Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kapitel 4.1

Kampfpanzer Leopard 1

Von Anfang an partizipierte B + V an der Serienfertigung des Kampfpanzers Leopard, mit der die Bundesrepublik ab 1965 an die zwei Jahrzehnte zuvor jäh abgebrochene Panzerbautradition wieder anknüpfte - der Leopard war der Nachfolger der Wehrmachtspanzer "Panther" und "Tiger". Während die Endmontage des Panzers Leopard 1 bei der zum Flick-Konzern gehörenden Firma Krauss-Maffei in München (später z.T. auch bei MaK in Kiel) erfolgte, übernahm B + V die Herstellung der Stahlwannen für dieses Kampfgefährt. Zwischen 1965 und 1984 produzierte B + V insgesamt 4.136 Wannen für ebenso viele Leopard-1-Panzer.6 Ohne Berücksichtigung der Prototypen, einer Vorserie und von 84 Übungspanzern ergibt sich, dass in Deutschland unter Mitwirkung von B + V 4.024 Leopard-1-Kampfpanzer für zehn Armeen gebaut wurden:7

Empfänger

Stückzahl

Produktionszeit

Bundeswehr

2437

1965-76

Belgien

334

1968-71

Niederlande

468

1969-72

Norwegen

78

1971

Italien

200

1971-72

Dänemark

120

1976-78

Australien

90

1976-78

Kanada

114

1978-79

Türkei

77

1981-83

Griechenland

106

1982-84



Weitere 720 Wannen wurden 1974-80 mit Lizenz von B + V beim italienischen Rüstungsunternehmen OTO Melara in La Spezia für den dortigen Leo-Nachbau gefertigt. Für den Export leitete OTO Melara in den 70er Jahren aus dem Leopard-Konzept mit Hilfe deutscher Firmen, zu denen wiederum B + V gehörte, einen Kampfpanzer ab, der OF-40 oder auch "Lion" genannt wird.8 36 Exemplare dieser Exportvariante sind von OTO Melara ab 1980 für Abu Dhabi produziert worden. Bereits 1977 hatte die Genueser Zeitung "Il Lavorno" berichtet, dass 20 Leopard/Lion-Panzer via Marseille illegal nach Libyen transportiert worden seien. Zwar wurde damals eine Untersuchung angekündigt, von Ergebnissen hat man jedoch nie etwas gehört.9

Für einen Teil der oben aufgelisteten Leopard-Panzer produzierte B + V neben den Wannen auch die geschweissten Turmgehäuse. Dies war der Fall bei mindestens 250 Panzern Leopard 1 A 4 für die Bundeswehr (1972-75), den 90 Panzern für Australien (1976-78) und den 77 Panzern für die Türkei (1981-83).10

Davon, dass das deutsche und das niederländische Heer sich in den 80er Jahren das noch kampfstärkere Nachfolgemodell Leopard 2 zulegten, profitierten vor allem die Türkei und Griechenland. Der Türkei schenkte die Bundesrepublik 1988 im Rahmen einer Rüstungssonderhilfe 150 gebrauchte Leopard 1, die von Krauss-Maffei mit Bundesmitteln in Höhe von 217,7 Mio DM intensiv überholt und bis 1992 ausgeliefert wurden; dazu kamen in neuerer Zeit nochmals mindestens 80 (nach anderen Angaben 85) Leopard 1.11 Damit verfügt die Türkei inzwischen über 307 Kampfpanzer dieses Typs. Nach Berichten verschiedener Beobachter setzt die türkische Armee auch Leopard-Panzer bei ihrem Feldzug gegen die PKK ein.12

Auch beim neuen Einmarsch der türkischen Armee in den Nordirak im Mai 1997 waren Leopard-1-Panzer auf türkischen Fernsehbildern zu identifizieren.12a

Der Erzfeind der Türkei, Griechenland, kommt mit den 75 von Deutschland und den 170 von den Niederlanden überlassenen Second-Hand-Panzern inzwischen sogar auf eine Streitmacht von 351 Leopard 1. Ausserdem hat die Bundeswehr 110 Leopard 1 an Dänemark und 92 Leopard 1 an Norwegen abgegeben.




Anmerkungen:

(6) Wehrtechnik Nr. 8/1984, S. 91.
(7) Walter J. Spielberger: Von der Zugmaschine zum Leopard 2. Geschichte der Wehrtechnik bei Krauss-Maffei, München 2. verbess. Aufl. 1980, bes. S. 171; Jane's Armour and Artillery 1996-97, bes. S. 39.
(8) Vgl. auch zum Folgenden Spiegel Nr. 12/1976, S. 43f.; Michael Brzoska: Rüstungsexportpolitik, Frankfurt/M. 1986, S. 129; Jane's Armour and Artillery 1996-97, S. 60ff.; Mierzwa, S. 100 u. 102.
(9) Hamburger Abendblatt 19.9.1996.
(10) Wehrtechnik Nr. 9/1982, S. 69f.; Blohm + Voss: Defence Technology Army (Werbebroschüre), o.O. (1983), S. 5.
(11) Jane's Armour and Artillery 1996-97, S. 37; taz 2.5.1992; Wehrdienst Nr. 28/1993.- Randnotiz: Die Lieferung von Leopard-Panzern an die Türkei kostete 1992 Gerhard Stoltenberg sein Amt als Verteidigungsminister. Hintergrund: Am 7. November 1991 hatte der Haushaltsausschuss beschlossen, die Lieferung von Kriegsgerät an die Türkei so lange zurückzustellen, wie die türkische Armee zivile Ziele angriff. Dieser Lieferstopp betraf auch die letzten 19 der 150 zugesagten Leopard-1-Panzer. Als bekannt wurde, dass diese Panzer trotz des Parlamentsbeschlusses weiter ausgeliefert worden waren, mussten Stoltenberg und seine beiden Staatssekretäre am 31. März 1992 ihre Hüte nehmen.
(12) Ulla Frey/Alexander Kauz: Rüstungsexporte in die Türkei (...), in: Rüstungsexport im `neuen Deutschland' (Probleme des Friedens Nr. 4/1993-1/1994), Idstein 1994, hier S. 34; taz Hamburg 4.6.1993; Hamburger Abendblatt 13.4.1994; antimilitarismus information Nr. 5/1995, S. 11.
(12a) antimilitarismus information Nr. 7/8-1997, S. 32.