Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kapitel 4.2

Kampfpanzer Leopard 2

1978/79 lief bei B + V die Fertigung von Stahlgehäusen für den neuen Kampfpanzer Leopard 2 an.1 Der dem Hamburger Unternehmen erteilte Auftrag, für 1.800 Leopard-2-Panzer der Bundeswehr alle Wannen 50 Prozent der Turmgehäuse zu produzieren, liess den Umsatz des Bereichs "Wehrtechnik Land" steigen stellte dessen Grundauslastung bis 1986 sicher.

Auch an dem Verkauf von Leopard-2-Panzern an die Niederlande an die Schweiz konnte B + V mitverdienen. Für die 445 niederländischen Leopard 2 l ieferte das Unternehmen 1982-85 einbaufertige Einzelteile an zwei holländische Firmen zur Montage, ein Teil der Wannen kam zur Bearbeitung an B + V zurück.2 Die Schweiz entschied sich im Dezember 1984, 35 Leopard 2 in Deutschland zu kaufen 345 Kampfpanzer durch die Contraves AG nachbauen zu lassen.3 In diesem Zusammenhang schloss B + V mit der Schweizer Firma Georg Fischer einen Know-how-Vertrag lieferte ab 1986 wohl einige Materialpakete in die Schweiz, wo die Produktion 1993 abgeschlossen wurde. Zu weiteren Exportaufträgen kam es in den 80er Jahren nicht. Zwar hätten Helmut Schmidt (Bundeskanzler bis 1982) Franz-Josef Strauss (bayerischer Ministerpräsident) den Leopard 2 nur zu gerne an Saudi-Arabien verkauft, doch die Widerstände erwiesen sich als zu gross.4 Die Kohl-Regierung hielt an ihrem 1983 gefassten Beschluss fest, das Waffensystem nicht an einen potentiellen Gegner Israels zu liefern.

Als das Ende der Leopard-2-Serienfertigung für die Bundeswehr näherrückte, intensivierte die Panzerlobby ihre Bemühungen, die Beschaffung zusätzlicher Kampfpanzer durchzusetzen. Unter dem Vorwand "Die Panzerwaffe des Ostens wird bedrohlicher"5 meldete die Bundeswehr im Juli 1985 den Wunsch an, weitere 250 Leopard 2 zu erwerben. Das Drängen hatte Erfolg. Am 25. Juni 1986 stimmte die Mehrheit der Mitglieder im Haushalts-Verteidigungsausschuss der Bestellung weiterer 150 Leopard-2-Panzer (sechstes Los) im Wert von 842 Mio DM zu. Durch Verträge von 1988 -1990 schenkte man der Industrie noch ein siebtes Los (100 Panzer) ein achtes Los (75 Panzer). Dies ermöglichte es Krauss Maffei, MaK Kiel den zahlreichen Zulieferfirmen, ihre Kapazitäten im Panzerbau - wenn auch in reduziertem Umfang - weiter zu beschäftigen. Bei B + V verlängerte sich die Produktion der Stahlgehäuse für Leopard-2-Panzer dadurch bis in das Geschäftsjahr 1991.6

Zu den Lobbyisten, die sich hinter den Kulissen für die Verlängerung der Leopard-2-Produktion stark machten, gehörte der Hamburger Senat. In einer Antwort auf eine Grosse Anfrage der GAL-Fraktion gab er am 1. April 1986 zu: "Ja, die Hamburger Landesvertretung hat sich in Bonn für die Fortsetzung des Produktionsprogrammes `Leopard 2' für die Bundeswehr verwandt."7 Zur Erinnerung: Die Landesvertretung wurde vom 2. Bürgermeister Pawelczyk geleitet, der damals auch im Verwaltungsrat von B + V sass.

Die 1986 getroffene Entscheidung zur Verlängerung der Leo-2-Fertigung war keineswegs unumstritten. Der Bundestagsabgeordnete Olaf Feldmann (FDP) erklärte z.B., er habe den Beschluss nicht mittragen können, da dieser nicht - wie vorgegeben - auf eine erhöhte militärische Bedrohung, sondern auf Beschäftigungsprobleme der bayrischen Hamburger Panzerindustrie zurückzuführen sei.8 Bernd C. Hesslein wandte sich in einem Kommentar für die Hamburger Rundschau gegen die "insgesamt überflüssigen 150 Stahlklötze zum Stückpreis von 5,6 Millionen Mark" geisselte die "Panzerversessenheit der Bundeswehrführung".9

Allerdings war die Bundeswehr gar nicht unbedingt darauf aus, die Zahl ihrer Panzer laufend weiter zu erhöhen. Ihr Ziel war es, die 250 Leopard-1 einer Panzerdivision (nämlich der 10. Panzerdivision von Sigmaringen) durch dieselbe Zahl modernerer Leopard-2-Panzer zu ersetzen. Der militärische Hauptnutzniesser der ganzen Aktion war am Ende die türkische Armee, an die die Bundesregierung - wie oben dargestellt - die meisten der nun überzähligen Leopard-1-Panzer abgab.

Um 1992/93 war der Eindruck entstanden, dass für B + V das Leopard-2-Programm endgültig ausgelaufen war. Doch im Geschäftsjahr 1994 erhielt die Firma "kleinere Auftragsvolumina" für die Kampfwertsteigerung des Leopard 2 für den Neubau von 120 Leopard 2 für Schweden. im Geschäftsbericht für 1995 hiess es, die in den Vorjahren reduzierten Kapazitäten seien aufgrund dieser Projekte "für die kommenden 3 bis 4 Jahre gut ausgelastet".10 Schweden produziert zwar den Leopard 2 einschliesslich der Stahlgehäuse im eigenen Land, aber B + V ist durch Lizenzvergabe Zulieferung einiger Baugruppen mit von der Partie.

In ähnlicher Weise wie beim Schweden-Auftrag soll B + V Industrie auch an dem spanischen Leopard-2-Programm beteiligt werden. Nach einer Absichtserklärung von Mitte 1995 will Spanien 200 Leopard 2 durch das staatseigene Unternehmen Santa Barbara nachbauen lassen; innenpolitisch haben sich in Spanien allerdings Widerstände gegen das Milliardenprojekt "Panzer 2000" geregt.11 Ursprünglich sollten die ersten Panzer 1998 fertig sein, vermutlich kommt es zu einer Verzögerung. Gedacht sind die Leopard 2 für die spanischen Verbände im Eurokorps sowie für zwei Regimenter, die Spanien in seinen nordafrikanischen Exklaven Ceuta Melilla stationiert hat.12 Eigentlich hatte dieses Geschäft schon in den 80er Jahren anlaufen sollen, war aber im November 1984 wegen des Verdachts, dass Flick als Eigentümer der Panzerschmiede Krauss-Maffei mit Geldzahlungen an die in Spanien regierenden Sozialisten die Entscheidung hatte beinflussen wollen, auf unbestimmte Zeit verschoben worden.13 B + V hatte bereits damals Kontakt mit der spanischen Panzerschmiede Santa Barbara aufgenommen.14




Anmerkungen:

(1) Vgl. zu diesem Programm insgesamt Paul-Werner Krapke: Leopard 2 - Sein Werden und seine Leistung, Bonn 1986, hier S. 65ff.
(2) Wehrtechnik Nr. 9/1982, S. 70; Blohm + Voss: Geschäftsberichte 1984, S. 11, und 1985, S. 11.
(3) Krapke (wie Anm. 1), S. 199ff.; zum Folgenden Wehrtechnik Nr. 8/1984 S. 92 und Nr. 7/1993 S. 33.
(4) Zu Schmidts Haltung vgl. Mainhardt Graf von Nayhauss: Helmut Schmidt. Mensch und Macher, Bergisch Gladbach 1988, S. 395 u. 401ff.; zum Vorstoss von Strauss Frankfurter Rundschau 21.2. u. 26.2.1985.
(5) Frankfurter Allgemeine Zeitung 30.7.1985.
(6) Blohm + Voss: Geschäftsbericht '91, S. 18.
(7) Bürgerschafts-Drucksache 11/5918, Antwort zu Punkt C II. 4b).
(8) ARD-Tagesschau 25.6.1986.
(9) Hamburger Rundschau 3.7.1986.
(10) Blohm + Voss: Geschäftsbericht '95, S. 20.
(11) Hamburger Abendblatt 15.4.1997. - Die Bundeswehr hat Spanien bereits 108 gebrauchte Leopard-2-Panzer geliehen. Deren Bereitstellung ist an das geplante Geschäft mit den neuen Panzern gekoppelt.
(12) Wehrtechnik Nr. 8/1995, S. 16; Soldat und Technik Nr. 7/1995, S. 396; Jane's Armour and Artillery 1996-97, S. 108.
(13) Hamburger Abendblatt 19.11.1984; Spiegel Nr. 51/1984.
(14) Wehrtechnik Nr. 8/1984, S. 92.