Ein Auszug aus - kassiber 33 - November 97

"Innere Sicherheit"

Von New York lernen, heißt siegen lernen? (Teil III)

(ungekürzte Fassung)

Teil I
Teil II


Kurzer Prozeß

Ganz in Webers Sinn ist, daß auch in Bremen jetzt vermehrt kurzer Prozeß mit nicht 'ortsansässigen' bzw. 'seßhaften' StraftäterInnen gemacht werden soll. Grundlage ist das in dem neuen § 127 b des Strafgesetzbuches (StGB) vorgesehene beschleunigte Verfahren. Die von der Polizei Festgenommenen werden dazu in die sog. Hauptverhandlungshaft genommen, die sicherstellen solle, daß die Angeklagten in der Hauptverhandlung vor Gericht erscheinen und sich nicht aus dem Staub gemacht hätten. Gemeint sind natürlich vor allem "kriminelle Ausländer", die scharenweise, wie uns die rassistische Propaganda der GesetzesinitiatorInnen weißmachen will, insbesondere aus Osteuropa mit dem alleinigen Ziel in die BRD einreisen würden, den hiesigen Einzelhandel und andere Branchen im Standort Deutschland zu berauben - und danach wieder die Flucht in die sicheren heimischen Gefilde antreten würden. Der Haftgrund "Fluchtgefahr" scheidet aber für Beschuldigte mit festem Wohnsitz aus, denn in den beschleunigten Verfahren werden nur Delikte mit einem Strafmaß bis zu einem Jahr Haft verhandelt.

SPD und CDU hatten die Anwendung des § 127 b StGB in Bremen vehement gefordert. In einem Antrag der CDU-Bürgerschaftsfraktion zur "Inneren Sicherheit" wurde der Senat Anfang September nicht nur aufgefordert, "dafür zu sorgen, daß von der jüngst geschaffenen Möglichkeit zur Hauptverhandlunghaft Gebrauch gemacht wird", die ChristdemokratInnen verlangten außerdem die "konsequente Abschiebung ausländischer Gewalttäter und ausländischer Intensivtäter" sowie die Wiedereinführung der Unterbringung krimineller Jugendlicher in geschlossenen Heimen. Der justizpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Horst Isola, hatte behauptet, die beschleunigten Verfahren dienten der "nachhaltigen Kriminalitätsbekämpfung und Abschreckung zur Begehung weiterer Straftaten": "Für durchreisende Täter und solche ohne festen Wohnsitz wird damit das Risiko der Bestrafung deutlich erhöht."

Die neue Regelung ist in Bremen am 1. Oktober in Kraft getreten. Polizei und Justiz wollen sie nach eigenen Angaben umfangreich nutzen, um Beschuldigte möglichst noch am gleichen Tag - auch am Wochenende - abzuurteilen. Beim Amtsgericht Bremen wurde dafür ein Wochenenddienst, bestehend aus zwei StrafrichterInnen und einer Staatsanwältin, organisiert. Während der Präsident des Amtsgerichts, Rüdiger Tönnies, allerdings nicht nur behauptet, daß es sich dabei "um ordnungsgemäße Hauptverhandlungen" handelt, zumal die Betroffenen auch sonnabends und sonntags über den Anwalts-Notdienst VerteidigerInnen bekommen könnten, hält der Bremische Anwaltsverein - wie der Deutsche Anwaltsverein und die Bundesrechtsanwaltskammer - an seiner Kritik an den kurzen Prozessen fest. Die schränkten nämlich auch die Möglichkeiten der Verteidigung, u.a. die Akteneinsicht, drastisch ein. Deshalb werde der vom Bremischen Anwaltsverein organisierte Anwalts-Notdienst die Wochenendverfahren auch nicht mitmachen. Nach Angaben des Justiz-Staatsrates Ulrich Mäurer könnten etwa 15 Prozent der Strafsachen in diesen beschleunigten Verfahren verhandelt werden. Bisher vergingen zwischen Eingang einer Klage und der Hauptverhandlung durchschnittlich viereinhalb Monate, was "viel zu lange" sei. Das Strafrecht müsse "zeitnah" gestaltet werden.

Während Polizeipräsident Rolf Lüken auf der gleichen Pressekonferenz nicht bestätigen mag, daß beschleunigte Verfahren auch zur Aburteilung der nicht nur in seiner Behörde gemeinhin "Dealer" genannten DrogengebraucherInnen taugen - weil die eben in der Regel einen festen Wohnsitz haben -, verkündet Innensenator Borttscheller zwei Tage später in der Fragestunde der Bürgerschaft (Landtag), daß Polizei und Staatsanwaltschaft sich darauf konzentrierten, diese "Dealer" "schnell vor Gericht zu bringen und vor Gericht die Gewerbsmäßigkeit des Drogenhandels nachzuweisen".


"Aktion Saubere Stadt"

Am "New Yorker Modell" orientiert ist auch die am 22. Juli vom Senat beschlossene sog. Aktion Saubere Stadt. Deren Ziel sei, vor allem die Innenstadt von allem Unrat, der dort nicht hingehöre, zu säubern. Während Innensenator Borttscheller für die Beseitigung von Flüchtlingen, Junkies und Obdachlosen zuständig bleibt, darf Bausenator Bernt Schulte (CDU), die bisher schon angelaufenen Maßnahmen für das auch in anderen deutschen Großstädten schwer in Mode gekommene Projekt "Saubere Stadt" - offizieller Starttermin: 1. Januar 1998 - der Öffentlichkeit vorstellen.

Besonders am Herzen liege dem Senat das "Ärgernis Graffiti". Diese "Schmierereien", die von "Übeltätern" würden, sollen unter Führung der Brehoch - das ehemalige Hochbauamt - von einer Oldenburger Firma entfernt werden. Der Startschuß wurde am 8. September im Brilltunnel gegeben, auf der Liste stehen zunächst die künftige Amüsiermeile Schlachte, die Bürgerweide, das Gerichtsgebäude, das Haus der Bürgerschaft, die Lärmschutzwände an der A 1 und B 75 sowie einige Schulzentren. Die an öffentlichen Gebäuden zu reinigenden Flächen von insgesamt rund 10.000 Quadratmetern, würden danach speziell imprägniert werden, um künftige Graffiti leichter entfernen zu können.

Borttscheller hatte bereits am 8. Juli die Einrichtung einer Ermittlungsgruppe Graffiti bekanntgegeben, die Anfang August ihre Arbeit aufnahm. Borttscheller: "Die Verunstaltung dieser Stadt durch Graffiti hat inzwischen Ausmaße angenommen, die wir nicht länger tolerieren können." Denn - auch er hat sein Verslein in New York gelernt - Untersuchungen hätten ergeben, daß das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung stärker durch Vandalismus und Sachbeschädigung beeinträchtigt werde als durch Raubüberfälle oder Wohnungseinbrüche.

Der aus acht Beamten zusammengesetzten Einheit sollen die seit dem vergangenen Jahr in Bremerhavenen gemachten Erfahrungen zugute kommen. In der Seestadt hatte die dortige Sonderkommission "Soko Graff" nach mehrmonatiger Arbeit die Szene im Frühjahr für besiegt erklärt: Fast alle 1.453 Fälle seien aufgeklärt worden, gegen 106 Tatverdächtige werde ermittelt. Zehn Haupttäter hätten mit hohen Schadensersatzforderungen zu rechnen.

Indes ist dieser Aufgabenbereich polizeilicherseits wenig geeignet, zu Ruhm und Ehre zu kommen: Zum einen, weil die Sprühdosen-Aktivisten überall ihr tag als Unterschrift hinterlassen - die Beweisführung also nicht allzu schwierig ist. Zumal die Jungs jegliche Klandestinität vermissen lassen. In Bremerhaven lichteten sie sich vor besonders gelungenen pieces incl. tag ab - die Fotos wurden bei Hausdurchsuchungen gefunden und entsprechende Zuordnungen bildeten keine Schwierigkeit. Oldenburger Sprayer nahmen sich bei der Arbeit auf Video auf, auch dieses Band befindet sich in der polizeilichen Asservatenkammer. Darüber hinaus sind viele der jungen Sprayer gegenüber den Bütteln zu fast jeder Aussage bereit: Den meisten, darauf deuten Berichte aus vielen Städten hin, kam die Polizei aufgrund belastender Aussagen vorläufig Festgenommener auf die Schliche. Zum anderen sind die Kinder und Jugendlichen im Alter von 12 bis 24 Jahren, das muß auch Kriminaloberkommissar Klaus Hemmerling zugestehen, keine Kriminellen im eigentliche Sinne. Deshalb zeigen sie bzw. ihre Eltern sich für Schadensersatzforderungen in Höhe von einigen zehntausend Mark sehr empfänglich. Aber, so Hemmerling: "Das beste wäre, wenn die erwischten Täter ihr Zukunft nicht mit Schulden von mehreren tausen Mark begännen, sondern die verschmierten Häuserwände selber wieder streichen würden." Ziel der Ermittlungsgruppe sei auch nicht - das wird der Senator gar nicht gerne hören - die Zerschlagung der Szene. Denn wenn den Jugendlichen keine Alternativen geboten würden, suchte die sich bald andere Betätigungsfelder.

Auch illegales Plakatieren soll zukünftig in Bremen unterbunden werden. Bereits seit zweieinhalb Jahren vermietet die Stadt Kultur GmbH, eine Tochter der Deutschen Städtereklame (DSR), zuvor allgemein genutzte Flächen unter den stadteigenen Eisenbahnbrücken gegen Bezahlung. Nun hat Bremen, wie zuvor sechs andere deutsche Großstädte, einen Vertrag mit der DSR geschlossen, durch den der "Wildanschlag" in der ganzen Stadt verhindert werden soll. Rund 1.000 Schaltkästen, Bauzäune und andere Flächen sollen künftig durch die DSR und die Stadtwerke, BSAG, Bremer Kommunikationstechnik sowie die privaten Baufirmen "bewirtschaftet" werden. Und zwar unter dem Motto "ein Drittel nutzen, zwei Drittel putzen". Soll heißen, daß auf einem Drittel der Flächen - gegen Gebühr - plakatiert werden kann, die restlichen zwei Drittel werden durch eine Reinigungstruppe vom 15 Leuten sauber gehalten.

Das dürfte hauptsächlich zu Lasten nicht- oder halbkommerzieller VeranstalterInnen gehen, die sich die Kosten zwischen 30 und 50 Pfennigen pro Tag und Plakat an Mauern, Bauzäunen oder unter Brücken kaum leisten können (und wollen). Und schon gar nicht Gebühren von einer Mark bis 1,50 Mark täglich, um in einem der jetzt schon über 100 an Schaltkästen hängenden Aluminiumrahmen (DIN A1) für Konzerte, Parties o.ä. zu werben. Abzuwarten bleibt, wie das Plakatierverbot umgesetzt werden soll. Im Gegensatz zu früheren Jahren haben die Bremer Büttel in letzter Zeit - bis auf Ausnahmen - kaum Ambitionen gezeigt, sich mit dem "wilden Plakatieren" abzumühen. Vielleicht greift man ja auf einer im Mai von der Stadt Wilhelmshaven beschlossene Maßnahme zurück. Dort kann sich jede, die einen Plakatierer (oder Sprayer) denunziert, sich ein Kopfgeld von 500 Mark verdienen. Daß die 15 DSR-Putzteufel in der Lage sein sollten, die selbst nach DSR-Schätzungen 20.000 bis 30.000 täglich in Bremen hängenden Plakate zu beseitigen, dürfte jedenfalls bezweifelt werden.


Arbeitsdienst

Während die Beseitigung illegal geklebter Plakate durch eine privatwirtschaftliche Firma erledigt wird, soll die Umsetzung des Hauptprojektes "Saubere Stadt" durch einen - nicht anders zu nennenden - Arbeitsdienst gewährleistet werden. Das gehe auch nicht anders, denn die Stadt sei, so Bausenator Schulte in der Bürgerschaftsdebatte am 7. Oktober, in einem "bejammernswerten Zustand". Widerspruch - auch außerparlamentarisch ist er kaum zu vernehmen - gab es nur durch den bündnisgrünen Abgeordenten Klaus Möhle, der dazu aufforderte, sich über "das bißchen Gekritzel" nicht aufzuregen, denn "die Stadt ist kein Dreckloch". Und während die Parteien der Großen Koalition und die AFB das Projekt weiter forcieren wollen und lediglich monierten, daß der Senat ein detailliertes Konzept schon vor der parlamentarischen Sommerpause vorlegen wollte - dies soll jetzt bis Anfang November geschehen -, gab es nur von Möhle den Einwand, daß "Sozialhilfeempfänger Blechdosen aufsammeln [zu] lassen" "unmenschlich" sei.

Die Stadt, insbesondere das touristischen Zentrums, die City, "sauberer" und "schöner" zu machen, bedarf nämlich eines größeren personellen Aufwands. Außerdem soll ein "grüner Boulevard" mit zusätzlichen Pflanzen und Bäumen zwischen Bürgerpark und Schlachte entstehen, dessen Straßen und Wege natürlich öfter als bisher gesäubert werden müßten. Entsprechendes gelte für die Wallanlagen sowie die Einkaufsstraßen der Innenstadt. Da der Senat für diese Vorhaben incl. Graffiti-Entfernung für die Jahre 1998-2000 aber 'nur' neun Millionen Mark in den Stadtreparaturfonds eingestellt hat, kann sich jede/r selbst ausrechnen, daß das kaum mit tariflich bezahlten Arbeitskräften zu gewährleisten sein wird. Abhilfe schaffen soll da ein seit der letzten Sozialhilfegesetz-Novelle möglicher groß angelegter Arbeitsdienst.

Diese Änderung des Sozialhilferechts ist ein Ergebnis der "Sozialmißbrauchs"-Kampagnen der letzten Jahre. Potentielle SchmarotzerInnen - und als die gelten den WortführerInnen der Kampagne aus CDU/CSU, SPD und FDP eigentlich alle EmpfängerInnen von Sozialhilfe - können von Städten und Gemeinden zur Annahme "angebotener" Arbeit gezwungen werden. So sei man dann in der Lage die Spreu vom Weizen zu trennen, denn wer nicht arbeiten, sondern nur Staatsknete abzocken wolle, werde nunmehr abgeschreckt.

Indes beklagten mehrere PolitikerInnen im August, daß nur wenige Kommunen von der Zwangsarbeit Gebrauch machten. So hätten sie nach Meinung des wirtschaftspolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Paul Friedhoff, das geltende Recht "sträflich vernachlässigt. Das hat zu dramatisch hohen, vermeidbaren Kosten geführt." Friedhelm Ost (CDU), Vorsitzender des Bundestagswirtschaftsausschusses: "Wir können es der Allgemeinheit nicht mehr zumuten, für Leute zu bezahlen, die durchaus selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können." Und Städtebund-Präsident Gottfried Benrath (SPD) forderte "alle Städte und Gemeinde auf, jedem Sozialhilfeempfänger, der dazu in der Lage ist, eine Arbeit anzubieten. Bei Ablehnung wird die Sozialhilfe gesenkt und im Wiederholungsfall ganz gestrichen."

Wie man es 'besser' machen könnte, exerziert die Stadt Leipzig mit einem in dieser Größenordnung in Deutschland allerdings einmaligen Projekt vor. 4.500 "arbeitsfähige" Männer und Frauen werden dort von der Gesellschaft für Beschäftigungsförderung verwaltet. Der Eigenbetrieb der Stadt, der nur öffentliche Aufträge erledigen darf, beschäftigt die SozialhilfeempfängerInnen bei allerlei mehr oder minder sinnvollen Tätigkeiten, die sich allerdings nicht nur auf die Pflege städtischer Grünanlagen bzw. die Straßenreinigung beschränken. Künftig soll das Programm sogar noch ausgeweitet werden. Dann müssen auch Alleinerziehende mit Kindern unter 16 Jahren zum Arbeitsdienst antreten. Angesichts der Tatsache, daß dies in Leipzig auf fast die Hälfte der 7.000 Sozialhilfe empfangenden Familien und Einzelpersonen zutrifft, wird mit 2.000 bis 3.000 weiteren 'MitarbeiterInnen' gerechnet.

Derzeit "bieten" die Kommunen den 675.000 als arbeitsfähig definierten SozialhilfeempfängerInnen - zumeist langjährige, "schwer vermittelbare" Arbeitlose - bereits 200.000 Beschäftigungsmöglichkeiten (einschließlich der BSHG 19-Stellen) an. Mehr "Hilfe zur Arbeit", wie es im Gesetzestext heißt, sei nach Angaben des Geschäftsführers des Deutschen Städtetages, Jochen Diekmann, aber nicht drin, sondern würde die organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten der Sozialämter völlig überfordern. Die zwei Mark (!) sog. Prämie, die SozialhilfeempfängerInnen pro Stunde Zwangsarbeit erhalten, müssen nämlich wie die Sozialhilfe von den - kommunalen - Sozialämtern bezahlt werden. Dies ändert sich erst nach einem Jahr - dann läuft in der Regel auch die Arbeitsverplichtung aus -, wenn die Betroffenen wieder Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und zum "Fall" für das Arbeitsamt werden.

Den organisatorischen Schwierigkeiten, die gerade auch darin bestehen, daß Politik und Verwaltung bisher kaum wußten, womit sie die zur Arbeit verpflichteten Männer und Frauen beschäftigen sollen, abzuhelfen, kommt die aktuelle Kampagne "Saubere Stadt" natürlich gerade recht. Denn die offeriert ein geradezu uferloses Reservoir an Beschäftigungsmöglichkeiten.

So kritisierte Bremens CDU-Fraktionsvorsitzender Neumeyer - wie zuvor schon der SPD-Fraktionschef Weber - den Senatsbeschluß zur Aktion Saubere Stadt einen Tag später als unzureichend. Statt mit den vorgesehen neun Millionen Mark u.a. auch ABM-Kräfte zu bezahlen - und damit Kosten aus anderen Senatsressorts umzuschichten, sollte das Geld dazu genutzt werden, die Grünanlagen und das Stadtbild zu pflegen. Und statt teure ABM-Stellen einzurichten oder auf professionelle Putzkolonnen zu setzen, sollten Bremens SozialhilfeempfängerInnen auf "freiwilliger Basis motiviert" werden. Hätte dies keinen Erfolg, sollte man "die Instrumente des Sozialressorts" nutzen, und möglichst viele dieser Männer und Frauen zur Arbeit verpflichten. Denn es sei "nicht einzusehen, daß insbesondere arbeitsfähige junge Menschen ohne Beschäftigung gelangweilt herumhängen, anstatt einen Beitrag für die Allgemeinheit zu leisten". Die Prämien für diese Leute könnten aus den neun Millionen Mark bezahlt werden, 'hoch bezahlte' ABM-Kräfte dürften allenfalls als AnleiterInnen beschäftigt werden.

Das hat am 28. Oktober auch Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD) eingesehen. Wie in Bremerhaven, wo es den Arbeitsdienst bereits seit einigen Monaten gibt, sollen jetzt auch in Bremen SozialhilfeempfängerInnen verpflichtet werden. Ab dem 1. Januar 1998 werde all denjenigen, die Sozialhilfe beantragen und unter 27 Jahren sowie arbeitsfähig seien, Arbeit "angeboten". Wischer: "Unser Angebot lautet: Du kannst sechs Monate Prämienarbeit leisten und dann bekommst du einen BSHG-19-Vertrag für ein Jahr." Wer sich dem Arbeitsdienst verweigere, habe mit Sozialhilfekürzung bzw. -streichung zu rechnen. Die Neuregelung betrifft, so Wischer, in der Stadt Bremen voraussichtlich 30 Männer und Frauen durchschnittlich pro Monat, im Jahr rund 300 bis 500. Die Zahl der BSHG-19-Stellen, bei denen die Beschäftigten statt der Sozialhilfe 80 Prozent des ortsüblichen Einkommens vom Sozialamt erhalten, solle mittelfristig auf 2.000 verdoppelt werden.

Inwieweit auch diejenigen, die bisher schon Sozialhilfe beziehen, in unqualifizierte "Prämienarbeit" gezwungen werden sollen, darüber sagt Wischer "Werkstattentwurf" - die Werkstatt Bremen vergibt die hiesigen BSHG-19-Stellen - nichts. Ein weites Feld also für die Diskussionen der kommenden Wochen, leben doch immerhin 6.197 BremerInnen ausschließlich von der Sozialhilfe, außerdem beziehen 5.080 Männer und Frauen ergänzende Sozialleistungen zusätzlich zu anderen Einkünften (Stand Dezember 1996) - dazu kommen noch etwa 30.000 Familienangehörige.


Willi Leow


Quellen:


Teil I
Teil II


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kombo(p) - 16.11.1997