Für eine revolutionäre, antifaschistische Jugendbewegung!
Köln. "Militante Linksextremisten rekrutieren Nachwuchs - Schauplatz Schule und Jugendtreff". So titelt nicht etwa Die Bild-Zeitung, sondern ein Sonderbericht des Verfassungsschutzes. Das Werk von zweifelhafter literarischer Qualität will nämlich wissen, daß "die Brutalität "antifaschistisch" motivierter Gewalttaten zunimmt". Die besondere Besorgnis der Staatsschützer gilt dabei dem Umstand, daß es sich bei den Tätern in vielen Fällen um "Jugendliche und Heranwachsende" handele. Mit messerscharfer Kombinationsgabe machen die Autoren dann auch gleich im nächsten Satz die Schuldigen aus. "Die Suche nach den "Verführen"", so der O-Ton der Broschüre, "läßt diese unschwer orten: in der militanten "Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO)."
Man könnte versucht sein, das Machwerk nach diesen ersten Zeilen mit einem amüsierten Schulterzucken abzutun - schließlich scheint es sich um nichts weiter zu handeln als die ganz "gewöhnliche" staatliche Propaganda gegen revolutionären Antifaschismus. Wer weiterliest muß allerdings feststellen, daß die Anti-Antifa-Aktivitäten des Verfassungsschutzes durchaus ernstzunehmen sind. Auf den nächsten Seiten folgt nämlich ein ausführlicher Bericht über die AA/BO, der zwar nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit ist, aber nichtsdestotrotz auf ausgiebige Recherche schließen läßt. Darüber hinaus lassen sich die Autoren über die Jugendarbeit einzelner AA/BO-Gruppen und über antifaschistische Jugendzeitungen in den entsprechenden Städten aus. Ideologische Grundlage für die Verfassungsschützer bleibt dabei durchgängig der Versuch, die AA/BO als Organisation darzustellen, deren einziges Ziel es ist, die "Saat der Gewalt" möglichst weit zu streuen. Zum Nachweis müssen Zitate aus den schon erwähnten Jugendzeitungen herhalten, bei deren Auswahl offensichtlich maßgeblich war, daß sie nichts über den Inhalt antifaschistischer Arbeit aussagen dürfen. Dabei haben die Verfasser durchaus ein geschicktes Händchen bewiesen: Mit sicherem Diffamierungswillen präsentieren sie ein Konglomerat aus Parolen wie "Nazis aufs Maul!", "Flaschen und Steine gegen die Nazischweine!", "Gemeinsam gegen Faschisten, Bullen und andere Schweine!". Eine Zusammenstellung, die offensichtlich darauf abzielt, "Antifas" als hinterhältige Schläger darzustellen, die die Jugendlichen zur Ablehnung der Gesellschaft "verführen" - Die politische Ebene antifaschistischen Widerstands wird verschwiegen oder abgeleugnet.
Neben den lehrreichen Einblicken in die Psyche des durchschnittlichen Verfassungspatrioten hat der Tenor der Broschüre natürlich auch unerfreuliche Auswirkungen: Die reißerische Gewalt- und Extremismus-Rhetorik ist ein gefundenes Fressen für die bürgerlichen Medien. Unter anderem Bild und FAZ veröffentlichten in kurzer Folge Artikel zum Thema "Linksextremisten werben um Jugendliche", in denen die Anti-Antifa-Ideologie eins zu eins übernommen wird. Selbst die faschistische "Junge Freiheit" konnte sich in ihrem Artikel voll auf Inhalte und Rhetorik des Verfassungsschutzes stützen.
Über die Realität antifaschistischer Jugendarbeit sagt all das recht wenig aus. Zum einen ist sie immer der Versuch zur Bildung politischen Bewußtseins, daß es ermöglicht aktiv in gesellschaftliche Vorgänge einzugreifen. Darüber hinaus soll sie Erfahrungen weitervermitteln und Hilfestellungen in der Praxis geben. Keine Jugendarbeit zu betreiben bedeutet für eine Bewegung, alle paar Jahre wieder von vorn beginnen zu müssen.
Um so besorgniserregender, daß die Broschüre genau am Punkt Jugendarbeit ansetzt und ihn mit einem Rundumschlag gegen die AA/BO verbindet. Daß staatliche Stellen Informationen über antifaschistischen Widerstand nicht nur sammeln, weil sie solche Freude am Wissen haben, ist ja allgemein bekannt. Zu befürchten ist, daß die "Informationsbroschüre" des Verfassungsschutzes nur ein Vorbote für kommende Kriminalisierungsversuche gegen die AA/BO oder deren Mitgliedsgruppen ist. So drängt sich einem der Verdacht auf, daß das Verfahren gegen angebliche Mitglieder der Antifaschistischen Aktion Passau nur die Spitze des Eisberges ist.
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