Psychologie und Gesellschaftskritik, 42/43, 1987

"Gaston"

Psychologen der "inneren Sicherheit"
oder
"Hilf der Polizei - schlag dich selbst zusammen!"

"Distanzieren Sie sich bitte von Anfang an von Leuten, bei denen Sie den Eindruck haben, dass sie nicht gegen die Errichtung der WAA demonstrieren, sondern schlichtweg Krawall machen wollen. Ein sicheres Erkennungszeichen ist nach unseren Erkenntnissen z.B. das vermummte Auftreten." (aus einem Polizeiflugblatt (Polizei-Info) der Münchener Polizei. anlässlich der Haidhausen-Demonstration 1985)

Was, so mag sich der irritierte Leser und die verwundene Leserin fragen, was hat das mit Psychologie zu tun ?
Soviel sei vorweg gesagt: diese Zeilen stammen nicht nur aus der diplomierten Feder eines Psychologen, sie sind auch Teil einer Strategie an der diese Vertreter eines relativ unbekannten Feldes der angewandten Psychologie fleissig mitstricken, die Polizeipsychologen.
Beginnen wir zuerst mit zwei Exkursen, einerseits um ein paar relevante Hintergrundsfakten zu liefern, andererseits um anzudeuten, in welchem Kontext diese neue Waffengattung der Polizei steht.

Zum ersten Exkurs: hier geht es darum, die Dimension der "Polizeipsychologie" zu umreissen, allerdings unter Vernachlässigung der Bestrebungen der Polizei ihre Beamten selber psychologisch zu schulen. Polizeipsychologen (in Unterscheidung zu Lehrern des Faches "angewandte Psychologie") kennzeichnen sich dadurch, dass sie auch andere Funktionen,- z.B. Beratung von Führungsstäben, Betriebspsychologie, u.ä.) ausüben.

Der zweite Exkurs "Propaganda" soll andeuten, welchen politischen bzw. militärischen Ziele an anderen Stellen des Staatssystems verfolgt werden, um einen Kontext für diese Ziele und Methoden zu erarbeiten und um deren Kongruenz zu belegen.

Um allerdings einen Zugang zu bekommen, die Wirkung der polizeilichen Propaganda zu beurteilen, muss noch etwas gesagt werden: Es ist nicht möglich ein allseits gültiges Stimmungsbild von Demonstrationen In Worte zu fassen, ein Exkurs darüber ist also nicht möglich, und doch ist es wichtig sich eine solche Situation vor Augen zu halten. Die sinnlichen Erlebnisse von z.T. Lebensgefahr und existentieller Bedrohung. sind als Kontext ebenfalls unverzichtbar.
Polizeiflugblätter werden verteilt in Situationen, in denen eine weitere konkrete Bedrohung der körperlichen Versehrtheit (z.B. nach Tschernobyl, usw.) mit schwingt.
Vieleicht hilft das Bild von der Gleichzeitigkeit eines WAWE 9000, ein Wasserwerfer mit bis zu 15 bzw. 28 bar Wasserdruck (vgl. SPIEGEL v. 21.7.86, S. 30) -, und dem Apell: "Bitte distanzieren sie sich von Gewalttätern!". Dazu aber später mehr.

Exkurs 1: Polizeipsychologie

Kurz und Telegramm-artig zu ihrer Geschichte, über die zwar Material vorliegt, die aber nicht Gegenstand dieses Artikels sein soll. Der "Nestor der deutschen Polizeipsychologie" (TRUM 1981, S.701), Fritz Stiebitz, wies 1974 auf 150 Jahre Psychologie im Dienst der Polizei"(STIEBITZ1974) hin. Die ersten psychologischen Tätigkeiten bei der Polizei datierte er auf die Jahre 1924 und 1928 (es ging um Auswahlverfahren und pädagogisch-psychologische Schulungen für Hauptleute). "Bis 1932 hielt diese fruchtbare Arbeit an. Dann wurde (…) das Fach Psychologie gestrichen. Die Weimarer Polizei war dem mit Grundrechten ausgestatteten Bürger begegnet deshalb hatte sie die Psychologie befragt. Der NS-Staat verlangte rastlosen Gehorsam - darum war die Einfühlung in den "Volksgenossen" nicht nötig" (ebd., S.298)
Spätestens seit der "Professionalisierung der deutschen Psychologie im Nationalsozialismus" (GEUTER 1984) (1) - ist diese Art der Geschichtsschreibung, vor allem durch Ihre Abhängigkeit von der derzeitigen Ideologie, zweifelhaft geworden.

In der Restaurationsphase, genau 1949, wurden dann Pädagogen und Psychologen an der Polizeiführungsakademie in Hiltrup eingestellt (vgl. SALEWSKI 1976), um "Beamten psychologisches Wissen zu vermitteln" (ebd., S. 222). "Eine argwöhnische Besatzungsmacht musste beim ersten Unterrichtsthema durch das unverfängliche Thema "Der Umgang des Polizeibeamten mit Kindern" beschwichtigt werden." (STIEBITZ 1980, S.28)
Der Hintergrund: die Alliierten wachten darüber, dass sich die Polizei mit nicht allzu politischen Themen beschäftigte.

"Der grosse Durchbruch für die Psychologie in der Polizei erfolgte 1964, als der Münchener Polizeipräsident Dr. Manfred Schreiber erstmals einen hauptamtlichen Psychologen einstellte, der nicht nur unterrichtete, sondern auch in Führungs- und Einsatzfragen beratend hinzugezogen wurde" (SALEWSKI 1976,S.222). Anlass war damals eine Eskalation der sog. "Schwabinger Krawalle", bei denen durch ein hartes Auftreten der Polizei gegenüber Strassenmusikern eine Demonstrationsserie ausgelöst wurde. Durch die Ausschreitungen der Polizei rutschte deren Image soweit ab, dass Schreiber Gegenmassnahmen ergriff. Resultat: die sog. "Münchener Linie", ein integriertes Konzept von Pressearbeit (vgl. SCHREIBER in POLIZEI INSTITUT HILTRUP (im Folgenden: PIH) 1970c, S. 78) sog. "deeskalierendem Auftreten" (vgl. MALPRICHT 1984:S. 54) , u.a..
1976 waren "(… ) in der Bundesrepublik 10 hauptamtliche Psychologen oder Diplom-Soziologen tätig" (SALEWSKI 1976, S.222), inzwischen hat jedes Bundesland 1-2, teilweise aber auch mehr. Auch die Polizeiführungsakademie beschäftigte sich seit dem
Ende der 60iger Jahre mit der Psychologie (vgl. PIH 1970b, 1970c, 1971a, 1971b) bis 1982 dort ein Seminar abgehalten wurde mit dem Titel "Sozialwissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis der Polizei" (PIH 1982, allerdings ist diese Dokument z.Z. als "nur für den Dienstgebrauch" eingestuft)

Exkurs II: Propaganda

An dieser Stelle ist keine historische Analyse der Propaganda möglich, sondern nur eine Beschreibung. Die interessierten Leser seien auf einen Artikel von JÜRGENS (1985) verwiesen. Wichtig sind hier vor allem zwei Dinge: JÜRGENS analysiert, dass mit Beginn der Industrialisierung auch eine Verwissenschaftlichung der Propaganda einsetzt. Hierbei spielen Einflüsse der Psychologie (Strömungen wie Massen-, Völker-, Werbe- und Wirtschaftspsychologie) eine nicht unbedeutende, wenn auch mehr indirekte Rolle.
Dabei variieren konkrete Propagandamassnahmen fast immer um ein Thema: die Verschleierung der Klasseninteressen und Gegensätze. Mal als "Wir sitzen alle in einem Boot!" (vgl. SPOO 1983, S. 1 78), ein anderes Mal als "Nationalgemeinschaft". Diese Entwicklung ist aber nur zu verstehen, wenn gleichzeitig die technische Entwicklung (vor allem der Medien) und die politische Lage (1. Weltkrieg, d.h. militärische Propaganda- Interessen, usw.) berücksichtigt werden.

So bringt die Machtübergabe an die NSDAP erstmalig in der Geschichte ein "Reichsministerium für Propaganda und Volksaufklärung" mit sich, eine Zentrale der Manipulation, die vielen so entgegen kam, aber: gestärkt durch die Erfahrung des 1. Weltkriegs und durch neue Medien wie Rundfunk und Wochenschauen/ Kino gingen sie erfolgreicher an"s Werk. So tobte dann auch im 2. WK die Schlacht um die Hirne wie noch nie. Die Zivilbevölkerung war ein Ziel (z.B. durch Flugblatt- Bombardements, daher der Name Flugblatt, Blätter die nieder fliegen ), die Truppe ein anderes. Hierfür zuständig war eine neue Waffengattung: die Propaganda Kompanien (PK).
Die (offiziellen) Ziele:

  1. die Widerstandskraft der feindlichen Truppen und der feindlichen Zivilbevölkerung systematisch zu untergraben
  2. das eigene Volk, die eigenen Streitkräfte und die Verbündeten im Sinne der militärischen und politischen Ziele zu beeinflussen und in ihrer Siegeszuversicht zu stärken
  3. die Sympathie und nach Möglichkeit die Kooperation der neutralen Länder zu gewinnen, zumindestens einer ungünstigen Meinungsbildung dort entgegen zu Wirken (BUCHBENDER/SCHUH 1983, S. 12)

Wenn wir uns fragen, in wessen Interessen der 2. Weltkrieg geführt wurde, erkennen wir darin die Hauptader der Propaganda wieder: die Verschleierung der Klasseninteressen.

An dieser Art von Propaganda waren zwar keine oder kaum Psychologen als Wissenschaftler beteiligt, aber zum Ende des Krieges gab es "Treffen zwischen Vertretern des "Ost- und Propagandaministeriums" und anderer Dienststellen sowie den Direktoren aller psychologischer Universitäten" (GEUTER 1984, S. 421)

Und auch die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGFP) stellte sich nach Schliessung der Heeres- und Luftwaffenpsychologie um." Die DGFP versuchte sich nach innen so zu reorganisieren, dass sie den Kriegsaufgaben besser gerecht werden konnte. Die Gesellschaft fasste den Plan, Arbeitsgruppen für Völkercharakterologie, Leistungsführung, Propaganda und Werbung (…) aufzubauen.(…) Zu einer Realisierung (…) scheint es jedoch im Krieg nicht mehr gekommen zu sein." (GEUTER 1984, S. 424f)

Mit der Machtübernahme der Alliierten, der Restauration und der Gründung der BRD, verschwinden für kurze Zeit die PK von der Bildfläche und die USA bringen ihre Propagandainteressen (kalter Krieg) und ihre Erfahrungen ein.

Doch um auf Psychologen zurück zu kommen: Herwig und Zeise verkünden über den Bund Deutscher Psychologen (BOP) 1952, also lange vor der Wiederbewaffnung - , als Ziele künftiger Militärpsychologen der BRD: Auswahl, Ausbildung, psychologische Beeinflussung und Waffenpsychotechnik (vgl. MATTHES 1980).

Die Manipulation wird später nicht, jedenfalls nicht explizit, Ziel des Psychologischen Dienstes der Bundeswehr:- diese Aufgabe erhält eine ändere Waffengattung: die PSV ( für Psychologische Verteidigung, schon im Namen äussert sich die Profession). ihr Selbstverständnis:
"Im Frieden hilft die Psychologische Verteidigung

  1. äusseren Störungen des Dienstes der Truppe entgegenzuwirken
  2. Angriffe wehrfeindlicher Gruppen gegen die Bundeswehr und gegen die Verteidigungsbereitschaft abzuwehren
  3. Hilfsmassnahmen bei Naturkatastrophen und besonders schweren Unfällen (…) zu unterstützen
  4. Gefechtsübungen (z.B. durch Informationen der Bevölkerung) vorzubereiten und durchzuführen

In Krise und Krieg zusätzlich wendet sich die Psychologische Verteidigung an

  1. Feindkräfte mit dem Ziel
    - ihren Kampfwillen zu mindern
    - die Rechtmässigkeit eigener Verteidigung und die Unrechtmässigkeit einer Aggression bewusst zu machen
  2. · Bevölkerungsgruppen mit dem Ziel
    - sie zu lagegerechtem Verhalten und zum eigenen Schutz an zuleiten
    - psychologischer Beeinflussung und Desinformation durch den Feind zu begegnen" (Schule der PSV (PSVSBW) 1981, S.24)

Viel geändert hat sich auch hier nicht seit dem 2. Weltkrieg, nur eines kommt hinzu: die o.g. neue Quelle von Erfahrungen im Psycho-Krieg, die USA. Denn: die PSV als Bestandteil der Bundeswehr ist somit ja auch ein Bestandteil der NATO, und damit z.T. der US-Psy-War Strategie verpflichtet, der counterinsurgency (die heute eine "Spur" mehr militärisch gehandhabt wird und "Iow intensity war doctrin" heisst, vgl. ARBEITERKAMPF Nr. 277,S.17).

Flugblatt der Bundeswehr

 

Flugblatt bei einem "Tag der offenen Tür", Rand in schwarz-rot-gold,
aus: PSVSBw, Fragen an eine Unbekannte, Euskirchen


An diesem Punkt soll der Telegramm- Stil beendet werden, denn Counterinsurgency (2) ist ein wichtiger Analyse- Bestandteil, um den Kontext des eigentlichen Gegenstandes "Polizeiflugblätter" zu verstehen, wobei damit deren Bedeutung nicht überschätzt werden soll.

Counterinsurgency

Regel für psychologisch richtiges Verhalten ...

aus: "Von Igeln und Hasen" – Militär und innere Sicherheit", Hrsg.: AG Nordeifeler Antimilitaristen, Köln, August 1986

"Counterinsurgency- Operationen zielen auf ein Klima der Sicherheit und das öffentlichen Vertrauens. Genauer zielen sie auf einen kontrollierten Zustand, weicher erlaubt, einen geordneten Fortschritt zur Erreichung nationaler und öffentlicher Wünsche zu initiieren" (VERLAG INTERNATIONALE KRITIK, o.D., S. 14) Dies ist ein Auszug aus einem Schulungsprogramm für US- Psychokrieger, einem Schulungsprogramm für eine Strategie der Machterhaltung, in der mit allen Waffen (Geheimdienste, Entwicklungshilfe, Militär, Polizei, Psycho- Einheiten, usw.) gekämpft wird, resultierend aus der Ausweitung des Machtanspruches der USA auf die ganze Welt. Und: resultierend aus den Interessen von multinationalen Konzernen und deren Geschäften in vielen unterentwickelt gehaltenen Ländern. Daraus ergaben sich Erfahrungen mit vielen sog. Aufständen (Vietnam, Guatemala, Chile, usw.), die sich teilweise zu Revolutionen entwickelten, was mit Machtverlust der USA einherging. Hieraus wurde diese technokratisch klingende, aber mit unendlich viel Leid und Blut behaftete, Strategie entwickelt.

In diesem Gesamt- Konzept haben dann auch Psycho- Krieger ihre feste Rolle. Sie sollen nicht nur die Militärs beraten, ob der Auswirkungen ihrer Pläne, sondern auch eigene Feldzüge führen. Denn:" weiterhin ist die öffentliche Ordnung zu einem hohen Masse abhängig von der öffentlichen Meinung. Deshalb kann sinnvollerweise angenommen werden, dass unter den Faktoren, die einen Zusammenbruch der sozialen Ordnung bedingen, in vielen Gesellschaften die Manifestation einer widrigen öffentlichen Meinung zu nennen ist Diese ungünstige Meinung richtet sich normalerweise gegen den Regierungskörper und kann für den tatsächlichen oder eingebildeten Groll seitens der Bevölkerung verantwortlich sein. Hiermit ist der grosse Rahmen der Counterinsurcency- Psychooperationen benannt: den Zusammenbruch der öffentlichen Meinung zu kurzem. Und dies beginnt Ober die Kontrolle und die Beeinflussung der Meinungsträger (…). wie der Medien und der öffentlichkeitswirksamen Institutionen (Gewerkschaften)" (ebd. S.27).

Neben dieser Taktik, wenn der sog. Aufstand schon ausgebrochen ist, gibt es natürlich auch ein "Vorbeugeprogramm": Präventive Counterinsurgency. In dieser Phase werden Kontakte zu örtlichen Vertretern geknöpft (Polizei, Kirche, u.a.), Informationen gesammelt (Geheimdienste (3)) und die öffentliche Meinung studiert um Propaganda- Themen zu sammeln (vgl. Watson 1985, S. 350ff). Damit sei auch dieser Exkurs beendet.

Polizeiflugblätter und ihre spezielle Geschichte

Nun zum Untersuchungsgegenstand: Polizeiflugblätter tauchen seit 1985 gehäuft auf, und zwar nicht nur in Bayern (anlässlich vieler Demonstrationen gegen den Bau der WAA), sondern auch in Hasselbach / Hunsrück im Oktober 1986, in Hamburg, anlässlich von Demonstrationen aus Solidarität mit den besetzten Häusern in der Hafenstrasse und gegen die Volkszählung. Ein Beispiel aus der Vergangenheit wären Flugblätter anlässlich der Räumung der "freien Republik Wendland" l980 (vgl. KONKRET v. 27.6.1980, S. 15, aber auch davor gab es schon einige Einsätze , vgl. DEUTSCHE POLIZEI 11/73 S.341)

Sie werden erwähnt als Einsatzmittel (in Amsterdam und Hamburg, vgl. PIH 1969, S. 1 79) um Solidarisierungen und um sog. Eskalationen zu verhindern.

"Noch während der Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg begann der Soziologe (gemeint ist Grimminger, tätig bei der Polizei in Hessen, d.V.) mit der Konzeption von Flugblättern für den Polizeieinsatz. Zur Verhinderung der Eskalation sollte Demonstrationsteilnehmern signalisiert werden, dass die Polizeiführung Verständnis für Demonstrationsmotive aufbringt. Es wurde an die Veranstalter appelliert, die Kundgebungen und Umzüge möglichst friedlich durchzuführen "(GRIMMINGER 1986, S. 10). "In Frankfurt hat es sich zeitweilig als sehr nützlich erwiesen, Demonstrantengruppen, die ihre Veranstaltungen aus Prinzip nicht anmelden, durch Flugblätter anzusprechen - Minimum notwendiger Informationen. Diese Flugblattaktionen wurden auch der Presse mitgeteilt. Sie haben ein sehr positives Echo gefunden - sowohl bei Demonstranten als auch bei der Presse.gleich auch noch das Image der Polizei aufpoliert."(GRIMMINGER in PIH 1971b, S.59).

Hier ist die mehrfache Wirkung von Polizeiflugblättern aufgezeigt: Auf die Demonstranten, auf die Öffentlichkeit und dazu käme noch, die Wirkung auf die Polizisten. Widmen wir uns vorerst jedoch der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei.

Public Relations

Der ehemalige Polizeipräsident Schreiber sagt dazu auf einem Seminar der Polizeiführungsakademie: "Das Bürgerverlangen nach uneingeschränkter Freiheit kann heute nicht mehr autoritär mit dem Ordnungsverlangen des Staates eingeengt werden. Um es überzeichnet aufzuzeigen: Recht und Ordnung müssen heute wie Konsumgüter angepriesen und "gut verpackt" verkauft werden" (PIH 1970c, S.75).

Dazu stellt er mehrere Pressekonzeptionen dar und geht auch noch auf Untersuchungen der Meinungsforscher (Wickert-Institut) ein, um wechselseitige Vorurteile von Polizei gegenüber Presse / Journalisten und gegenüber bestimmten Gruppen von Bürgern zu beleuchten.

Als Beispiel für eine gelungene Öffentlichkeitsarbeit führt er dann eben jene "Münchener Linie" an, mit eben jenen schon bekannten Bestandteilen: "Problemorientierte Konzeption der Öffentlichkeitsarbeit (…), Installation eines Polizeipsychologen (…), Training bzw. Information der Polizisten (z. B. 1963 durch eine Broschüre über "Grundregeln für das Verhalten von Polizeibeamten bei der Feststellung und Verfolgung von Verkehrsdelikten", d.V.) (…) Fortbildung der Beamten des Polizeipräsidiums (Stärkung des Selbstwertgefühls, Verbesserung der Kontakte zwischen Kripo und Schupo, Sozialkosmetik, Millieuveränderung) " (ebd., S.87).

"Man kann heute sagen", sagt Schreiber 1971, "dass die "Münchener Linie" bei der Bevölkerung wie auch innerhalb der Beamtenschaft ein Massstab geworden ist, der jede Begegnung zwischen Bevölkerung und Polizei an der Elle misst, wie sehr jede Beteiligung dazu beigetragen hat, eine Konfrontation zu vermeiden Polizeioberinspektor Maier wurde durch sein Demonstrationsverhalten "Münchener des Jahres"!). Wir hoffen auf lange Sicht, dass die Konzeption der "Münchener Linie" allgemein dazu führt, die Tabuisierung jeglicher Provokation und Konfrontation zwischen Polizei und Bevölkerung durchzusetzen." (ebd., S.88)

Heute, 1987, können wir sagen, dass die Polizei sich mit Sicherheit nicht an diese Linie hält, nicht in München (vgl. Haidhausen-Demo 1985), nicht in Bayern (vgl. Wackersdorf, Pfingsten 1986) und auch sonst nicht (vgl. Kleve 1986, u.v.m.)- Die jetzigen bayrischen Polizeipsychologen - inzwischen arbeiten sie zusammengefasst für ganz Bayern im "Zentralen Psychologischen Dienst des Polizeipräsidiums München" - halten trotzdem immer noch Öffentlichkeitsarbeit für eine ihrer Aufgaben.(vgl. TRUM 1981, S.702)

Und: "Der polizeipsychologische Dienst hält einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse für die Polizei zur Verfügung. Er bereitet darüber hinaus psychologische Theorie systematisch auf und sorgt für ihre Verbreitung. (…) Liegen zu konkreten polizeilichen Fragestellungen noch keine gesicherten oder verwertbaren Erkenntnisse vor, hat der Dienst die Aufgabe, im Rahmen der Ökonomieforderungen eigene Untersuchungen zur Klärung des jeweiligen Problems durchzufahren. "(ebd. S.703)

Und so befragte dieser Dienst mittels Flugblatt Demonstranten:

Das wurde gleich doppelt verwertet: Als lnformationsbeschaffung der Polizei (von 4000 Fragebögen kamen 382 im beigehefteten Freiumschlag, teilweise sogar mit Namen, zurück) und als Quasi- Gesprächsangebot an den Bürger.

Polizeiliches Einsatzmittel: Flugblätter

Aus dieser Tradition folgte dann ab Mitte 1986, nach den schweren Angriff en der Polizei, bei denen zwei Tote zu beklagen waren, ein Versuch, das ins Wanken geratene Image wieder aufzurichten.

Betrachtet mensch das beispielhaft abgedruckte Werk (es war die zweite von insgesamt drei Zeitungsbeilagen in "Der Neue Tag" und der "Mittelbayrischen Zeitung") fallen folgende Techniken dieser strategischen Propaganda (4) ins Auge:

1. Die Wortverdrehungen: WAW (für Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf) statt WAA, analog zu der bekannten Umbenennung von Atomkraftwerken zu Kernkraftwerken (seit AKWs untrennbar mit negativen Assoziationen besetzt sind). In einem Artikel aus dem Jahre 1973 heisst es dazu: "Der Inhalt des Flugblattes muss auf die Zielgruppe ausgerichtet sein. Jede Werbung versucht die Sprache ihrer Leser zu wählen, die sie ansprechen will. (…)

Beispiele

(…) Die Überparteilichkeit der Polizei zeigt sich in der Verwendung neutraler, wertfreier Begriffe. Begriffe, die die Teilnehmer gering schätzen oder abwerfen, gefährden das Ziel und den Zweck eines Flugblattes.

Beispiel

2. Die Werbemittel: Das hier abgedruckte Symbol: "Gewalt - Nein Danke!" ist natürlich direkt nachempfunden dem Symbol: "Atomkraft - Nein Danke!". Selbst die Anti-AKW-Sonne ist erhalten geblieben. Eine Interessante Entwicklung ist hierbei noch zu beobachten: Auf dem Flugblatt erscheint eine Kinderschleuder (Zielgruppe sind die Oberpfälzer Bürger), bei den neuesten Aufklebern und Stickern (vgl. TAZ v.27.4.87) Ist diese ersetzt durch eine Präzisionsschleuder (Zielgruppe waren hier Demonstranten am Zaun).

3. Der Versuch verschiedene Bedürfnisse In Kongruenz zu bringen: In der ersten Zeitungsbeilage heisst es dazu: "In erster Linie richten sich Kontrollen (von Pkws, d.V.) auf Gegenstände, die im Fahrzeug mitgeführt werden. Es fällt uns leicht, beispielsweise Stahlkugeln und Steinschleudern als Instrumente .zu erkennen, die zu unfriedlichen Zwecken verwendet werden sollen. Schwieriger sieht es bei denen des täglichen Lebens aus. Wir haben lernen messen, dass Benzinkanister, Stahlsägen, Bolzenschneider und Äxte bei Demonstrationen eine andere als ihre bestimmungsmässige Funktion bekommen haben. Kontrollen sind auch für uns mit grossem Aufwand verbunden. Für den betroffenen Bürger bringen sie kilometerlange Verkehrsstaus und Zeitverluste. Je mehr Gewalttaten verübt werden, je mehr solche "fragwürdigen" Gegenstände mitgenommen werden, desto umfangreicher werden auch polizeiliche Kontrollen notwendig ausfallen. Kontrollen werden erst dann überflüssig, wenn niemand mehr derartige Gegenstände zu einer Grossveranstaltung mitnimmt. Wenn Sie also darauf verzichten, dann machen Sie es sich und uns in Zukunft leichter. Wir gehen davon aus,. dass auch Sie an keinem Zeitverlust und an einem störungsfreien Verlauf von Veranstaltungen interessiert sind. Und das ist auch das Interesse der Polizei." (Zeitungsbeilage der Polizei v.4.10.86, S.3)

Was bedeutet "störungsfreier Verlauf", wer stört ? In den Augen der Veranstalter stört das martialische Auftreten der Polizei, in den Augen der Polizei stören die, die sich nicht an planbares Vorgehen gebunden fühlen und die den Widerstand tragen." In dem Flugblatt wird suggeriert, dass beide Parteien dieselben Interessen hätten mit gering unterschiedlichen Motiven; und das ist nicht wahr, - sie sitzen nicht Im selben Boot!

4. Die Art und Weise, wie zum Bau der WAA Stellung bezogen wird: Es wird zwar angedeutet, dass auch Polizisten Zweifel an der Nuklear- Technologie hätten, auf das eigentliche Anliegen der Demonstrationen wird aber nicht eingegangen. Die WAA, so scheint es, hat Oberhaupt nichts mit den Auseinandersetzung und deren Form zu tun. In dieser Weise stimmt die Kategorie "lnhaltsabstrakt" (vgl. KARDOW 1984) nur zu teuflisch.

Noch deutlicher wird dies, In einem anderen Flugblatt: " Zu unserem Selbstverständnis gehört es, dass wir uns als Polizei nicht für oder gegen inhaltliche Zielsetzungen der Demonstration aussprechen. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Sinnhaftigkeit der gegenwärtigen Rüstungspolitik zu diskutieren und zu beurteilen. Wir müssen in dieser Frage neutral und für jedermann kontrollierbar sein und bleiben" (Polizei-Info anlässlich einer Demonstration gegen den Raketenstützpunkt Hasselbach / Hunsrück 11.10.86).

Dieser Satz lässt sich allerdings nur dann kritisieren, wenn die geneigten Leser (wenigstens für einen Moment) den Boden der FDGO verlassen und überlegen, welche Interessen mit einem solchen Satz transportiert werden. In dem Moment, wo anerkannt wird, dass die Polizei die Interessen aller vertritt, weil sie die Exekutive ist, ist eine solche Aussage zu befürworten. In dem Moment aber, wo auch klar wird, dass ein sich diesem Dogma beugen bedeutet, dass Atomraketen aussen vor bleiben, dass eine Wiederaufbereitungsanlage gegen den Willen der Betroffenen (aber mit dem Segen der Parlamente) gebaut wird, wird auch klar, was mit einem solchen Satz geschätzt und verschleiert wird.

Noch einmal anders herum: mit dem Anerkennen dieses Grundsatzes wird notwendig die Debatte (die sich ja in einer Demonstration widerspiegelt) entpolitisiert. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Polizei "Motive" anerkennt, denn die gesamte Polizeipropaganda verkennt, von wem die Gewalt In diesem und fast allen Staaten der Weit ausgeht. Bleibt dieser Satz unangetastet ist es auch nicht möglich bis zum Quell der Gewalt vorzudringen"

5. Wir sind schon mitten den in einer neuen Auffälligkeit, der Gewaltdebatte: Alle Flugblätter haben eines gemeinsam, sie appellieren an die Gewaltfreiheit. Neuerdings ist das in Wackersdorf sogar so, dass den örtlichen Bürgerinitiativen förmlich aufgenötigt wird, mit der Polizei um Auflagen für Demonstrationen zu feilschen. Jede Presseerklärung der Polizei ist mit einem sog. Gesprächsangebot (5) verbunden, in dem es genau um o.g. gehen soll. Der Polizei soll, so ihr Verlangen, ein sog. friedlicher Verlauf garantiert werden, bzw. eine räumliche Distanzierung von non-konformen Demonstranten.

Die Presse greift das auf (6) und, lehnen die Bürgerinitiativen dieses "Angebot" ab, haben sie mit neuen negativen Meinungen zu kämpfen, können ihre Politik schwerer vermitteln. So kann nicht mehr thematisiert werden, wessen Frieden gemeint ist.

Das Ziel einer solchen Propaganda hat Brückner in einem Satz am treffendsten ausgedrückt: es " soll die kritischen Auseinandersetzung mit der Gewalt aus der Diskussion verschwinden, auf die jede bürgerliche Gesellschaft fundiert ist. Es ist die herrschende Klasse selber, die vorschreiben will, weiche Erscheinungsformen von Gewalt in weichem Kontext erörtert werden dürfen " (BRÜCKNER 1979,S. 74)

6. Die Form, den Widerstand gegen die WAA zu separieren: Dies läuft auch Ober die Gewaltdebatte, die endlose Flügelkämpfe nach sich zieht, da vor allem die Uneinigkeit darüber aufgezeigt wird, wie die Gruppen zum bürgerlichen Staat stehen und worin sie die Ursachen für Gewalt sehen. Alte Streitfragen und der real uneinheitliche theoretische Hintergrund kommen zum Tragen. Es wird aber auch separiert, indem bestimmte Gruppen stigmatisiert werden. Wer sich vermummt, sei ein Gewalttäter, suggerieren die Flugblätter. Auch hier ist es Im Nachhinein schwer, den eigentlichen Grund für die Vermummung zu vermitteln, die massenhaften Video- Angriffe des "Überwachungsstaates" nämlich, eine erneute Hürde also, um aufzuzeigen, woher die Gewalt kommt.

Und selbst das Aufzeigen des Widerspruches, dass nämlich der Polizist von Dienstwegen vermummt sei, hilft nicht aus dieser geschickt aufgebauten Zwickmühle. Er müsste "nach wissenschaftlichen Untersuchungen "(aus dem Polizei-Info anlässlich der Haidhausen-Demo 1985), so die Polizeipsychologen, dazu neigen "fast automatisch (...) aus dieser Anonymität heraus bereits vorhandene Aggressivität ungehemmter aus zu leben. Dies um so mehr, wenn er aus einer Gruppe heraus agiert." (ebd., gemeint sind natürlich hier: Demonstranten mit "Hasskappen").

Auch hier: das Vorgehen der Stigmatisierten wird immer unvermittelbarer gemacht und Ober die gesamte Szenerie legt sich ein Klima aus Angst, denn es darf nicht vergessen werden, dass zu demonstrieren angesichts der Polizeibewaffnung inzwischen ein tendenziell lebensgefährliches Unterfangen ist.

Dazu wieder Brückner: " Es werden also nicht nur bestimmte herausgehobene Personen mit allen (möglichen Mitteln vereinzelt, es wird vielmehr vielen einzelnen Individuen, einzelnen Programmen, Symbolen, Büchern und Begriffen das Prädikat gegeben "Besser nicht berühren!". Ihrer Absicht nach zielt diese Konstruktion auf Entschränkung ab, auf Entsolidarisierung, auf die Herstellung von sozialer und psychischer Distanz in einer im Ganzen aufrührerischen Teil Population (...)." (BRÜCKNER 1979,S.71).

Und "Die alltägliche Repression verschafft sich (...) dadurch Geltung, dass plötzlich bestimmte Begriffe aus dem Sprachgebrauch verschwinden, dass bestimmte Dinge nicht gedacht und öffentlich gesagt werden dürfen (), dass man sich möglichst arrangiert. Das Geheimnis (..) der Repression besteht genau darin, dass man vergisst, dass es noch andere Begriffe gab, dass man bestimmte Bedürfnisse solange unterdrückt und verdrängt, bis man sie gar nicht mehr zu haben, ja nie gehabt zu haben scheint."(linkS Nr. 73, 1976, S.1, zit. nach BRÜCKNER 1979,S.75)

Polizeipsychologie im Kontext

Wir haben also mit diesen Flugblättern vor uns einen neuen Bestandteil der alten Polizeistrategie, resultierend aus der Verwissenschaftlichung und der Ausdifferenzierung der "Streitmacht des Inneren", aber auch einen alten Teil staatlicher Macht- und Befriedungspolitik in neuem Gewande.

Erinnern wir uns an Counterinsurgency: dort wird gezielt auf "einen kontrollierten Zustand, welcher erlaubt, einen geordneten Fortschritt (VERLAG INTERNATIONALE KRITIK o.D., S. 14) zu erreichen. (Zumindestens) Eine Analogie drängt sich auf. Die BRD ist zwar ein hochindustrialisiertes Land, aber Projekte wie die WAA haben für den militärisch- Industriellen Komplex eine derartige Wichtigkeit, dass es nicht verwundern wurde, wenn die dahinter stehenden Strategien, einen Widerstand gegen die WAA durch ihre Bürgerkriegsbrille schon als Aufstand begreifen werden oder als 100%ig zu sicherndes Gebiet (7), und dafür in die Tiefe ihre Aufstandsbekämpfungsmassnahmen greifen werden. Um es deutlich zu sagen: die These lautet nicht, es handele sich hierbei um eine verdeckte counterinsurgency der USA. Sie lautet: die BRD ist selber ein imperialistischer Staat, verfügt (durch die NATO) über eine ähnliche Strategie, die einerseits zwar nicht völlig unabhängig von der weltweiten Strategie der Industrie- Staaten ist, andererseits die BRD aber auch nicht zum Opfer der USA stilisieren soll. Solch eine These lässt sich allerdings nicht (im wissenschaftlichen Sinne) beweisen; sie sei hier also nur durch Hinweise als plausibel dargestellt.

Ein Hinweis hierfür besteht darin, dass "Der Spiegel" berichtet, Mittels "psychologischer Kriegsführung (Gauweiler) versuchen die Behörden, die "Kernkraftgegner, mit achtenswerten Motiven", die gegen die geplante Wiederaufbereitungsanlage (WAA) zu Felde ziehen, von den reinen Gewalttätern zu separieren. Gauweiler: "Wir wollen denen den Deckmantel WAA wegziehen" (Der SPIEGEL v. 8.12,86)

Dies bezieht sich allerdings auf einen anderen Bereich der Flugblatt- Strategie, Flugblätter mit denen zur erhöhten Aufmerksamkeit und Spitzelei und zur Mitfahndung nach sog. Mastensägern aufgefordert wird. Diese Flugblätter wurden in sehr grosser Zahl auf Flughäfen und Bahnhöfen verteilt. Die Reaktion der Bevölkerung, die Atmosphäre beschreibt "Der Spiegel" dann so, "Bürgerwehrmentalität", "Western-Time in Wackersdorf "(Der SPIEGEL v. 6.4.87,S. 47). Dies sind zwar Flugblätter mit anderer Zielgruppe, aber "Polizeiführer Gauweiler" (vgl. ebd. S. 47) wird sicher für die Einheit der CSU-Pro-WAA-Politik sorgen.

Der Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen psychologischer Kriegsführung durch die Polizei und durch das Militär (PSW Counterinsurgency) verhärtet sich auch, wenn mensch darum weiss, dass der federführende Psychologe in Bayern zumindestens einmal schon mit dem hier öfters zitierten Horst Schuh zusammengearbeitet hat (TRUM / SCHUH 1977). Schuh, von dem man die Biographie kennen muss "seit 1968 Wissenschaftler und Dozent an einer Schule der Bundeswehr in Euskirchen (dies ist eine der beiden Schulen der PSV, d.V.), - Regierungsdirektor Schwerpunkttätigkeit in Seminaren für Gesprächsführung und Argumentation, Weiterbildung von Reservisten in der verteidigungspolitischen Arbeit, zahlreiche Truppen- und Stabsverwendungen (Oberst d.R.), langjährige Reservistenarbeit im nationalen und internationalen Bereich" (SCHUH 1981,S.1 17)

Noch eines stützt die aufgestellte These: 1986 fand in Skiathos, Griechenland, eine internationale Tagung für Polizeipsychologie statt. Veröffentlicht wurde der Tagungsbericht von J.C. Yuille, University of British Columbia, Vancouver, Canada published in cooperatin with NATO scientific affairs division. Yuille ist ausserdem Stellvertreter des NATO advance study Instituts.

Und noch eine augenfällige Verwicklung: die Weltkonferenz für Polizeipsychologie (WCPP) fand vom 16.-19.12.1985 in der FBI- Akademie in Quantico, USA statt. Die FBI- Akademien sind oftmals in die Ausbildung von Polizisten ausländischer Staaten, vor allem lateinamerikanischer, verwickelt gewesen.

Und die These, dass es sich um einen FBI- Ableger der Psycho- Strategien einer Counterinsurgency handelt liegt auch nahe, wenn mensch darum weiss, dass der Zentrale Psychologische Dienst" in Bayern 1985 Flugblätter entworfen hat mit Titeln wie "Zum Thema: Zaunbesichtigungen in Wackersdorf", "Zum Thema: Polizist sein in Wackersdorf", "Zum Thema: Demokratie und Polizei", u.a (aus Vorschlägen für eine Öffentlichkeitsarbeit). Diese Flugblätter lesen sich wie die späteren, bloss eines ist bemerkenswert: 1985 gab es in Wackersdorf noch keinen Zaun!

Zusammenfassend sei noch einmal Brückner zitiert, der den Kern dieser Strategie auf den Punkt bringt: " Was da aus der Diskussion verschwinden satt, sind spezifische Inhalte, wie sie von einer sozialrevolutionären, Kapitalismus- kritischen Bewegung untrennbar sind. Jeder der öffentlich über den Skandal der bürgerlichen Gesellschaft.- nämlich die Produktionsverhältnisse und die Fortdauer der Ausbeutung spricht, soll wissen, dass er zum Gegenstand der Observation gemacht wird" (BRÜCKNER 1979, S. 74).

Das eigentlich ausserparlamentarische Hochschulgruppen gemeint sind, fällt gar nicht besonders auf; seit damals hat sich diesem Punkt nicht viel geändert, nur das Demonstranten heute auch noch Gegenstand von Wasserwerfern und CS sind. Und viele haben sich schon an die Observation gewöhnt.

Was folgt daraus für die Psychologie ? Eng mit staatlichen Interessen assoziiert, entfaltet sie ihre Möglichkeit als Instrument der sozialen Kontrolle (vgl. KARDOW 1984).

Die hier Tätigen kann mensch wohl mit recht als "Befriedungsverbrecher" (BASALGIA zit. nach KARDOW, ebd., S.89) bezeichnen. Voraussetzung ist hierfür nur. dass in der Analyse nicht vergessen wird, wessen Interessen sie mit ihrem Tun, ob bewusst oder nicht, vertreten.

Eines sollte aus der Analyse, die allerdings nur ein Beginn sein kann, aber nicht folgen: diese Agenten sollten nicht als allmächtig erscheinen. Jeder kann gegen ihre "Waffe Wort" ankommen, denn die alltäglichen Erfahrungen, mit welcher Gewalt und Ausbeutung wir es zu tun haben, die liegen (teils verschüttet) in unseren Hirnen, Körpern und Herzen.

Betrachtet mensch die Anstrengungen der Polizeipsychologen sich zu rechtfertigen, nach aussen - gerichtet an ihre Berufskollegen -, nach innen,- gerichtet an die Polizeibeamten und die Führung -,wird deutlich, dass auch diese unsicher sind, wenn gleich sie in einem Apparat mitarbeiten, der im wahrsten Sinne des Wortes gewaltig ist.

Somit ist dieses Praxisgebiet der angewandten Psychologie eines, das es zu beobachten gilt, und nötigenfalls, wie z.Z., muss man es bekämpfen. Allerdings nicht dadurch, dass zu der Präzisionsschleuder in ihrem Counter- Sticker auch noch einen Polizeiknüppel gezeichnet wird! Wenn dann dadurch, dass über ihre Methoden aufgeklärt wird mit dem Ziel, diese Strategie inklusive des WAA-Baus zu durchkreuzen.

Anmerkungen

  1. Aber einen gegenteiligen Beweis gibt es nicht, - einzig einen Nachtrag, von unwesentlicherer Bedeutung: Tierpsychologen beteiligten sich an der Gründung der "Zucht- und Lehranstalt für Polizeihunde", vgl. GEUTER 1984, S.424, vgl. auch S. 245
  2. Brückner übersetzt es mit "Strategie der präventiven Konterrevolution", BRÜCKNER 1979, S.68
  3. vgl. hierzu das Zusammenspiel von CIA und den Landesämtern für Verfassungsschutz, Konkret v. 25.01.85, S.42
  4. vgl. BUCHBENDER / SCHUH 1983, S.13: Strategische Propaganda ist auf eine langfristige Wirkung angelegt. Das Gegenteil wäre taktische Propaganda, die auf kurzfristige Wirkung zielt.
  5. Seine Analogie für die Friedens- und Anti-Kriegsbewegung haben diese Gesprächsangebote in den Deeskalationsgesprächen von Loccum, 1983
  6. Zumal: in jüngster Zeit wurde die Propaganda-Initiative auch noch werbewirksam von Hansjörg Felmy unterstützt. Der ehemalige Tatortkommissar Haverkamp will zwar inhaltlich keine Stellung zur WAA beziehen, wirbt aber gerne für die Kampange "Gewalt? Nein Danke", vgl. "Mittelbayrische Zeitung" v. 23.4.87
  7. Es sei nur bedacht, dass die WAA Atombomben- Plutonium produzieren kann (wird), der Atomwaffensperrvertrag für die BRD bald ausläuft und ausserdem die Atomtechnologie ein Stützpfeiler das industriellen Systems darstellt.

Literatur