Aussageverweigerung
Aussageverweigerung und Verhörmethoden (Teil VI)

eine Dokumentation der Roten Hilfe e.V. Erstausgabe 1991

Inhaltsverzeichnis

Anhang - Verhörmethoden

Im folgenden dokumentieren wir einen Auszug aus dem Aufsatz "Kriminaltaktik" von J. Brack und N. Thomas, Boorberg Verlag 1983, S. 156-173: "Taktik, Technik, Fehlerquellen und psychologische Grundlagen der Vernehmung".

Betont wird, daß ein Verhör so oder so eine kommunikative Situation ist, in der die Verhaltensweisen des zu Vernehmenden beobachtet werden und bestimmend für die jeweilige Vernehmungstechnik sind. Diesem Umgang kann mensch sich nicht entziehen, und auch, wenn mensch nichts sagt, nichts annimmt, so liefert er/sie doch damit auch ein Bild von sich, auf das sich die Bullen in der Regel einstellen. Da wo die Leute (im besten Falle) schweigen, ist es daher das Entscheidende für die Bullen, den Beschuldigten zum Reden zu bringen, egal über was. Ist da erstrnal ein Anfang gemacht, der Durchbruch aus Sicht der Bullen geschafft, ist meist nichts mehr zu retten. Von dieser Grundthese gehen die meisten Bullenbücher in Bezug auf politische Verfahren aus. Einerseits kann mensch nicht einfach da sitzen, und das Maul halten, mensch will den Grund der Festnahme erfahren, Anwältlnnen und Angehörige anrufen, benötigt vielleicht einen Arzt ... andererseits sind auch genau dies die Punkte, wo die Bullen ansetzen und eine kornmunikative Situation fördern können, und nur, wenn sie es für günstig erachten, lassen sie dies auch zu, natürlich nicht, weil sie um Deine Rechte besorgt sind. In der Regel hat es sich gezeigt, daß Bullen oft schon in der Wanne, bei Landfriedensbruchdeiikten, den Gefangenen massiv unter Druck setzen und zu einem Eingeständnis bringen wollen - vor weiteren "Zeugen" , und in einer Situation, in der es mensch u.U. sehr beschissen ergehen kann.
Es ist dies eine Situation. in der die Bullen bestimmen, und je nach deren Vorgehen bleibt einem Platz für ein eigenständiges Verhalten. Es empfiehlt sich dringend. jeden Kontakt auf eine ausschließlich formale Ebene zu ziehen. Es ist dies auch immer eine Frage des Tatvorwurfs und des Interesses der Bullen an dem Fall. U.U. kann mensch die Bullen solange nerven, bis sie ein Telefonat mit dem Anwalt erlauben, hingegen wird mensch nach Festnahmen, bei denen z.B. er/sie geschlagen worden ist, alles vermeiden, um zu provozieren. Bei geringeren Vorwürfen wird oft nur gefragt, ob die Tat eingeräumt wird, bei größeren Anlässen verschärft sich dies aber um einiges, und dann hilft nur, das Maul zu halten, zu erkennen zu geben, daß sie mit ihren Methoden nicht durchkommen.
Bei Leuten, die im Knast sitzen, ist die Verhörsituation in der Regel noch einmal erheblich schärfer. Das Gefühl des Ausgeliefertseins, daß sie alles mit Dir machen können, was sie wollen, potenziert sich. Meist wirst Du unverhofft aus der Zelle geholt und den Vernehmungsbullen/Staatsanwalt vorgeführt.
Die bekanntesten und immer noch häufig angewandten Methoden seien hier kurz noch einmal erwähnt. Die Bullen machen einen glauben, sie wüßten eh schon alles, hätten den Steinwurf gefilmt, oder ein Mitgefangener hätte ausgesagt. Das ist ein billiger Trick. Und auch wenn sie Unterschriften deiner Genosslnnen zeigen, du fällst nicht drauf rein.
Oft wird bei Jüngeren noch die Methode harte-weiche Welle angewandt. In dieser Situation kann mensch sich nur klarmachen: es ist eine Methode, wie jede andere auch, es gibt keine Bullen. die irgendein Interesse daran hätten. dir zu helfen.
Aus Gründen der vorbeugenden Selbstzensur müssen wir betonen, daß verbotene Vernehmungsmethoden selbstverständlich nur in amerikanischen Filmen vorkommen, dennoch seien wenigstens einige häufige Tricks aus der Grauzone erwähnt, so wurden im Zusammenhang mit dem Startbahn-West Komplex z.B. ZeugInnen mitten in der Nacht von Bullen geweckt und an der Tür ausgequetscht, oder z.B. vom Staatsanwalt angerufen, sie hätten in zwei Stunden bei ihm zu erscheinen undundund, die Palette des Möglichen ist lang. Natürlich braucht auf derartiges nicht reagiert zu werden.
Eine Möglichkeit. der psychischen Drucksituatiön bei einem Verhör zu begegnen ist, sich die wesentlichen Ziele und Aspekte von Verhören zu vergegenwärtigen, wie u.a.:

Wichtig ist, daß Du die Möglichkeiten, mit denen sie Druck auf Dich ausüben können, so weit wie möglich reduzierst, indem Du im voraus all die Alltagsprobleme, die Dich im Zweifelfall beunruhigen würden, vorher selbst klärst. Welche sich mit Aussageverweigerung und Verhörmethoden auseinandergesetzt haben, haben eine Hilfe, wenn er/sie in die Situation kommt. Es hilft, wenn nichts mehr wirklich überraschen und überrumpeln kann. Trotz der unangenehmen Situation kann das Aneignen von Erfahrungen anderer Sicherheit geben und gegen allerlei Angriffe wappnen.
Zum Schuß geben wir eine Literaturliste. Wir halten es für legitim und in einem bestimmten Maße auch für notwendig, sich mit der Gegenseite zu beschäftigen. Wer ihre Tricks und Methoden kennt und durchschaut, hat zumindestens die Chance, dagegen zu bestehen!

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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 27.6.1997