Zehn Jahre PKK-Verbot und kein Ende ?
Vorwort

Rainer Ahues
Was ist eine kriminelle, was eine terroristische Vereinigung?
Eine kurze Darstellung staatsanwaltlicher und gerichtlicher Feststellungen über "Substrukturen" innerhalb der PKK

Prof. Dr. Andreas Buro
PKK/KADEK-Verbot oder Versöhnungspolitik?

Dr. Rolf Gössner
Migrant(inn)en unter Generalverdacht?
Zu den Auswirkungen des staatlichen "Anti-Terror" - Kampfes

Michael Heim
Die Einbürgerung türkischer Staatsangehöriger und das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung

Mark Holzberger
War da was?
Das PKK-Verbot im Bundestag

Duran Kalkan
Kurden brauchen Anerkennung

Mehmet Demir
Kurdische Freiheit in und über Deutschland

Marei Pelzer
Asylrecht im Wandel
Von der Grundgesetzänderung zum Terrorismusbekämpfungs-gesetz

Dr. Heinz Jürgen Schneider
Der Anti-Terror-Paragraf 129a und seine Praxis

Monika Morres / Günther Böhm
Azadi - Freiheit - Özgürlük: Solidarität gegen Unterdrückung und Freiheitsberaubung

Dokumentation:
Urteil des Bundesgerichtshofs wegen Zuwiderhandelns gegen vereinsrechtliches Betätigungsverbot

Interview mit Engin Sönmez zum Prozess gegen Heyva Sor a Kurdistane

Abkürzungen

Autor(inn)enverzeichnis

Chronologie

erste Seite

 

 

War da was?

Das PKK-Verbot im Bundestag

Von Mark Holzberger

Im Deutschen Bundestag wurden in den letzten zehn Jahren alle zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten (Anfragen, Anträge, Anhörungen, Plenardebatten, aber auch das sogenannte Petitionsverfahren) genutzt, um entweder das PKK-Verbot aufheben oder um sich zumindest über dessen Folgen unterrichten zu lassen. Genutzt hat all dies freilich wenig. Wie ist das zu erklären?

Das PKK-Verbot und seine Folgen waren häufig Gegenstand sogenannter Kleiner Anfragen. Diese wurden zum einen - wenn auch eher selten - von Unionsabgeordneten in der Absicht gestellt, sich von der Bundesregierung die Notwendigkeit bescheinigen zu lassen, das PKK-Verbot weiter aufrecht zu erhalten. Die mit Abstand meisten Fragen in dieser Angelegenheit hat das Büro der PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke an die Bundesregierung gerichtet. Diese Anfragen lassen sich in folgende Gruppen unterteilen:

  • Einmal wurde versucht, den Wahrheitsgehalt von offiziellen Behauptungen über die Verantwortung der PKK für Gewaltakte in der Bundesrepublik zu hinterfragen.
  • Des Weiteren wurde versucht, Informationen zu sammeln über die oftmals exzessive Gewaltanwendung bei polizeilichen Einsätzen zur Durchsetzung des PKK-Verbotes (bzw. über die Kosten, die der öffentlichen Hand hierdurch seit 1993 entstanden sind).
  • Und schließlich wurde immer wieder versucht (etwa anhand deeskalierender Äußerungen des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalans bzw. nach dessen Verschleppung in die Türkei), die Möglichkeiten einer Aufhebung des PKK-Verbotes auszuloten.


Das PKK-Verbot war nur einmal - und das von der Mehrheit der Abgeordneten ungewollt - Gegenstand einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestages. Im März 1995 wurden Expert(inn)en über die Situation der Menschenrechte in der Türkei befragt. Im Rahmen seines Beitrags über "Ziele und Auswirkungen der PKK-Aktivitäten in Deutschland", wies der von der PDS benannte Sachverständige darauf hin, das PKK-Verbot bedeute "für eine Bevölkerungsgruppe von mehr als einer halben Million Menschen: Illegalität und Verbot jeglicher politischer und kultureller Betätigung. Das PKK-Verbot zielt darauf ab, die Stimme der Kurden über die Zustände in der Türkei zum Schweigen zu bringen. Solche Verbote sind eine Provokation für alle Kurden in der BRD, die mit friedlichen Mitteln versuchen, ihre politischen Ziele zu verwirklichen." Das Anhörungsprotokoll vermerkt den Kommentar des Ausschussvorsitzenden Penner an den Sachverständigen, es sei ihm "zum ersten Mal passiert, dass so konsequent und intensiv am Thema vorbeigesprochen worden ist."

In der vergangenen Wahlperiode versuchte zudem eine "Interessensgemeinschaft Friedensverhandlungen" aus Celle mithilfe einer Petition eine Aufhebung des PKK-Verbotes zu erreichen - ohne Erfolg. Der Ausschuss kam aufgrund einer Stellungnahme des Bundesinnenministeriums zu der Auffassung, dass die PKK nach wie vor ein erhebliches Gefährdungspotenzial für die Sicherheit und Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland darstelle. Dies gelte ungeachtet des von der PKK selbst so bezeichneten Friedenskurses, was der Petitionsausschuss u. a. mit ambivalenten Äußerungen des Bruders von Abdullah Öcalan sowie Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes begründete, wonach die von der PKK ausgehende Kriminalität weiterhin ein hohes Niveau aufweise.

Nur einmal wurde von der damaligen PDS-Gruppe im Bundestag anlässlich des vierten Jahrestages des PKK-Verbotes der Antrag gestellt, "die Verbote kurdischer Vereine und Publikationen sowie das Betätigungsverbot für die PKK und ERNK in der Bundesrepublik Deutschland aufzuheben. Das im Zusammenhang mit diesen Verboten eingezogene Sach- und Geldvermögen wird an ihre Eigentümer zurückgegeben. Strafverfahren, die lediglich aufgrund der Verbote stattfanden, werden eingestellt, Inhaftierte und Strafgefangene unverzüglich unter Gewährung von Entschädigung entlassen." (Bundestagsdrucksache 13/9302 vom 28. 11. 2997)

Bis heute hat über das PKK-Verbot im Deutschen Bundestag keine eigenständige Debatte stattgefunden. So wurde selbst der vorstehend erwähnte PDS-Antrag Anfang 1998 ohne erste Lesung an die Ausschüsse überwiesen, wo er bis zur Bundestagswahl wenige Monate später sang- und klanglos verschwand. Dennoch: Das PKK-Verbot wurde einige Male in Sitzungen des Plenums erwähnt, jedoch nur in Debatten, in denen der Schwerpunkt auf anderen Aspekten lag (u. a. deutsche Waffenhilfe für die Türkei, Abschiebestopp für Kurdinnen und Kurden).

Hier lassen sich für die Fraktionen folgende Argumentations-Schemata unterscheiden:

  • Die Union stützte von Beginn an mit Nachdruck das von ihrem Parteifreund Manfred Kanther erlassene PKK-Verbot (Michael Glos, CSU, 1994: "Wir handeln damit im Interesse der friedliebenden Kurden. Die menschenverachtende Strategie der PKK gilt es zu durchkreuzen. Das Verbot der PKK und vieler Tarnorganisationen ist und war daher richtig.")
  • Die FDP unterstützte des PKK-Verbot sowohl als Regierungs- als auch als Oppositionsfraktion (Hermann Otto Solms 1994: "Wir sind bereit, der Türkei bei der Vertretung und Durchsetzung ihrer legitimen Rechte und Interessen zu helfen. Das gilt auch und besonders für ihren Kampf gegen den PKK-Terror. Durch Verbot dieser Organisation haben wir dies unter Beweis gestellt.")
  • Die SPD-Fraktion hat sich in keinem Debattenbeitrag zum PKK-Verbot geäußert.
  • Redner/innen der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen haben - wie z. B. Cem Özdemir 1998 - erklärt: "Die Gewalt, die von der PKK ausging, ist durch nichts zu entschuldigen. Sie hat der Sache des kurdischen Volkes und dem Zusammenleben von Deutschen und Nichtdeutschen in dieser Republik immensen Schaden zugefügt." Ansonsten aber wurde im Plenum eine grüne Positionierung zum PKK-Verbot vermieden. Die grüne Abgeordnete Amke Dietert-Scheuer sprach allerdings 1996 einen der zentralen Gesichtspunkte dieser Auseinandersetzung an: "Die Bundesregierung hat durch eine unkluge Politik zu einer Eskalation der Gewaltbereitschaft beigetragen. Die Unterbindung legaler, politischer Aktionsmöglichkeit für Kurden, die mit der PKK sympathisieren, verhindert keine Gewalt, sondern nur den dringend notwendigen politischen Dialog.")
  • Für die PDS fand der Abgeordnete Steffen Tippach 1996 klare Worte: "Das PKK-Verbot, das es so in keinem anderen europäischen Land gibt, hat die kulturelle und politische Äußerungs- und Betätigungsfreiheit hier lebender Kurdinnen und Kurden erheblich eingeschränkt und ein Klima der Repression, Stigmatisierung und Kriminalisierung geschaffen."

Wie kommt's?

Der unbefriedigende Nutzen der hier fast vollständig skizzierten parlamentarischen Initiativen in Sachen PKK-Verbot hat Ursachen: Das Petitionsverfahren z. B. ist im Wesentlichen nur in den seltenen Fällen des Erfolgs einer Eingabe für die Öffentlichkeitsarbeit nutzbar. Dass das Thema des PKK-Verbots in die erwähnte Anhörung des Innenausschuss "hineingeschmuggelt" wurde, fällt offenkundig nur Chronisten auf. Und wenn eine Fraktion ihre eigenen Anträge im Bundestag - wie geschehen - nicht zur Debatte stellt, ist das für eine Kampagne gegen das PKK-Verbot auch nicht gerade hilfreich. Und schließlich haben die vielen Anfragen des Büros von Ulla Jelpke nur dann eine Außenwirkung erzielt, wenn die (oftmals sperrig formulierten) Fragen und die Antworten der Bundesregierung in Artikeln analytisch ausgewertet wurden. Seitdem die PDS nicht mehr im Bundestag vertreten ist, werden derlei Anfragen bedauerlicherweise überhaupt nicht mehr gestellt.

Die zentrale Frage aber lautet: Warum waren und sind Abgeordnete im Bundestag - auch solche, die sich intensiv für die Rechte von Kurd(inn)en eingesetzt haben - in der Regel nicht bereit, sich für eine Aufhebung des PKK-Verbotes einzusetzen? Dies ist ganz wesentlich auf ihre Erfahrungen mit den zum Teil gewalttätigen innerkurdischen Auseinandersetzungen (speziell Ende der 1980er-Jahre) zurückzuführen, an denen die PKK beteiligt war. Infolgedessen wurden und werden seitens dieser Politiker/innen Aktionen mit bzw. zugunsten der PKK konsequent abgelehnt.

Fazit

Jahrestage sind dann gute Anknüpfungspunkte für politische Aktionen, wenn die Initiatior(inn)en politisch etwas Neues anzubieten haben. In den vergangenen zehn Jahren hat sich bezüglich der Argumente, das PKK-Verbot aufrechtzuerhalten, eine Menge getan:

  • Nicht nur, dass die PKK inzwischen ihre Waffen niedergelegt hat.
  • Auch ihr politisches Vorgehen im Ausland - speziell in Deutschland - hat die PKK selbstkritisch reflektiert: So hat sie seit längerem bereits eingestanden, dass die Autobahnblockaden der 1990er Jahre und erst recht ihre Anschläge aus den 1980er Jahren schwerwiegende politische Fehler gewesen sind.
  • Dementsprechend hat sich auch das öffentliche Auftreten der der PKK nahestehenden politischen Kräfte in Deutschland in den letzten Jahren nachweislich zum Positiven verändert.

So gesehen könnte der 10. Jahrestag einen tragfähigen Anlass darstellen, die Aufhebung des PKK-Verbotes wieder auf die Tagesordnung auch der parlamentarischen Ebene zu setzen.

Man mag es für unbefriedigend halten, dass die Berliner Politik die o. g. Entwicklungen innerhalb der PKK bzw. ihres politischen Umfeldes nicht zur Kenntnis nimmt (geschweige denn versucht, die der PKK nahestehenden politischen Kräfte auf dieser Grundlage offensiv politisch einzubinden). Aber, wer auch immer ernsthaft versucht, eine Kampagne gegen das PKK-Verbot zu lancieren, darf dies nicht an einer derart verfestigten Bewusstseinslage der für den Erfolg einer solchen Initiative relevanten Politiker/innen vorbei konzipieren und terminieren.

Insofern käme es für die positive Wirkung einer solchen Kampagne nicht nur darauf an, Weiterentwicklungen innerhalb der PKK, sondern auch neue bündnispolitische Entwicklungen zu präsentieren. Daher wäre es ratsam, rechtzeitig folgende drei Punkte anzugehen:

  • Zum einen ist es unerlässlich, herauszuarbeiten, dass eine Kriminalisierung aufgrund des PKK-Verbotes mit der Beendigung des bewaffneten Kampfes der PKK 1999 nicht aufgehört hat. Denn von der offiziellen Politik scheint dieses Thema offenbar bereits ad acta gelegt worden zu sein. Hier kommt der Öffentlichkeitsarbeit von AZADI eine wichtige Funktion zu.
  • Zweitens muss versucht werden, dass eine solche Kampagne tatsächlich von unterschiedlichen relevanten Spektren der kurdischen community in Deutschland getragen wird.
  • Und schließlich müssen deutsche Bürgerrechtsgruppierungen im Vorfeld einer solchen Kampagne ihre Multiplikatorenrolle zu den ansprechbaren Abgeordneten verstärkt nutzen.

Die vorliegende Broschüre ist hierfür ein ermutigender Schritt.