Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kapitel 5.

Mit langem Atem: der Arbeitskreis Alternative Fertigung

Der Arbeitskreis Alternative Fertigung bei B + V wurde im November 1980 durch die IG-Metall-Vertrauenskörperleitung gegründet -als einer der ersten in der bundesdeutschen Rüstungsindustrie.7 Nach über einjähriger interner Diskussionsphase verabschiedete die Vertrauenskörper-Vollversammlung im Januar 1982 eine Grundsatzerklärung, die als historisches und zugleich noch aktuelles Dokument hier wiedergegeben wird:



Vertrauensleute der Blohm + Voss AG

Grundsatzerklärung des Vertrauenskörpers der Blohm * Voss AG zum Arbeitskreis ,Alternative Fertigung

Die Gewerkschaften haben sich immer zu antimilitaristischen und friedenspolitischen Zielen bekennt. Ihre Aufgabe ist es daher, auf der einen Seite zur Entspannung und Abrüstung beizutragen, auf der anderen Seite aber auch die Arbeitsplatzsicherheit der direkt betroffenden Kolleginnen und Kollegen in der Rüstungsindustrie zu beachten. Die Arbeitsplatzsicherung und die Wiederbeschäftigung der arbeitslosen Kolleginnen und Kollegen bekommt vor dem Hintergrund von 1,7 Mill. Arbeitslosen (mit steigender Tendenz einen zentralen Stellenwert gewerkschaftlicher Politik.

Als Mittel zur Wiedererlangung der Vollbeschäftigung wird immer wieder die Ausweitung der Rüstungsproduktion, besonders des Rüstungsexports, ins Spiel gebracht. "Rüstung schafft Arbeitsplätze" heisst die simple Parole. Es ist aber erwiesen, dass durch Rüstungsproduktion mehr Arbeitsplätze gefährdet und zerstört, als neue geschaffen werden. Darüber hinaus gilt, dass ein hohes Rüstungsniveau die Möglichkeit und Bereitschaft fördert, soziale und politische Konflikte mit Waffengewalt zu lösen. Eine Ausweitung der Rüstungsproduktion erhöht das Rüstungsniveau und vergrössert die Kriegsgefahr.

Vor diesem Hintergrund waren die Auseinandersetzungen um die Chile-U-Boote bei HDW Kiel für den Vertrauenskörper bei Blohm + Voss der letzte Anstoss für die Gründung des Arbeitskreises "Alternative Fertigung". Wir wollen sichere Arbeitsplätze und sinnvolle Arbeit.

Blohm + Voss hat in den letzten Jahren den Anteil der Rüstungsproduktion an der Gesamtfertigung extrem ausgedehnt (z.Zt.. 70% des Umsatzes durch 50% der Belegschaft). Dabei täuschen die kurzfristigen und auf den eigenen Betrieb beschränkten arbeitsplatzerhaltenden Effekte über die mittelfristigen gesamtwirtschaftlich negativen Auswirkungen hinweg. Arbeitsplätze im Rüstungsbereich sind aus folgenden Gründen unsicher:

Aus diesen Gründen wendet sich der Vertrauenskörper von Blohm + Voss gegen eine Festschreibung und Ausweitung der Rüstungsproduktion.

Mit unserer Arbeit wollen wir nachweisen, dass es genügend Produkte im zivilen Bereich gibt, die wir bei uns herstellen können, ohne dass es zu Nachteilen wie Dequalifizierung und Lohn- und Arbeitsplatzverlust kommt. Dabei wollen wir die konkreten Produktionsbedingungen bei Blohm + Voss berücksichtigen. Für alternative Produkte kommen Bereiche in Frage, wo gegenwärtig oder in Zukunft ungenügend befriedigter Bedarf vorhanden ist. Wir denken z.B. an Bereiche wie Umweltschutz, die Rohstoffrückgewinnung , Energietechnik, Anlagen für die 3.Welt. Alternative Produktionsvorschläge sollen euch auf ihre soziale Konsequenz hin überprüft werden. Dazu gehören auch die Methoden, mit denen diese Produkte hergestellt werden, wie z.B. unsere Arbeitsbedingungen.

Die "Marktfähigkeit" unserer Vorschlage muss überprüft werden. Gleichzeitig muss aber auch festgestellt werden, dass Rüstungsproduktion auf künstliche Nachfrage zurückführen ist.

Es sind Steuergelder, die im In- und Ausland für Rüstungsprodukte ausgegeben werden. Nachfrage nach diesen Produkten entsteht also direkt durch politische Entscheidungen der Regierungen. Als Gewerkschafter fordern wir eine Veränderung der Schwerpunkte. Damit wird auch die Nachfrage verändert - weg von der Rüstungsproduktion, hin zu sozial notwendigen und ökonomisch und ökologisch sinnvollen Produkten.

Die Durchsetzung unserer Vorstellungen ist nur über langfristige Arbeit möglich. Die Unterstützung durch die Belegschaft ist dabei vorrangig und ausschlaggebend.

Wir erwarten Zusammenarbeit mit dem Vorstand und den Führungskräften von Blohm + Voss. Wir sind uns allerdings darüber klar, dass Rüstungsproduktion hohe Gewinnspannen beinhaltet und somit zu einem grossen Interesse der Unternehmer an diesen Produkten führt. Dies konnte die erwartete Zusammenarbeit erschweren. Wir wollen Anregungen und Vorschlage erarbeiten, die wir dem Vorstand von Blohm + Voss unterbreiten werden.

Wir werden uns an die Öffentlichkeit wenden, wo es nötig und vernünftig ist. Bei unserer Tätigkeit stützen wir uns auf die gewerkschaftliche Bewegung und suchen zusätzliche Unterstützung in anderen öffentlichen Bereichen. Beschlossen auf der Vertrauenskörper-Vollversammlung am 27. Januar 1982

Vorsitzender Stellvertreter



Der Arbeitskreis Alternative Fertigung bei B + V gehört zu den wenigen seiner Art, die bis heute eine kontinuierliche Arbeit geleistet haben. Zur Vorstellung von zivilen Produktalternativen und zur Auseinandersetzung mit den Argumenten der Rüstungsbefürworter im B+V-Vorstand veröffentlichte er 1985 eine Broschüre mit dem Titel "Zukunftsperspektiven".8 Bestätigt sieht sich der Arbeitskreis in seinen früheren Forderungen durch die Entwicklung im Maschinenbau, wo der Rückgang der Panzerbauaufträge in den Jahren um 1990 u.a. durch den Ausbau der Produktion im Bereich "rationelle Energieerzeugung" kompensiert werden konnte.9

Eine negative Bilanz hat der Arbeitskreis 1996 für den Schiffsneubau gezogen:10

"In den 15 Jahren des Bestehens des Arbeitskreises ist die Abhängigkeit von Rüstungsaufträgen für die Schiffswerft nicht gesunken, sondern eher weiter gestiegen. ... Mit Marineschiffen wird das grosse Geld gemacht, hier findet noch technische Entwicklung statt, alles andere verkümmert. Staatliche Beschäftigungsprogramme für die Werften scheinen im Augenblick nur im Verteidigungsministerium entwickelt zu werden."



Trotz der Zerschlagung der B + V AG und der damit verbundenen Schwierigkeiten will der Arbeitskreis in einem gemeinsamen Gremium "die angefangene Arbeit weiterführen" - in illusionsloser, aber beharrlicher Opposition zu Managerstrategien, "welche sich an Beschaffung von schnellem Geld orientieren und mit der einseitigen Ausrichtung auf Renditen von mindestens 12,5 % auf das eingesetzte Kapital allen längerfristigen Alternativen entgegenstehen".11




Anmerkungen:

(7) Vgl. Rainer Duhm u.a. (Hrsg.): Wachstum alternativ. Kritisches Gewerkschaftsjahrbuch 1983/84, Berlin 1983, S. 11ff.
(8) Vertrauensleute und Arbeitskreis Alternative Fertigung der IG Metall bei Blohm + Voss (Hrsg.): Zukunftsperspektiven - Aus der Sicht von Beschäftigten, Hamburg 1985.
(9) IG Metall, Bezirk Küste (Hrsg.): Rundbrief Arbeitskreise Alternative Produktion Nr. 3/1993, S. 15f. und Nr. 3/1995, S. 3.
(10) IG Metall, Bezirk Küste (Hrsg.): Rundbrief Alternative Produktion Nr. 4/1996, S. 16.
(11) Ebd. .