Ein Auszug aus - kassiber 33 - November 97

"Innere Sicherheit"

Von New York lernen, heißt siegen lernen? (Teil II)

(ungekürzte Fassung)

Teil I
Teil III


New York, New York

Broken windows war und ist für den New Yorker Bürgermeister Giuliani und seinen (ehemaligen) Polizeichef Programm. Hier wird das, was Kelling für Newark beschrieb, in großem Maßstab durchexerziert - Giuliani hat dazu in den letzten Jahren mehrere tausen Cops zusätzlich eingestellt. Den jetzt 38.000 PolizistInnen - eine/r für weniger als 200 EinwohnerInnen - erscheint denn auch (fast) alles und jede/r als verdächtig.

Die meisten polizeilich erfaßten "Taten" sind aber lediglich Ordnungswidrigkeiten und Vergehen, die die Polizei allerdings berechtigen, die Personalien des Täters festzustellen. Ist die Identität festgestellt, wird überprüft, ob etwas gegen ihn vorliegt. Kann er sich nicht ausweisen, wird er mit auf die Wache genommen und dort von einem speziell geschulten Detektiv verhört. Bei diesem debriefing geht es aber nicht nur um seine eigenen Taten, sondern auch um Aussagen gegen andere, die damit nichts zu tun haben, darum, wo und von wem man Waffen, Drogen oder Hehlerware bekommen könnte usw. Dann werden die Betroffenen erkennungsdienstlich behandelt. Gerade quality of life crimes - Graffitis sprühen, Betteln, Falschparken, in die Ecke pinkeln, offen aus der Bierdose trinken, Schwarzfahren oder gar in der (evtl. halbleeren) U-Bahn zwei Sitzpätze zu belegen - knallhart zu verfolgen, hätte dazu beigetragen, die Kriminalitätsangst der BürgerInnen zu senken, das Vertrauen in die Polizei und die Kooperationsbereitschaft mit ihr zu erhöhen.

Howard Safirs, seit April 1996 Nachfolger Brattons, erklärt das Prinzip folgendermaßen: "Je mehr wir verhaften, desto weniger Verbrechen werden verübt." Die New Yorker Polizei hat im Jahr etwa eine Million "Kontakte" zu den BürgerInnen und verhaftet dabei inzwischen fast 400.000 Jugendliche, Männer und Frauen. Der Staat New York hat in den letzten zehn Jahren 18 neue Gefängnisse eröffnet, die Zahl der Gefangenen hat sich im gleichen Zeitraum verdoppelt. In den USA sitzt inzwischen jede/r 160. BürgerIn rechtskräftig verurteilt im Knast - unzählige weitere befinden in Untersuchungshaft. Allein fünf Millionen Menschen - zwei Prozent der Bevölkerung - sitzen täglich im Gewahrsam.

Doch StraftäterInnen werden nicht nur eingesperrt, daß "New Yorker Modell" steht auch für die Einführung umfangreicher Arbeitsdienste. Das gilt zum einen für einige zehntausend SozialhilfeempfängerInnen, die dazu eingesetzt werden, die Stadt zu reinigen. Zum anderen werden Männer und Frauen dazu gezwungen, die von ihnen angerichteten Schäden möglichst schnell wieder zu beseitigen. Erprobt wird dies seit knapp vier Jahren z.B. an der 54. Straße: Das Midtown Community Court verurteilt als eine Art "Nachbarschaftsgericht" für kleinere Straftaten die DelinquentInnen in der Regel nicht zu Geld- oder Haftstrafen, sondern zum "Dienst an der Gemeinschaft". Die meisten Verurteilten, 25.000 Fälle wurden bisher verhandelt, wurden - möglichst noch am gleichen Tag - zum Arbeitsdienst eingeteilt. Sie mußten dann, bekleidet mit weithin sichtbaren blauen Overalls und Leuchtwesten mit der Aufschrift "Midtown Community Court" ebenfalls Straßen und Parks reinigen oder Graffitis beseitigen.

Die von der Polizei durch das oben beschriebene Vorgehen gewonnenen Daten werden seit 1994 im Compstat-System erfaßt. Die riesige Datenbank, laut New York Times "wahrscheinlich das mächtigste Kontrollinstrument, das je für die Polizei erfunden worden ist", wird in kurzen Abständen regelmäßig u.a. nach der Kriminalitätsentwicklung in den einzelnen Bezirken der Stadt ausgewertet. Die Führungsetagen des Polizeipräsidiums und der Reviere wurden nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten umgekrempelt, die precinct-Kommandeure sind für die Effizienz ihrer Leute verantwortlich und werden regelmäßig zum Rapport bestellt, wo die Kriminalitätsstatistiken auf der Tagesordnung stehen. Safir weiß stolz zu berichten, daß er seit Amtsantritt 54 der 76 Bezirkschefs, die nicht effektiv arbeiteten, gefeuert oder versetzt hat.

Doch nicht nur innerhalb der Polizei wird massiv gemobbt. So ist die Zahl der Übergriffe durch PolizistInnen massiv gestiegen - das drückt sich u.a. in den diesbezüglich seit 1993 um 56 Prozent gestiegenen Beschwerden gegen die Polizei aus. Dies ist eine durchaus gewollte Entwicklung. Die New Yorker Polizeiführung hat die Verfolgung der Übergriffe gegen die Bevölkerung explizit gelockert. Den PolizistInnen auf der Straße wurde ausdrücklich zu verstehen gegeben, daß sie sich bei der Arbeit nicht durch kleinliche Vorschriften behindert fühlen sollten - sowohl der Polizeipräsident als auch der Bürgermeister stünden hinter ihnen.

Während der Obrigkeitsstaat die Befugnisse seiner Büttel verbesserte, wurden die Bürger- und Freiheitsrechte derjenigen, die von der Norm abweichen, deutlich eingeschränkt. Doch das geschehe alles für die gute Sache, eben die Kriminalität zu bekämpfen. Daß es aber kaum einen Zusammenhang zwischen Kriminalitätsrückgang und der Politik der Herren Giuliani, Bratton bzw. Safir gibt, wagt dort - angesichts wirksam inszenierter 'Erfolge' - kaum jemand zu behaupten. Dabei deutet alles darauf hin, daß die geringere Kriminalität vor allem mit der seit 1990 andauernden Konjunktur der US-amerikanischen Wirtschaft und ihrem "Jobwunder" zu tun hat: Seither sinkt die Zahl der Straftaten stetig. Eine Entwicklung, die also drei Jahre vor dem Wahlsieg des Bürgermeisters Giuliani einsetzte.


"Kriminalitätsangst"

Diese sich immer wieder auf "Alltagserfahrungen", "Beobachtungen" und "Befragungen" stützenden Theorien der new realists als faschistoides Gequatsche abzutun, hieße es sich zu leicht zu machen, berufen sich auf Wilson und Kelling doch nicht nur die New Yorker PolizeistrategInnen, sondern eben auch immer mehr der hiesigen. Ein Kernpunkt ist dabei die sog. Kriminalitätsangst (bzw. Kriminalitätsfurcht), die wie die Kriminalität angeblich stetig weiter wachse.

Nach Umfragen verschiedener Forschungsinstitute steigerte sich die Kriminalitätsangst in der BRD von etwa 43 Prozent (1960) auf den den bisher höchsten Wert von 51 Prozent im Jahre 1975. Danach nahm sie bis 1990 kontinuierlich auf 31 Prozent ab, um dann bis 1993 wieder auf etwa 36 Prozent - auf das Niveau Mitte der 80er Jahre - zu steigen. Dieser Wert veränderte sich bis Mitte 1995, trotz gegenteiliger Behauptungen, nicht wesentlich.

Die Ergebnisse der Umfragen zu dem subjektiven Phänomen (Kriminalitäts)Angst sind von verschiedenen Faktoren beeinflußt, hängen gerade auch von der jeweiligen Fragestellung ab. Je mehr mögliche Gefahrenquellen z.B. in einer Frage bereits benannt werden, um so größer wird auch die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Betreffenden in irgendeiner Weise bedroht fühlen.

Und genausowenig wie von der Kriminalität gesprochen werden kann, dürfte nach der Kriminalitätsfurcht gefragt werden. In den Umfragen passiert das in der Regel trotzdem: Da fallen dann 'organisierte Kriminalität', Straßenkriminalität, Gewalt in der Familie und anderes zusammen. Da die Befragten in diesem Bereich aber ohnehin nur über eingeschränkte eigene Erfahrungen verfügen, muß dann tradiertes Alltagswissen als Basis für die Antworten herhalten. Die weisen dann eher auf eine allgemeine Verunsicherung oder gesellschaftsbezogene Besorgnis als auf konkrete persönliche Befürchtungen hin.

Um den relativen Stellenwert von "Kriminalitätsfurcht" in der Bevölkerung zu erkunden, sollten zudem andere Faktoren erfragt werden, um die Umfrageergebnisse in einen weiteren (und politischen) Zusammenhang stellen zu können. So hat eine vom Bundesministerium für Familie und Senioren beim Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen in Auftrag gegebene Studie zum Thema "Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen", die 1992 als Repräsentativbefragung in West- und Ostdeutschland durchgeführt wurde, beispielsweise ergeben, daß Eigentums- und Körperverletzungsdelikte von eher untergeordneter Bedeutung sind. Dem Faktor "Umweltschäden" wurde dagegen die - über die Vergleichsgruppen von alt und jung in Ost und West - durchschnittlich größte Gefährdung der persönlichen Sicherheit zugeschrieben. Stärker als durch kriminelle Delikte sahen ältere Befragte ihre Sicherheit darüber hinaus vor allem durch Probleme wie Altersversorgung (Ex-DDR), Krankheit und 'Pflegenotstand' bedroht.

So erklärt sich auch der o.g. Anstieg der Kriminalitätsfurcht nach der "Wiedervereinigung". Er ist vor allem auf die sozialen Umbrüchen insbesondere in Ostdeutschland - und die dafür angebotenen Krisen-Lösungen - zurückzuführen. In der ehemaligen DDR war die Kriminalitätsfurcht in den Jahren 1991 bis 1993 teilweise doppelt so hoch wie in den westlichen Bundesländer, obwohl die Opferzahlen weitgehend die gleichen waren.

Wesentlich ist auch das, was der Kriminologie Sebastian Scheerer schon 1978 als "politisch-publizistischen Verstärkerkreislauf" bezeichnet hat: Medien berichten, Politik und Polizei greifen dies auf und formulieren es in Handlungsbedarf um. Mit dessen Ankündigung bzw. mit dem Nicht-Handeln geht es in die nächste Runde der Medienberichterstattung usw. usf. So lief und läuft es z.B. bei den Debatten um 'Jugendkriminalität', 'kriminelle Ausländer' oder den 'Großen Lauschangriff'.

Dagegen sei, so die Soziologin Helga Cremer-Schäfer, schwer anzukommen: "Der Kritik, die das gesellschaftlich Konstruierte und Dramatisierende von Sicherheits- und Moral-Paniken herausarbeiten will, wird gerne wahlweise eine romantische oder unverantwortliche Haltung vorgehalten, die die realen, erlittenen Schäden negiere. Das Problem der gesellschaftlich organisierten Darbietung von 'Kriminalitätsgefahren' und 'Sicherheitsbedrohungen' liegt darin, daß durch eine inzwischen mehr als 20jährige Dramatisierung nicht einmal mehr ein Wissen verfügbar ist, auf welche Probleme Kriminalitätsverhältnisse (oder auch Kriminalitätsstatistiken) hinweisen." Aus diesem verlorengegangenen Wissen sei unterdessen die Unterstellung entstanden, die erfaßte Entwicklung von Kriminalität bzw. deren Bekämpfung bestimme den moralischen Wert einer Gesellschaft, während die bestehende Ordnung unhinterfragt als richtig angesehen werde.


"Aktion Sicherheitsnetz"

In Deutschland wurde das "New Yorker Modell" für eine neuerliche Kampagne "Innere Sicherheit" aufgegriffen. So legte Bundesinnenminister Kanther Anfang September in Briefen an seine Kollegen in den Ländern den Plan für eine sog. Aktion Sicherheitsnetz vor. Nach US-Vorbild solle in einer konzertierten Aktion von Polizei und städtischen Behörden gegen Ordnungswidrigkeiten, Bagatelldelikte und größere Straftaten vorgegangen werden, auf daß die deutschen Städte wieder sauberer werden. Falls für "die in den USA mit bemerkenswertem Erfolg ins Werk gesetzten neuen Methoden zur Verbrechensbekämpfung" in den Städten nicht genug PolizistInnen vorhanden wären, könnte er zeitweise auch BeamtInnen des Bundesgrenzschutzes (BGS) zur Verfügung stellen. Um das Sicherheitsgefühl der BürgerInnen zu stärken, solle die Polizei bei ihrem Vorgehen von freiwilligen HelferInnen und eventuell auch privaten Sicherheitsdiensten unterstützt werden. Dies solle in einem "mehrjährigen Feldversuch" in einigen Großstädten erprobt werden.

Das einige Tage später von Kanther vorgestellte neue BGS-Konzept sieht dazu u.a. vor, daß von den rund 30.000 BGS-BeamtInnen künftig knapp 19.000 nicht mehr in geschlossenen Verbänden, sondern im polizeilichen Einzeldienst eingesetzt werden sollen. Vorgesehen ist z.B. die Aufstockung der Bahnpolizei um 800 auf 5.500 BGS'lerInnen.

Nach Hannover und Hamburg bekundete Bremen als dritte Stadt bereits kurz nach Eingang des Schreibens Interesse an diesem "Versuch". Nachdem der Senat sein "Einverständnis signalisiert" hatte, sei unverzüglich, so Borttschellers Sprecher Stefan Luft, ein Brief an Kanther geschickt worden, um Bremen rechtzeitig "ins Rennen" zu schicken. Innensenator Borttscheller begrüßte ausdrücklich das Angebot, Hilfe vom BGS zu erhalten. Nach Angaben Lufts wird durch die Bremer Polizeiführung ein Konzept für die Teilnahme an dem Modellversuch erarbeitet. Denkbar sei beispielsweise der Einsatz von BGS-BeamtInnen an "Brennpunkten" wie dem Bahnhofsvorplatz.

Derweil klappt die Zusammenarbeit von CDU/CSU und SPD im Bundesrat in puncto "Innere Sicherheit" im besser. Am 26. September einigte sich die Länderkammer mit der notwendigen Zweidrittelmahrheit darauf, das Strafrecht in mehreren Bereichen weiter zu verschärfen. Beschlossen wurde u.a. ein schärferes Vorgehen gegen Heranwachsende, die nur noch in Ausnahmefällen nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden sollen, ferner für die Sicherheitsverwahrung - eine Errungenschaft des Faschismus' - von Vergewaltigern. Enthalten ist natürlich auch die noch schnellere Abschiebung von Nichtdeutschen: "Ausländische Straftäter sind unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten konsequent auszuweisen und gegebenenfalls aus der Haft heraus abzuschieben."

Dem Entschließungsantrag zugrunde lagen Anträge der Länder Hamburg - wo die SPD im Sommer einen faschistoiden Wahlkampf führte - und Bayern, die sich in der Tendenz kaum unterschieden und deshalb zuvor nicht gegeneinander abgestimmt, sondern zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag entwickelt worden waren. Das CSU-regierte Bayern hatte in seinen Antrag die rassistischen und Law-and-order-Forderungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten und vermutlichen SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder aus einem Bild-am-Sonntag-Interview vom 20. Juli eingearbeitet.

Schröder hatte in dem Interview u.a. ausgeführt, daß das "Thema innere Sicherheit wieder ein wichtiges Thema für Sozialdemokraten werden" müsse, denn der "Eisene Vorhang hat die Bundesrepublik nicht nur getrennt vom Ostblock, sondern auch geschützt. Jetzt schwappt eine Welle von Verbrechen aus dem Osten nach Deutschland. Damit sind wir noch nicht fertig geworden." Nötig wäre "zunächst mal eine klare und schonungslose Analyse. Man muß das mal sagen, selbst wenn es manche nicht gern hören: Beim organisierten Autodiebstahl sind Polen nun mal besonders aktiv, das Geschäft mit der Prostitution wird dominiert von der Russen-Mafia, Drogenkriminelle kommen besonders häufig aus Südosteuropa und Schwarzafrika. Man schützt die hier lebenden gesetzestreuen Ausländer nicht, indem man Ausländerkriminalität totschweigt. Wir dürfen nicht mehr so zaghaft sein bei ertappten ausländischen Straftätern. Wer unser Gastrecht mißbraucht, für den gibt es nur eins: raus, und zwar schnell!!"

Bereits Anfang August hatte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen Forderungskatalog vorgestellt, der in seiner Zusammenstellung stark an das "New Yorker Modell" erinnert. Mit "kompromißlosem Vorgehen gegen Ordnungswidrigkeiten, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung und Kleinkriminalität" wolle man das Übel an der Wurzel packen und ähnliche 'Erfolge' erzielen. Die "Tendenzen der Toleranz und Liberalisierung im Strafrecht" seien nämlich, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Rupert Scholz, als falsch erkannt worden. Aufgrund des schwindenden Autoritätseinflusses, der "Überbetonung der Individualrechte" und der Diskussion über die Entkriminalisierung von Bagatalldelikten sei "das Empfinden für Recht und Unrecht teilweise verlorengegangen".

Daher müßte die Polizei personell verstärkt und besser ausgestattet werden, die Büttel benötigten aber auch mehr Eingriffsrechte: "Graffiti, Verunreinigungen, Sachbeschädigungen, Ruhestörung, Drogenbesitz sowie andere Formen der Kleinkriminalität werden nicht mehr toleriert. Hier muß die Polizeitaktik lauten: zugreifen statt zusehen." Gefordert wird eine "sofortige Wiedergutmachungspflicht" z.B. für SprayerInnen, die ihre Graffitis selbst wieder entfernen bzw. überzustreichen sollten. LadendiebInnen müßten den doppelten Preis der gestohlenen Ware bezahlen und Führerscheine sollen - wie in den USA - nicht nur nach Verkehrsdelikten, sondern auch bei Diebstahl, Sachbeschädigung oder "Vergehen gegen die öffentliche Ordnung" entzogen werden können.

Von der Idee des Führerscheinentzugs sind nach einem Bericht der Bild am Sonntag vom 14. September PolitikerInnen auch der SPD, der FDP und Bündnis 90/Die Grünen angetan. Bestraft werden sollen so LadendiebInnen, SchwarzfahrerInnen und RandaliererInnen. Statt eines Prozesses, der erst ein halbes Jahr nach der Tat stattfinden und allenfalls mit kurzen Haftstrafen enden würde, könnten nach Auffassung der PolitikerInnen die Fahrverbote kurzfristig verhängt werden. So könnten diese Delikte wirkungsvoll geahndet werden, empfänden doch nahezu alle BürgerInnen die Einschränkung ihrer Mobilität als Strafe, außerdem würde die übervollen Knäste entlastet. Die SPD hat bereits eine entsprechende Gesetzesinitiative entwickelt.


"Laissez-faire-Linie nicht weiter praktizieren"

Wie die Hamburger Sozialdemokratie und der wohl künftige Führer des Standortes Deutschland, Gerhard Schröder, bemühten sich auch die Bremer Sozis in der immerwährenden Kampagne "Innere Sicherheit" klarzustellen, daß Law and order schon immer ein labour issue war. Besonders tut sich dabei einer der mächtigsten Bremer SPD-PolitikerInnen, der Fraktionsvorsitzende Christian Weber, hervor, dem man allerdings genausowenig wie Schröder vorwerfen kann, daß seine Äußerungen sozusagen sommerloch-immanent und damit einmalige "Entgleisungen" gewesen wären.

Weber, der seit 1995 dafür zuständig ist, die Abgeordneten der SPD zur Aufrechterhaltung der Großen Koalition auf CDU-Positionen zu trimmen, teilt Schröders Auffassungen "ohne Abstriche". Schröder habe in der Bild am Sonntag lediglich das gesagt, "was als möglicher Kanzlerkandidat zu sagen war." Für Leute aus seiner Partei, die "Krokodilstränen" darüber vergießen, dies - wie Bürgermeister Scherf - für "zu pauschal" halten, hat er gar kein Verstädnis: "Was heißt zu pauschal? Gerhard Schröder hat wenige Punkte aufgegriffen, hat sich sehr deutlich ausgedrückt und jeder hat es verstanden. Das ist weder pauschal noch populistisch, sonder er hat präzise benannt, was hier im Staate nicht in Ordnung ist. Und das muß endlich reformiert werden." Zum Beispiel müßten "Hürden" wie die, daß nichtdeutsche StraftäterInnen erst ab einem Strafmaß von mindestens drei Jahren abgeschoben werden dürften, beseitigt werden.

Der Fraktionsvorsitzende weiß, wovon er redet, kann das notwendige Verständnis - diesen Ball spielt im der Interviewer zu - "für die Verärgerung der Bevölkerung über Probleme - beispielsweise über die Massierung von Asylunterkünften in einem Stadtteil - aufbringen". Im Gegensatz zu den meisten seiner ParlamentskollegInnen wohnt er nämlich "in einem Ortsteil, in dem rundherum Ausländer und Asylbewerber Nachbarn sind. Man bekommt schon eine andere Sichtweise, wenn man dieses Nebeneinander so hautnah erlebt." Seine dort in Hastedt gemachten Erfahrungen sind deshalb "negativ, aber nicht nur negativ". Denn, "wenn man sich die Mühe macht, mit [den Ausländern] ins Gespräch zu kommen und sie auf Regeln hinzuweisen, ist das nicht aussichtslos. Wenn sie aber zu viele Fremde in einem kleinen Bezirk unterbringen, dann kippen Straßenzüge und kleine Ortsteile." Schon seit Jahren habe er kritisiert, daß "die Sozialbehörde Asylbewerber vorzugsweise in alte Kerngebiete wie Gröpelingen, in die Innenstadt oder Hemelingen eingewiesen" und diese damit kaputtgemacht habe.

Auch beim Thema "Jugendkriminalität" kennt sich Weber, er war zehn Jahre lang (bis 1994) Leiter der Jugendwerkstätten, aus. Daß Jugendliche wiederholt von der Polizei aufgegriffen würden und dann jeweils, da sie nicht strafmündig seien, wieder laufengelassen werden müßten, ginge nicht an: "Die Laissez-faire-Linie darf nicht weiter praktiziert werden." Den jugendlichen TäterInnen müßten "Grenzen aufgezeigt" werden. Er könne sich da voll seinem CDU-Kollegen Neumeyer anschließen, der gefordert hatte, jugendliche Straftäter zu sozialen Arbeiten heranzuziehen. Bei den Jugendwerkstätten habe er die Erfahrung gemacht, "daß man mit einer klaren Ansprache und mit klaren Vorgaben auch diese Jugendlichen auf geordnete Bahnen kriegt. Es müssen Anforderungen an die Jugendlichen gestellt werden, man darf nicht stets den Mantel der Nächstenliebe über alles decken. [...] Das war nicht sozialpädagogisch, sondern auf Arbeit hin orientiert. Ich will jetzt nicht pauschalisieren, aber dieses übliche sozialpädagogische Gesülze haben wir in unserem Laden beiseite gelassen und etwa Handfestes, nämlich Arbeit, angeboten."

Innensenator Borttscheller aber meint, daß es dieser Forderungen gar nicht bedurft hätte, denn sie seien im wesentlichen schon in die Praxis umgesetzt. "Wenn Weber jetzt den Law-and-order-Mann mimt und eine neue Linie für die Innen- und Ausländerpolitik entdeckt, so kann ich nur sagen, das ist in Wirklichkeit eine Politik, wie wir sie in Bremen längst praktizieren". Allein im vergangenen Jahr habe man 542 straffällig gewordene Ausländer abgeschoben: "Die einzigen, die uns im Chor mit der autonomen Szene dabei Schwierigkeiten machen, sind linke Sozialdemokraten und Grüne."

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kombo(p) - 16.11.1997