Tausende Stiefel-Nazis bei NPD-Kongreß in Passau

Antifaschismus ist mehr als eine Menschenkette

Passau. Das Tauziehen hielt bis zum letzten Moment an: Noch am 2. Februar ’98, nur fünf Tage vor dem Bundeswahlkongreß der NPD, verhängte die Stadt Passau ein generelles Versammlungsverbot. Begründet wurde dieser Schritt mit der Behauptung, die „öffentliche Sicherheit" sei eindeutig gefährdet, da sich nicht nur die faschistische NPD angekündigt habe, sondern auch zahlreiche Gegenaktionen geplant seien, an denen auch „gewaltbereite" Linke aus dem gesamten Bundesgebiet teilnehmen würden. Doch schließlich wurde das Verbot der NPD-Versammlung vom Verwaltungsgericht Regensburg aufgehoben, wenig später wurde auch die antifaschistische Gegendemonstration sowie die Kundgebungen erlaubt.

Führer in Grün, wir folgen! Nazis auf dem Weg in die Nibelungenhalle

Das bayerische Innenmimisterium reagierte auf diesen Beschluß mit dem Einsatz von 3500 Polizisten – dem größten Aufgebot, das es je in Passau gab. Doch im Vergleich zu den alljährlichen Einsätzen bei den Demonstrationen gegen die DVU, die ebenfalls in der Nibelungenhalle ihre Großveranstaltungen durchführt, setzten die Verantwortlichen zunächst auf Deeskalation. Im wesentlichen ist dies darauf zurückzuführen, daß der Widerstand gegen die Nazis eine für Passau bis dahin unbekannte Breite erreichte. Während sich gegen 9 Uhr mehrere hundert AntifaschistInnen an den Kundgebungsplätzen sammelten, bereitete sich die Passauer Aktion Zivilcourage (PAZ) auf die geplante Blockade der Nibelungenhalle vor. Die PAZ, eine eigens zu diesem Anlaß geründete BürgerInneninitiative an der sich auch viele Passauer Prominente beteiligten, hatte im Vorfeld des NPD- Kongresses zu dieser nicht angemeldeten Aktion mobilisiert. Dabei war sie ständigen Angriffen seitens der Stadt ausgesetzt, die die BürgerInnen zu einer Ersatzveranstaltung weitab von der Halle bewegen wollte. Die örtliche Polizei wiederum versuchte die Initiative mit der Drohung rechtlicher Konsequenzen einzuschüchtern und mit dem Argument zu spalten, daß die PAZ „linken Chaoten" Schutz bieten würde. Als sich die BürgerInnen aber nicht auf untertänige Folgsamkeit einschwören ließen, wurde die Nibelungenhalle kurzerhand zwei Stunden früher als angekündigt für die Nazis geöffnet, um sie vor AntifaschistInnen zu schützen. Eine reale Blockade konnte deshalb nicht mehr erreicht werden. Als die Aktion begann war die Halle angeblich schon zu zwei Dritteln voll. Dennoch sammelten sich mehrere hundert BürgerInnen vor der Halle, wenig später kamen über tausend Antifas hinzu. So mußten die Nazis dank der entschiedenen Gegenwehr polizeilich geschützt zum Hintereingang eskortiert werden. Unterdessen kam es auch in der Innenstadt bis zum Beginn der Demo immer wieder zu Angriffen auf Nazis, auch zwei Polizisten wurden verletzt. Die unübersichtliche Lage trug mit dazu bei, daß militante Initiativen durchaus möglich waren. So flogen z.B. den Insassen zweier Nazi-Busse ihre mitgebrachten Bierflaschen um die Ohren, die Scheiben gingen zu Bruch, was schließlich dazu führte, daß die Busse sofort zurückgeschickt wurden. Insgesamt ereilte fünf Busse dieses Schicksal. Nachkommende Faschisten wurden schließlich schon ab 11 Uhr vor den Stadtgrenzen abgewiesen.

Gegen den NPD-Kongreß vorgehen! (Antifa-Demo, Passau 7.2.98)

Am Nachmittag versammelten sich schließlich über 3000 AntifaschistInnen am Rathausplatz zur Demo. Dazu hatte die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) aufgerufen, zahlreiche AntifaschistInnen aus dem In- und Ausland hatten mobilisiert. Mit dem Motto: „Gegen den NPD-Bundeskongreß vorgehen! – Zusammen kämpfen gegen Polizeistaat und rassistische Hetze!" sollte auch der Zusammenhang zwischen faschistischen Forderungen und der Politik der Inneren Sicherheit aufgezeigt werden. Der Demonstrationszug setzte sich lautstark in Bewegung und kam ohne Zwischenfälle vor der Halle an. Nach der Abschlußkundgebung vor der Nibelungenhalle verzichtete die Polizei dann auf jegliche Deeskalation und begann brutal in die Menge zu prügeln. Dabei gab es mehrere Festnahmen. Im Laufe des Tages wurden insgesamt 40 AntifaschistInnen festgenommen.

Währenddessen feierte die NPD ihren „Tag des nationalen Widerstandes" in der Halle ab. In Pressemeldungen war von 4000 Nazis die Rede, die NPD selbst sprach von 7000 TeilnehmerInnen. Bildern aus der Halle nach zu urteilen, dürfte diese Zahl annähernd realistisch sein. Die NPD kann damit nach dem Münchener Aufmarsch im März ’97 auf einen neuen Rekord verweisen. Das Konzept einer Sammlungsbewegung scheint aufgegeangen zu sein, Nazi-Kader aus allen Spektren waren bei der faschistischen Propagandashow mit dabei. Davon angestachelt verbreitet Holger Apfel, Bundesvorsitzender der NPD, schon jetzt, daß am 1. Mai ’98 10 000 „Nationale" nach Leipzig kommen werden.

Führer in Grün, wir folgen! Nazis auf dem Weg in die Nibelungenhalle

Doch auch wenn die Nazis ihre Veranstaltung abhalten konnten, ist der antifaschistische Widerstand an diesem Tag erfolgreich gewesen: Mit über 3000 TeilnehmerInnen war dies die zweitgrößte Demonstration, die es in Passau gab. Zwar konnten 1992 rund 4000 Menschen gegen die faschistische DVU auf die Straße gebracht werden. Doch müssen bei einem Vergleich auch die Rahmenbedingungen miteinbezogen werden: Die Betroffenheit über faschistische Anschläge und dem Erstarken der Nazi-Bewegung war 1992 wesentlich stärker als heute. Zudem hatte zu dieser Demonstration ein breites Bündnis bis hin zu bürgerlichen Parteien und Organisationen aufgerufen. Die demobilisierende Wirkung des kurzfristigen Verbots in diesem Jahr miteinkalkuliert, ist die Beteiligung an der Anti-NPD-Demo also durchaus als positiv zu bewerten. Erfreulich ist auch, daß gerade in einer so konservativen Stadt wie Passau die Lethargie der bürgerlichen Kräfte gebrochen zu sein scheint. An dem Tag war es möglich, auch gemeinsam gegen die Faschisten vorzugehen. Selbst militante Aktionen fanden bisweilen den Zuspruch und Applaus von Passauer BürgerInnen. Die PAZ selbst wird weiterhin bestehen bleiben und hat angekündigt, auch bei der nächsten Veranstaltung der DVU wieder aktiv zu werden. Durch die Breite des Protestes konnte der Widerstand also nicht wie in den Vorjahren bei Gegenaktionen zur DVU einfach totgeschwiegen oder diffamiert werden. Nicht zuletzt an diesem Tag hat sich gezeigt, wie wichtig eine breite Verankerung antifaschistischen Widerstandes und organisiertes Vorgehen gegen Faschisten ist. Das Hauptinteresse wird wohl auch zukünftig der NPD als der derzeit wichtigsten Nazipartei gelten. Unterdessen haben bereits verschiedene Innenminister angekündigt, bei ihrer nächsten Konferenz über ein Verbot der NPD zu beraten. Ein Vorgehen, das hinlänglich bekannt ist: Nach dieser Vorwarnung bleibt den Nazis viel Zeit sich ausführlich auf ein Verbot vorzubereiten.

-! +