Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kapitel 4.7

Ganz zivil: Turbine für pakistanische Waffenfabrik

Neben Stahlgehäusen für Panzer stellt der B+V-Maschinenbau - jetzt B + V Industrie GmbH - auch Schiffbaukomponenten energietechnische Anlagen für militärische Anwendungen her. Dazu gehören Wellenabdichtungen (Simplex Turbulo), Stabilisatoren, Rudermaschinen Entöler für Kriegsschiffe. 1993 wurde z.B. ein von B + V neukonstruierter Schwerkraftentöler erstmals in ein U-Boot der Bundesmarine eingebaut.1 1989 lieferte B + V ein spezielles Fräswerk zur Bearbeitung von U-Boot-Spanten an HDW Kiel. Ende desselben Jahres erhielt das Unternehmen aus Pakistan den Auftrag zum Bau einer schlüsselfertigen Turbinen-Generatorenanlage zur Stromerzeugung - Hintergrund und Ablauf dieses Geschäfts verdienen eine nähere Betrachtung:

Der Auftraggeber, der in Wah unweit der Hauptstadt Islamabad ansässige Staatskonzern "Pakistan Ordnance Factories" (POF) ist der grösste Waffenhersteller des Landes. Fast die gesamte Stadt Wah ist von der Waffenproduktion abhängig. Mehrere zehntausend Beschäftigte fertigen dort Raketen, Granaten, Bomben, Maschinengewehre (u.a. das G 3 in Lizenz von Heckler & Koch), Kleinwaffen und Landminen - nicht nur für die pakistanische Armee, sondern auch für den Export.2 Nicht nur wegen des Konflikts mit Indien, sondern besonders auch wegen der Rolle Pakistans beim Waffennachschub für den Krieg in Afghanistan muss das Land seit Jahren als Spannungs-Krisengebiet eingestuft werden.

Obwohl der Konflikt mit dem Irak in der deutschen Politik gerade erst neue Diskussionen über die Notwendigkeit schärferer Exportbestimmungen angefacht hatte, teilte das Bundesamt für Wirtschaft in Eschborn im Februar 1991 B + V mit, dass eine Genehmigung zum Export der Turbine nicht erforderlich sei. An der wohlwollenden Haltung des Wirtschaftsministeriums änderte sich auch nichts, als am 12. März 1991 der neue § 5c der Aussenwirtschaftsverordnung mit der Länderliste H in Kraft trat. Danach war die Ausfuhr von Waren, "wenn sie für die Errichtung oder den Betrieb einer Anlage zur ausschliesslichen oder teilweisen Herstellung, Modernisierung oder Wartung von Waffen, Munition oder Rüstungsmaterial...oder zum Einbau in diese Gegenstände bestimmt sind", in Länder der Liste H - Pakistan stand auf dieser Liste - genehmigungspflichtig. Das Hamburger Abendblatt brachte zwar am 12. April 1991 einen Bericht unter der Überschrift "neue Exportregeln stoppen Blohm + Voss", aber gerade dies war nicht der Fall.3 Das Wirtschaftministerium erteilte exakt an demselben Tag die nunmehr erforderliche Exportgenehmigung. Bedenken regten sich nicht bei den Genehmigungsinstanzen, dafür in der Belegschaft von B + V. Die Vertrauenskörper-Leitung der IG Metall der Arbeitskreis Alternative Fertigung bei B + V verabschiedeten am 15. April 1991 eine Erklärung. In dieser hiess es, Turbinen seien zwar grundsätzlich als sinnvolles Produkt zur dezentralen Stromgewinnung zu betrachten, für eine Waffenfabrik im Krisengebiet gelte dies aber nicht. Wahrscheinlich am 26. April verliess die Turbine mit einem Grosstransport das Werk von B + V, um in Rotterdam nach Pakistan verschifft zu werden.4 Das Geschäft, das einen Auftragswert von ca. 10 Mio. DM5 hatte, war damit perfekt.

Vertreterinnen der Friedensinitiative Rissen und anderer Gruppen wollten einen Wahlkampfauftritt von FDP-Wirtschaftsminister Jürgen Möllemann am 29.April 1991 in Blankenese nutzen, um ihn auf dieses neue "Mordgeschäft" anzusprechen - doch der selbstdarstellungsgewiefte Minister, dem die Absicht vorher mitgeteilt worden war, machte sich, bevor es überhaupt zu einer Diskussion kommen konnte, aus dem Staube. Später baten die exportkritischen Gewerkschafter bei B + V den Wirtschaftsminister schriftlich um Auskunft, warum die Ausfuhr nach Pakistan genehmigt worden sei. Möllemann antwortete, ausschlaggebend für die positive Entscheidung sei gewesen, dass es sich bei der Turbine "eindeutig nicht um ein Rüstungsgut sondern lediglich um eine zur allgemeinen Infrastruktur einer Industrieanlage zählende Ware handelt".6 Damit wurde deutlich, wie wenig die für die Exportkontrolle Verantwortlichen von den neugeschaffenen rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen wollten.




Anmerkungen:

(1) Blohm + Voss: Prisma-Zeitung Nr. 3/1993, S. 4.
(2) Vgl. Peter Körner: Militarisierungsdynamik, militante Konflikte und Entwicklungsdynamik: das Beispiel Pakistan, in: Michael Brzoska Hrsg.): Militarisierungs- und Entwicklungsdynamik, Hamburg 1994, S. 245-301, hier S. 259; Jane's Armour and Artillery Upgrades 1996-97, S. 140f.
(3) Publik gemacht hatte den Fall die Wirtschaftswoche (Nr. 16/12.4.1991, S. 10).
(4) Auch zum Folgenden: Sendemanuskript für Hörfunkbeitrag von Otto Köhler am 30.4.1991 in WDR 1 .
(5) Hamburger Abendblatt 12.4.1991.
(6) Antwortschreiben von Wirtschaftsminister Möllemann an den IG-Metall-Vertrauenskörper der B + V AG (...) vom 9.10.1991.