Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kapitel 3.8

Patrouillenboote für Saudi-Arabien

Der Auftrag

Am 18. Oktober 1987 bestellte das Königreich Saudi-Arabien vier schnelle Patrouillenboote bei B + V.1 Der Auftrag umfasste auch die Schulung der Besatzung und die Ausbildung von Technikern.

Die finanzielle Seite

Der Wert des Auftrags wurde 1989 mit rd. 150 Mio. DM angegeben.2

Interessen, Einflussfaktoren, Hintergründe

Der Bestellung waren längere Verhandlungen vorausgegangen. Sie ist im Zusammenhang mit anderen Rüstungsgeschäften zu sehen, an denen Saudi-Arabien interessiert war. Die Beschaffungswünsche, bei denen es z.B. auch um Panzerwagen ging, waren 1986 Gegenstand von Gesprächen, die der saudische Innenminister Prinz Abdel Asis Naif in Deutschland und Franz-Josef Strauss in Saudi-Arabien führten - Thyssen-Vertreter waren stets dabei.3

Zwei etwas kleinere Patrouillenboote gab Saudi-Arabien zunächst bei Abeking & Rasmussen in Lemwerder in Auftrag4; im April 1987 wurden diese 26 Meter langen Einheiten fertiggestellt. B + V kam erst danach mit seinen 38-Meter-Booten zum Zug.

Der Bau

Die eigentliche Bauphase erstreckte sich von August 1988 bis August 1989. Beim Entwurf und Bau wurden Elemente der MEKO-Technologie erstmals auf kleinere Einheiten übertragen.

Die Boote erhielten die Namen "Al Jouf", "Turaif", "Hail" und "Najran". Das erste Bootspaar wurde im September 1989 auf dem Schwergutfrachter "Este Submerger II" nach Saudi-Arabien überführt5, die beiden anderen folgten wenig später.

Technische Daten

Verdrängung: 210 t, Länge: 38,6 m, Höchstgeschwindigkeit: 38 Knoten (70 km/h), Besatzung: 20 Mann

Bewaffnung

Vorne und hinten je eine 20-mm-Kanone von Örlikon (Schweiz). Die Boote haben daneben Vorrichtungen zur Installation von Maschinengewehren.

Das Trainingsprogramm

B + V bildete ab Oktober 1988 vier Bootsbesatzungen zu je 15 Mann und ein Team von 16 saudi-arabischen Werfttechnikern aus. Es war die "erste grosse Aufgabe" des von B + V auf dem Werftgelände eingerichteten "Naval Training Centers".6 An dem Trainingsprogramm, dessen Federführung bei B + V lag, wirkten auch der Bundesgrenzschutz und eine Reihe von Unterauftragnehmern mit. Die Ausbildung durch B + V wurde im Sommer 1990 mit einem zweimonatigen Seetraining in Saudi-Arabien abgeschlossen.

Verwendung

Die Patrouillenboote werden vom saudi-arabischen Grenzschutz (Frontier Force) im Küstenbereich eingesetzt. Zwei von ihnen sind in Jeddah am Roten Meer, die zwei anderen wohl beim Erdölhafen Dammam im Persischen Golf stationiert. Aus militärischer Sicht kommen sie als Waffenträger mit hoher Geschwindigkeit z.B. für Einsätze gegen unbewaffnete Schiffe oder auch für begrenzte Kommandounternehmen in Frage, aber im Vergleich zu den mit Flugkörpern und anderen Waffen ausgestatteten Fregatten und Korvetten von B + V sind sie für Seekriegsoperationen weniger geeignet.

Perspektive

Im Hinblick auf denkbare Fregattenkäufe Saudi-Arabiens tönte B+V-Chef von Nitzsch 1997 in einem "Wehrtechnik"-Interview: "Wir könnten dem Königreich Saudi-Arabien Schiffe liefern, die allen anderen überlegen sind." 7




Anmerkungen:

(1) Zu diesem Abschnitt insgesamt: Jane's Fighting Ships 1995-96, S. 631; Naval Forces, Special Supplement on Blohm + Voss (1991), S. 78ff.; Blohm + Voss: Prisma '88, S. 18f.; Hamburger Abendblatt 3.11.1987, 21.4. u. 3.11.1989.
(2) Hamburger Abendblatt 21.4.1989.
(3) taz 30.4.1986; Mierzwa, S. 136.
(4) Marine-Rundschau Nr. 6/1987, S. 378.
(5) Blohm + Voss: Prisma '89, S. 8.
(6) Blohm + Voss: Prisma '88, S. 19, und Prisma '90, S. 7.
(7) Wehrtechnik Nr. 6/ 1997, S. 43.