Aussageverweigerung
Aussageverweigerung und Verhörmethoden (Teil V)

eine Dokumentation der Roten Hilfe e.V. Erstausgabe 1991

Inhaltsverzeichnis

IV. Diskussionsbeitrag

Aussageverweigerung und Organisierung
Die Diskussion um Aussageverweigerung muß notwendigerweise unterstützt sein von einer Diskussion über die Organisierung, die eigene politische Struktur.
Spätestens nach den Schüsse an der Startbahn und dem darauf folgenden Zusammenbruch des Startbahnwiderstandes ist dieses Problem offensichtlich geworden. Es ist nicht nur der heftigen Repression zuzuschreiben, daß Aussagen gemacht wurden, vielmehr traten die politische Schwäche, die sich in fehlender Struktur und damit fehlendem Bezug zueinander ausdrückten, deutlich zu Tage.
Die Repression hat es geschickt und flexibel verstanden, auf die Verfolgten individuell einzugehen, sie durch das Aufgreifen individueller Angriffspunkte, wie z.B. Kinder, Arbeit, Belastbarkeit ... fertigzumachen. Sie hat sich als beweglich erwiesen - sowohl während der Ermittlungen, als auch im Verfahren jetzt. Dem konnte keine Struktur etwas entgegensetzen, es bot sich das Bild einer heillosen Verwirrung und Vereinzelung der Verfolgten. Eine leistungsfähige Struktur (oder gar, weitergehend, Organisierung) gab und gibt es nicht.
Wir sehen in dieser fehlenden Struktur, die sich unserer Meinung nach um das Auffangen der Folgen, um politische und materielle Solidarität zu kümmern gehabt hätte (die sich auch an ganz praktischen Fragen wie Versorgung der Wohnung, Weiterzahlung der Miete, was die Belastung von der/den Betroffenen nehmen bzw. auffangen muß, zeigt) einen Hauptgrund für Aussagen. Und wir halten diese Folgerung prinzipiell auch für übertragbar auf "kleinere" Prozesse, in denen wir auch immer wieder auf das Problem "Warum machen Leute, die sich als politisch begreifen, trotzdem Aussagen" stoßen - die Antwort liegt zu einem Teil in der Auseinandersetzung um Organisierung. Die Auseinandersetzung um Aussageverweigerung hat einen bestimmenden offensiven Charakter, sie darf nicht defensive, reagierende Maßnahme sein, die erst greift, wenn die Kalke am dampfen ist, vielmehr steht die Diskussion um Aussageverweigerung am Anfang von strukturierter politischer Arbeit und ist als einer ihrer Stützpfeiler zu begreifen.
Auseinandersetzung um Aussageverweigerung fordert somit notwendig, sich in Beziehung zueinander zu setzen, sie muß Klarheit und Verbindlichkeit herstellen. Es ist auch notwendig, sich auf persönlicher, solidarischer Ebene damit auseinanderzusetzen. Die Bereitschaft zu Aussagen ist größer, je distanzierter und unklarer das Verhältnis zueinander ist. Diese subjektive Ebene muß ergänzt sein von einer objektiven, die über eine Einschätzung einer Struktur über ihre praktischen, realen Möglichkeiten entsteht.
Es darf nichts überspielt und verschwiegen werden, als wäre mensch ein ganz ausgebuffter oder cooler als ein Eiswürfel. Spätestens in Verhörsituationen kommt dies auf den Tisch und der Gesangsverein hat ein neues Mitglied. Es geht also darum, daß mensch sich klar mit den eigenen Grenzen befaßt und hierüber auch Bewußtsein in Bezug auf die gesamte Struktur entwickelt wird. Faktisch herrscht hierzu mangelnde Bereitschaft.

Verlangt werden muß eine Debatte über verbindliche organisatorische Strukturen, die vorzugeben, bzw. zu gewährleisten, autonome Zusammenhänge bisher nicht in der Lage gewesen sind. Diese Organisationsstrukturen müssen, um erfolgreich wirken zu können, über den WG-eigenen Küchentisch hinausgehen. In der Konsequenz macht die Erforderlichkeit der konsequenten Aussageverweigerung eine Debatte um verbindlich arbeitende Anti-Repressionsgruppen notwendig. Die Existenz und konkrete Arbeit der RH möchten wir somit in diesen Diskussionsprozeß gestellt sehen.

Keine Aussagen bei Bullen und Staatsanwalt!
Nicht als BeschuldigteR, nicht als ZeugIn

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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 27.6.1997