Aussageverweigerung
Aussageverweigerung und Verhörmethoden (Teil IV)

eine Dokumentation der Roten Hilfe e.V. Erstausgabe 1991

Inhaltsverzeichnis

III. Aussageverweigerung und Knast/Beugehaft

Die Diskussion um Aussageverweigerung fordert eine ständige Thematisierung von Knast/Beugehaft, keinesfalls darf dieser Punkt ausgeklammert und hier eine Trennung gezogen werden.
Angesichts dieses Repressionsmittels wächst bei vielen die Aussagebereitschaft.Die fehlende Thematisierung weist auch auf den Punkt Aussageverweigerung und Organisierung hin, eine Einschätzung der eigenen Struktur hat meist nicht stattgefunden, drum wird auch die Bedrohung mit Knast individualisiert: Lieber ein paar Jahre in den sicheren Knast, als sich in der Illegalität auf die eigenen, unsicheren Strukturen draußen verlassen... (nach "Swing" , 9/10. 1989) Die Beugehaft (die sich nur auf Zeuginnen bezieht) steht am Ende einer Reihe von Möglichkeiten der Repression. die Aussageverweigernde zunächst mit Geldstrafen bedrohen kann. Nichtsdestotrotz ist sie ein brennpunktartiger Ausschnitt, der die reale Gefahr Knast drastisch vor Augen führt. Die Situation für den Zeugen, als auch für den Beschuldigten ist in Bezug auf den Knast generell dieselbe. Die Beugehaft dient zur Erpressung einer Aussage, Benennung von "Tätern" . Die persönlichen Folgen der Beugehaft sind eklatant. Neben dem möglichen Verlust des Arbeitsplatzes, der Wohnung, der Beziehungen (und auch des Anspruches auf Arbeitslosengeldl) kommen dazu die Sorgen um Kinder und die Anhäufung von Schulden. Beugehaft ist Zivilstrafe und muß grundsätzlich selbst bezahlt werden! (Tagessatz a´ 40 DM)
Abstrakt gesagt, hat die Bedrohung des Beschuldigten mit Knast eine ähnliche Funktion. Knast wird eben nicht nur als Sanktion eingesetzt, sondern auch als Erpressungmittel, die Bedrohung Knast soll den Beschuldigten zur Kooperation zwingen, diese ihm gleichsam als günstigere Alternative erscheinen.
Es herrscht Berührungs- bzw. Auseinandersetzungsangst bezüglich Beugehaft, die Ausdruck einer allgemeinen Verunsicherung ist, die z.B seinerzeits in Bochum nach den ersten Beugehaftbeschlüssen einsetzte. Die Überzeugung der Aussageverweigerung als sicherste Verhaltensweise gegenüber Bullen, Staatsanwalt, Staatsschutz etc. wird dabei nicht generell in Zweifel gezogen - nur wird Beugehaft und Aussageverweigerung getrennt behandelt, und, wenn überhaupt. im Bereich des Individuellen thematisiert. Die Debatten kreisen vordergründig um den Punkt: das Absitzen der Beugehaft ist ein zu hoher Preis für die Aussageverweigerung.
Es wird ein Weg zwischen Aussage und Knast gesucht, orientiert wird sich dabei an den persönlichen Folgen. Die politische Konsequenz oder Funktion von Aussageverweigerung wird dabei übergangen.
Das Standhalten, bzw. Nachgeben gegenüber Knast/Beugehaft werden zum persönlichen Problem, mit dem sich die Betroffenen herumzuschlagen haben, was der politischen Notwendigkeit der Aussageverweigerung eklatant widerspricht.
Fatal - aber auch bezeichnend - ist die Tatsache, daß die Auseinandersetzung um die Beugehaft dann beginnt, wenn Beugehaftbeschlüsse vorliegen - um zu versiegen, wenn die Leute wieder aus dem Knast sind, was doch ein Ausdruck einer Hilflosigkeit ist.
Das Wissen um die eigene Erpressbarkeit, die Angst vor Knast und den Folge, sowie die politische Schwäche, sind für viele Richtlinie ihres Handelns, was zum wiederholten Male auf das Kernproblem Organisierung stößt. Aus unsicherer Haltung heraus wird der Zweifel an die grundsätzliche politische Funktion der Aussageverweigerung sichtbar. Taktisches Kalkül tritt an die Stelle einer konsequenten Aussageverweigerung.
Da, wo es mehrere Vorladungen gab, ist eine gemeinsame Vorbereitung noch notwendiger. Diese erfordert entsprechende Bereitschaft, sich mit den eigenen Schwächen, sowie auch mit den direkt Verfolgten zu konfrontieren und darüberhinaus die Bestimmung einer inhaltlichen politischen Position. Es ist wichtig, eine gemeinsame Plattform zu schaffen, aus der sich als logische Folge kollektive Aussageverweigerung ergibt. Die Auseinandersetzung um Knast, persönliche Situation (auch emotionale) und um das Machbare ist auch hier vonnöten "um die Lücke zwischen abstrakter politischer Bestimmung und persönlicher Konsequenz zu schließen.... "(Zitat "Auf-Ruhr").
Es ist unwahrscheinlich, ein kollektives Vorgehen in allen Details zu praktizieren. Es läßt sich nicht alles "trainieren" und vorausbestimmen, der Druck auf die Einzelnen bezüglich der Beugehaft ist unterschiedlich. Deshalb erscheint uns also als außerordentlich wichtig eine gemeinsame inhaltliche politische Bestimmung. Sie erfordert von allen ein demgemäßes Verhalten und, daß nicht alles auf die Betroffenen abgeladen wird, diesen mit falscher, nur fordernder und nehmenden Solidarität der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 27.6.1997