders 1986, Maucher et al. 1986, Leenutaphong und Goerz 1989). Gollhausen et al. (1988) weisen allerdings angesichts ihrer Kasuistiken daraufhin, dass auch toxische Kon-taktdermatitiden verzögert auftreten können (in einem Fall vier bis sechs Tage nach Exposition). Der schwerste Fall einer allergischen Sofortreaktion (Typ I nach Coombs und Gell (1975)) nach einer mit Chloracetophenon durchgeführten

Schutzmaskenprüfung im Gasraum betraf einen 19jährigen Mann, der ein "generalisiertes urtikarielles Exanthem mit ausgeprägten Symptomen eines allergischen Schocks" erlitt (Kleine-Natrop et al. 1975, S. 679). Ausser wenigen Hinweisen auf Urtikaria und Quincke-Ödem im französischen Schrifttum (Allart 1983, Michel et al. 1985, Forestier et al. 1986, Schmutz et al. 1987) gibt es keine Berichte über mehr Soforttyp-Reaktionen. Eine erhöhte CS-Empfindlichkeit von Asthmatikern wird jedoch nicht ausgeschlossen (Himsworth Committee 1969).

1.5.2. Exponierte Kollektive

In einigen Arbeiten sind grössere Kollektive untersucht worden, in denen sich unter gleichen oder weitgehend gleichartigen Bedingungen CN- bzw. CS-Kontak-tallergien entwickelt haben:

- Penneys et al. (1969) setzten acht männliche, Patch-Test-negative Probanden über 24 Stunden einem geschlossenen Hauttest mit 0,25 ml einer 0,9%igen CN-Lösung aus. Fünf Teilnehmer zeigten nach 14 und 21 Tagen auf 0,009%ige Testung ekzematöse Reaktionen.

- Maibach und Marzulli (1971) geben an, bei sieben von zehn (CN) bzw. fünf von neun (CS) männlichen Erwachsenen auf0,l%ige Lösungen im Okklusivtest positive Hautreaktionen erhalten zu haben. Die Induktion war durch offene Applikation von jeweils fünf Tropfen einer 1%igen CN- bzw. CS-Lösung auf ein Feld von 3 cm Durchmesser erfolgt. In einer weiteren Studie mit nur einem Tropfen Induktionslösung reagierten 2/47 Personen auf CN und 0/54 auf CS.

- Levin und Mershon (1973) setzten neun Freiwillige zunächst über 24 Stunden Vaselinezubereitungen mit 0,01 und 0,l%igem CS unter Testpflaster aus, das bei zwei Probanden leichte Erytheme (durch 0,l%iges CS) hervorrief. Am nächsten Tag wiederholten sie dies mit 1%iger CS-Zubereitung, die je nach akuter Symptomatik bis zu 48 Stunden auf der Haut belassen wurde. Eine Woche darauf exponierten sie erneut mit einer CS-Konzentration von 0,1%, bevor nach weiteren zwei Wochen die Allergietestung durchgeführt wurde. Sie verlief in fünf Fällen auf 0,01 und in acht Fällen auf 0,l%iges CS positiv; bei vier Teilnehmern - die anderen waren nicht verfügbar - konnte dieser Befund nach sechs Monaten bestätigt werden. Zusätzlich zeigte sich wiederum zwei Wochen später, dass die Sensibilisierung durch den vorherigen Test offenbar verstärkt worden war.

- Hellreich et al. (1969) lösten bei 23 von 25 Testpersonen Erytheme aus, indem sie deren Unterarme an umschriebenen Stellen unterschiedlich lange einer CS-Konzentration um 300 mg/m3 bei 98°F (ca. 37°C) und 98%iger relativer Luftfeuchtigkeit aussetzten. Zehn Tage darauf entwickelte ein Beteiligter in den exponierten Arealen ein allergisches Kontaktekzem.

Bowers et al. (1960) stellten bei einer Befragung von elfin Werken der US-Armee mit CS-Verarbeitung Beschäftigten, die zuvor schon über Hautreaktionen geklagt hatten, fest, dass es bei fünf Anhaltspunkte für eine eingetretene Sensibilisierung gebe. Dazu gehörten eine Verkürzung der Latenzzeit sowie in drei Fällen eine Generalisierung des Ekzems nach wiederholter Kontamination. Shmunes und Tayior (1973) konnten bei 25 von 28 Arbeitern, die in einer chemischen Fabrik mit CS arbeiteten, anamnestisch Dermatitiden erheben. Darunter befanden sich nur zwei, die auf eine 0,01%ige CS-Provokation allergisch reagierten.

1.5.3. Fragestellung

Aufgrund der Beobachtung, dass sie unter mehr als 10.000 US-Soldaten nach Übungen mit dem Reizstoff CN lediglich eine Überempflndlichkeitsreaktion registrierten, gelangten Kissin und Mazer (1944) ebenso wie Madden (1951), der zwei weitere Fälle unter Militärangehörigen (Queen und Stander 1941, Ingram 1942) berücksichtigen konnte, zu der Auffassung, solche Hautschädigungen seien in dieser beruflich exponierten Gruppe eher selten. Dass dem Bundesministerium der Verteidigung trotz routinemässiger Verwendung des Reizstoffes CS für Dichtigkeitsprüfungen von ABC-Schutzmasken lediglich "Fälle flüchtiger Hautrötungen an unbedeckten oder schweissfeuchten Körperstellen, aber keine ernsthaften Hauterkrankungen nach Anwendung von CS im Übungsraum bekanntgeworden" sind (Kullmann 1988), scheint diese Einschätzung zu bestätigen. Eine bis 1983 durchgeführte CS-Exposition von jährlich etwa 1500 Lehrgangsteilnehmern für bestimmte Bundeswehrverwendungen ohne Schutzmaske im Freien wurde eingestellt, "nachdem im November 1983 bei einem Lehrgangsteilnehmer unter anderem ein toxisches Kontaktekzem aufgetreten war" (ebd.).

Der Polizei-Führungsakademie in Münster liegen - ebenso wie dem leitenden Polizeiarzt des Landes Nordrhein-Westfalen keine vergleichbaren Daten vor (Damm 1988b). Bei Pfeiff (1985), Fuchs und Ippen (1986), Leenutaphong und Goerz (1989) sowie Gollhausen et al. (1988) finden sich allerdings einige Fälle, in denen Polizeibedienstete im Epicutantest positive Reaktionen auf CN zeigten. Im letzten Fall lag ebenfalls eine Überempfindlichkeit gegenüber CS vor. Dieser Polizist gab auch an, ein bis zwei Tage nach Schutzmaskenprüfungen regelmässig an einem generalisierten Exanthem zu erkranken.

Eine bislang wenig beachtete, aber besonders exponierte Gruppe stellen Demonstrationsteilnehmer und -teilnehmerinnen dar, die unter Umständen mehrfach und länger andauernd den Reizstoffen CN und CS ausgesetzt sein können. Über eine Testreihe mit solchen durch Polizeieinsätze Betroffenen wird im folgenden berichtet.