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Die Gentechnik und die PDS/LL

Im Oktober 2000 wurde ein Antrag von Anne Mühlhäuser und Sabine Seeliger (beide FGL) im Konstanzer Gemeinderat beraten und abgelehnt, nach dem auf städtischen Konstanzer Rasenflächen kein gentechnisch verändertes Gras gesät werden sollte.

Im Vorfeld dieser Beratung entstand auf der Sitzung der PDS/LL am 23. Oktober eine heftige Auseinandersetzung zwischen Andreas Schack und Michael Venedey. Michael Venedey kündigte in der Sitzung an, gegen den Antrag der beiden Grünen stimmen zu wollen. Er begründete dieses Vorhaben damit, dass er eine Chance sehe, mit Hilfe der Gentechnologie den Hunger in der sog. Dritten Welt zu bekämpfen. Insbesondere hob er dabei auf eine angebliche "Überbevölkerung" in der Ländern der sog. Dritten Welt ab und stellte Überlegungen zum Gebärverhalten europäischer und afrikanischer Frauen an.

Diese Argumentationsweise entrüstete Andreas Schack: Der Begriff "Überbevölkerung" dient dazu, die Akzeptanz dafür zu schaffen, dass ein Teil der Weltbevölkerung für eine (Welt-)Gemeinschaft als überflüssig anzusehen sei. Grundlegend für dieses Denken ist auch die faschistische Ideologie der (Volks-)Gemeinschaft, in der es wertvolle und schädliche Teile gebe. Sehr typisch ist dabei, dass die Argumentation immer wieder Geburtsstatistiken heranzieht, und damit zum einen rassistische mit sexistischen Mustern kombiniert und zum anderen direkt ein wichtiges Werkzeug der Bevölkerungspolitik legitimiert: die massenhafte Sterilisierung von Frauen in der sog. Dritten Welt.
Selbstverständlich ist außerdem eine neue Technologie wie die Gentechnologie kein Mittel, um die Verteilungsfrage zu lösen, die der "Hunger in der Welt" darstellt. Dies hat schon, am gleichen Problem, die sog. "Grüne Revolution" gezeigt, in der die Bauern der sog. Dritten Welt durch hybrides Saatgut von den Agrokonzernen abhängig gemacht wurden, und die Hungerkatastrophe verschärft wurde.

Andreas Schack wies auf solche Zusammenhänge hin, und verlies, nachdem mit dem Ziel, die Wogen zu glätten, ein Ende der Debatte beschlossen wurde, unter Protest die Sitzung der PDS/LL. Seither hat er jegliche Mitarbeit in der PDS/LL eingestellt. In der PDS/LL stand Michael Venedey allerdings mit seiner Ansicht allein und wurde aufgefordert, sich in dieser Frage wenigstens der Stimme zu enthalten.

Dennoch stimmte Michael Venedey in der folgenden Ratsitzung mit der gleichen Begründung des Welthungers gegen den Antrag der Freien Grünen Liste und distanzierte sich ausdrücklich von der übrigen PDS/LL. Obwohl er also mehrmals betonte, seine eigene Meinung und ausdrücklich nicht die der PDS/LL wiederzugeben, unterschlug der Südkurier dies in seiner Berichterstattung zu der Sitzung.

Daher veröffentlichte die PDS/LL am 2. November eine Pressemitteilung, in der sie die unterschiedlichen Standpunkte innerhalb der Gruppe in dieser Frage deutlich machte. Tobias Engelsing nahm diese Klarstellung allerdings lediglich zum Anlass, sich in seiner samstäglichen Glosse im Südkurier über die PDS/LL lustig zu machen.

Die Debatte zwischen Michael Venedey und Andreas Schack sollte inhaltlich im Seeblättle weitergeführt werden. Beide verfassten allerdings keine Beiträge über Gentechnik, sondern Andreas Schack begründete mit einem Artikel Konstanz über alles sein Verhalten, seine Kritik an Michael Venedey und der PDS/LL sowie seinen Abschied aus der Konstanzer Kommunalpolitik. Die PDS/LL weigerte sich diesen Text im Seeblättle zu veröfffentlichen. Michael Venedey erörterte in einem Artikel Vorbemerkungen zur linken Debattenkultur linke Denkverbote, gegen die er sich auch in der Gentechnik-Debatte wehren wolle.

Auf einer Strategiedebatte der PDS/LL Anfang Dezember, die von der Auseinandersetzung zwischen Andreas Schack und nunmehr der PDS/LL bestritten wurde, erklärte Andreas Schack seinen Austritt aus der PDS/LL und der Basisorganisation der PDS Konstanz, will aber weiterhin als PDS Mitglied politisch tätig sein. Die Gentechnik Debatte soll im nächsten Seeblättle wieder aufgenommen werden.

Christof Mainberger


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linksrheincm11.01.2001