Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kapitel 3.7

Kriegsschiffe für Portugal

Der Auftrag

In der ersten Phase der portugiesischen Fregattenplanung spielte die deutsche Kriegsschiffsindustrie überhaupt keine Rolle. Zur Wahl standen 1979 ein belgischer, ein italienischer und ein niederländischer Entwurf.62 Seit 1980 war davon auszugehen, dass Lissabon dem niederländischen Fregattentyp Kortnaer den Vorzug geben würde. Doch dann schafften es Portugiesen und Holländer nicht, das Problem der Finanzierung in den Griff zu bekommen. Die deutschen Kriegsschiffbauer witterten Morgenluft: Mitte 1983 meldete ein Fachblatt, der Bremer Vulkan hoffe darauf, ,zwei oder drei Fregatten vom Typ F 122 für die portugiesische Marine bauen zu können".63 Die Bundesmarine schickte im Frühjahr 1984 die nagelneue Fregatte ,Karlsruhe" nach Lissabon, um mit diesem Anschauungsstück Eindruck zu machen.64

Tatsächlich wandte sich das Blatt, wenn auch nicht zugunsten des Bremer Vulkan: Am 28. August 1984 entschied sich die portugiesische Regierung grundsätzlich für den Kauf von drei Fregatten des B+V-Typs MEKO 200.65 Danach vergingen fast noch zwei Jahre, bis am 25. Juli 1986 der endgültige Bauvertrag unterzeichnet wurde. Zum deutschen Konsortium gehörten die beiden Bauwerften B + V und HDW sowie Thyssen Rheinstahl Technik GmbH, Düsseldorf, und Ferrostaal AG, Essen. Innerhalb des Konsortiums verständigte man sich darauf, in Hamburg das Typschiff, in Kiel die beiden anderen Fregatten zu bauen. Der Umsatzanteil des B+V-Konzerns wird aber kaum geringer gewesen sein als der von HDW, zumal die B+V-Tochter -> Noske-Käser für alle drei Schiffe die Klimatechnik ausführte.

Die finanzielle Seite

Als Kosten für den Bau der drei Kriegsschiffe wurden 1985 insgesamt 1,950 Milliarden DM angesetzt.66 Um den Auftrag nicht doch noch an die holländische Konkurrenz zu verlieren, gewährte das deutsche Lieferkonsortium einen Preisnachlass von 96 Mio. DM. Von der verbleibenden Summe von 1,854 Mrd. DM trug Portugal selbst weniger als ein Viertel, nämlich nur 410 Mio. DM. Die USA stellten 750 Millionen DM zur Verfügung; sechs andere NATO-Staaten (Kanada, Grossbritannien, Frankreich, Norwegen, Luxemburg und die Niederlande) steuerten weitere 300 Millionen DM bei - durchweg mit dem Hintergedanken, der eigenen Rüstungsindustrie Zulieferaufträge zuzuschanzen (s. Übersicht ,Weitere Zulieferfirmen"). Über den Finanzierungsanteil der Bundesrepublik wurde hinter den Kulissen heftig gefeilscht. Immerhin sollte auf die deutsche Industrie ein Lieferanteil von 900 Mio. DM entfallen. Die Regierung Kohl bot Lissabon neben einer ,NATO-Verteidigungshilfe" in Höhe von 140 Mio. DM noch eine ,Rüstungssonderhilfe" von 144 Mio. DM an - dies reichte der finanzschwachen portugiesischen Regierung aber nicht aus. Allmählich geriet man in Zeitnot. Die Bundesregierung wies den für die Mittelbewilligung zuständigen Haushaltsausschuss des Bundestages auf die Gefahr hin, dass die dem Fregattengeschäft wohlgesonnene Regierung Portugals unter Ministerpräsident Soares bald abgelöst werden könnte:67 ,Als Ergebnis der Wahlen zum portugiesischen Parlament am 6. Oktober ds. Js. könnte nach Einschätzung unserer Botschaft eine Regierung die Geschäfte übernehmen, die dem Fregattenprojekt geringere Priorität als anderen Rüstungsprojekten einräumt. Dies könnte dazu führen, dass Rivalitäten zwischen portugiesischer Luftwaffe und Marine zur Bevorzugung eines bereits seit einigen Jahren diskutierten Projekts des Kaufs von Flugzeugen in den USA und zur Aufgabe des Fregattenprojekts führen. Um dem Risiko des Verlustes des Auftrages zu begegnen, ist deshalb ein rascher Abschluss mit Portugal erforderlich."

Vier Tage vor der Wahl, am 2. Oktober 1985, war der Abschluss perfekt: In einem Memorandum of Understanding sagte Bonn der portugiesischen Regierung für den Fregattenbau eine auf 254 Mio. DM aufgestockte Rüstungssonderhilfe zu. Da noch die 140 Mio. DM NATO-Verteidigungshilfe (in 7 Jahresraten 20 Mio. DM) dazukamen, belief sich der vom deutschen Steuerzahler finanzierte Anteil insgesamt auf 394 Mio. DM. Die portugiesische Regierung veröffentlichte an demselben Tag (2.10.1985) einen Kabinettsbeschluss zum Fregattenkauf, an den auch nachfolgende Regierungen gebunden waren. Der Haushaltsausschuss des Bundestages segnete die deutsch- portugiesischen Regierungsvereinbarungen im Nachhinein am 7. November 1985 ab.

Interessen, Einflussfaktoren, Hintergründe

,Mit den drei Fregatten soll Portugal die Seeverbindungen zwischen den USA und Europa im Gebiet der Azoren wirkungsvoller als bisher sichern. Im Ernstfall ist Europa vom Nachschub aus Amerika abhängig."68 Soviel war in der Tagespresse über die Funktion der Kriegsschiffe zu lesen. Im Falle eines Krieges in Europa sollten die Fregatten, so die Vorstellung von NATO-Militärs, vor allem U-Boote des Warschauer Pakts jagen, wenn diese die aus Nordamerika kommenden Nachschubkonvois angreifen sollten. Weniger offen wurde formuliert, dass die strategische Relevanz der Azoren auch mit dem dortigen US-Luftwaffenstützpunkt Lajos und dessen Funktion für mögliche Out-of-Area-Einsätze zusammenhing.69

Die deutsch-portugiesische Finanzvereinbarungen waren mit verschiedenen Koppelgeschäften verknüpft. Für die Erhöhung der Rüstungssonderhilfe zeigte sich Portugal - entsprechend der von deutscher Seite geäusserten Erwartungen - auf anderen Gebieten erkenntlich.70 So erhielt Siemens einen 750 Mio. DM Auftrag zur Digitalisierung des portugiesischen Telefonnetzes. Ausserdem liess die portugiesische Regierung ihre Bereitschaft erkennen, der deutschen Luftwaffe den von ihr seit 1968 genutzten Stützpunkt Beja über das Jahr 1988 hinaus zu günstigen Konditionen weiter für Übungsflüge zu überlassen.71 Die Bundesregierung gab dies gegenüber dem Haushaltsausschuss als Beitrag zum Fluglärm-Export aus.

Thyssen ging bei dem Fregattengeschäft eine Kompensationsverpflichtung ein. Thyssen Rheinstahl Technik (TRT) erklärte sich bereit, Lieferungen und Leistungen in Höhe von rd. 230 Mio. DM aus Portugal abzunehmen. Der grösste Kompensationsauftrag bestand ausgerechnet darin, dass TRT fünf Container- bzw. Mehrzweckfrachter für deutsche Reeder bei einer nordportugiesischen Werft baün liess. Dies hiess: Thyssen sicherte zivile Werftarbeitsplätze im Ausland, um selbst Gewinne beim Export von Kriegsschiffen machen zu können.

Bei den Verhandlungs- und Entscheidungsprozessen hatten sich nicht zuletzt Hamburger Politiker für die Interessen von B + V eingesetzt. Hamburgs Zweiter Bürgermeister Alfons Pawelczyk, seit 1981 auch Mitglied des Verwaltungsrat von B + V, war in seiner Funktion als Bevollmächtigter der Hansestadt in Bonn für das Fregattengeschäft aktiv geworden.72 Von der CDU waren besonders die Hamburger Bundestagsabgeordneten Jürgen Echternach und Klaus Francke für das Projekt eingetreten.73

In der Berichterstattung kam das eigenartige Gemisch von geschäftlichen, politischen und militärischen Interessen, das tatsächlich hinter dem Geschäft stand, kaum vor. Das Hamburger Abendblatt rückte, wie üblich, den Arbeitsplatzeffekt in den Vordergrund: ,Rund 3.500 Arbeitsplätze in Hamburg und Kiel werden in den kommenden vier Jahren durch den Bau der drei Schiffe gesichert."74 In der Vorlage für den Haushaltsausschuss war nur von 3.000 gesicherten Arbeitsplätzen die Rede gewesen. Aber selbst diese Angabe war offenbar stark übertrieben. Bei B + V jedenfalls sollten nach Senatsangaben durch den portugiesischen Fregattenauftrag bis 1990 nur ,zwischen 300 und 500 Arbeitskräfte (mit starken Schwankungen je nach Baufortschritt) beschäftigt" werden.75 Ein Mitglied des B+V-Betriebsrats äusserte nach einem Bericht der taz: ,Arbeit sichert das nicht, nur die Gewinne."76

Traditionslinien

Mit der portugiesischen Marine stand B + V schon längere Zeit in Verbindung. Ein Grund hierfür war das portugiesische Segelschulschiff ,Sagres", das 1937 bei B + V als ,Albert Leo Schlageter" vom Stapel gelaufen war. Militärisch bedeutsamer waren die Korvetten, die B + V ab etwa 1968 für Portugal konstruierte, als das Land noch Diktatur und Kolonialmacht war. 1970/71 bekam die portugiesische Marine 1970/71 zunächst sechs Korvetten, von denen drei in Hamburg selbst und drei auf der spanischen Bazan-Werft gebaut wurden. Da die Einheiten mit einer Verdrängung von 1.380 Tonnen speziell für den Einsatz in den afrikanischen Kolonien Portugals konzipiert waren, protestierten 1969 die angolanische Befreiungsbewegung MPLA in einem Brief an die B+V-Beschäftigten und 1970 die Befreiungsfront von Mozambik, FRELIMO, in einem Offenen Brief an Bundeskanzler Willy Brandt gegen die Kriegsschiffslieferungen an Portugal.77 1972-75 wurden auf der Bazan-Werft noch vier weitere Korvetten des von B+V entwickelten Typs produziert, wiederum mit Teilen aus Hamburg. Diese sollten nach einem geheimen Plan vom Bestellerland Portugal an Südafrika weitergegeben werden.78 Nach der sog. "Nelken"-Revolution von 1974, die die Diktatur in Portugal beendete, behielten die portugiesischen Streitkräfte jedoch auch diese Korvetten, obwohl die Schiffe nach dem Verlust der Kolonien für einen Einsatz in Afrika nicht mehr in Frage kamen.

Der Bau

Nachdem am 1. Oktober 1987 der Stabschef der portugiesischen Marine, Admiral Sousa Leitao, in einer Feier bei B + V das symbolische Startzeichen für die Produktion der drei Fregatten gegeben hatte, begannen die Werkstattarbeiten an der ersten Fregatte im Juni 1988.79 Für die Stahlsektoren des ersten Schiffs verarbeitete B + V allein 1.000 Tonnen Stahl. Aus dem Stapellauf am 26. Juni 1989 machte das Unternehmen wieder ein gesellschaftliches Ereignis mit 500 geladenen Gästen. Die Frau des portugiesischen Verteidigungsministers de Melo taufte das Schiff auf den Namen des Seehelden ,Vasco da Gama", der in der Zeit um 1500 mit seinen Fahrten nach Ostindien die Blütezeit Portugals als Kolonialmacht eingeleitet hatte. Nach Seeversuchen im September und Oktober 1990 wurde das Schiff am 18. Januar 1991 offiziell an die portugiesische Marine übergeben. Die beiden Fregatten-Nachbauten, die bei HDW in Kiel entstanden, wurden, wie der untenstehenden Tabelle zu entnehmen ist, ebenfalls noch im Jahr 1991 abgeliefert.

Vasco-da-Gama-Klasse

Bezeichnung

Kiellegung

Taufe

Indienststellung

Bauwerft

Vasco da Gama (F 330)

01.02.89

26.06.89

01.01.91

B + V

Alvares Cabral (F 331)

01.06.89

06.06.90

01.05.91

HDW

Corte Real (F 332)

01.11.89

06.06.90

01.11.91

HDW



Technische Daten

Verdrängung: 3.200 t (Design Displacement), Länge: 115,9 m, Höchstgeschwindigkeit: 31 Knoten, Besatzung: 184 Mann

Hersteller der Waffensysteme

aus den USA: McDonnell Douglas (Seeflugkörper Harpoon), Raytheon (Flugabwehrraketen Sea Sparrow), General Electric/General Dynamics (hinteres Geschütz), Loral Hycor (Düppelwerferanlage SRBOC) Honeywell (Torpedos);
aus Frankreich: Creusot-Loire Industrie (100-mm-Geschütz auf Vorderschiff),
aus Grossbritannien: Westland Helicopters (Bordhelikopter Super Lynx)

Weitere Zulieferfirmen
In Deutschland würden rd. 150 Zulieferer von dem Projekt profitieren, erklärte das Baukonsortium 1985. Die meisten davon seien mittelständische Fimen im norddeutschen Raum. Von den grösseren Zulieferfirmen wurden damals genannt: AEG, Salzgitter-Werke, BBC, MTU (Dieselmaschinen), Escher-Wyss (Propeller) und -> Noske-Käser (Dauerschutzluftklimasystem). -> Siemens steuerte das zentrale Automationssystem NAUTOS bei.
Aus den USA: General Electric (Gasturbinen), Argo Systems/Boeing (elektron. Kriegführung);
aus den Niederlanden: Hollandse Signaalapparaten (diverse Radaranlagen u.a.),
aus Grossbritannien: Kelvin Hughes (Navigationssysteme);
aus Norwegen: EB Energi AS (Konverter),
aus Kanada: Computing Devices Company (Sonaranlagen),
aus Portugal: Centrel (Kommunikationssystem).

Verwendung

Die Fregatten waren noch gar nicht in Dienst gestellt, da war die ihnen offiziell zugedachte Hauptaufgabe - die Bekämpfung der östlichen U-Boot-Gefahr - mit der Auflösung des Warschauer Pakts bereits entfallen. Als schwimmende Denkmäler des Kalten Kriegs belasten sie nun den kleinen portugiesischen Staatshaushalt - die jährlichen Ausgaben für ihren Unterhalt wurden 1990 mit etwa 540 Millionen DM veranschlagt.80




Anmerkungen:

(62) Vgl. zum gesamten Kapitel Naval Forces Spec. Supplem. Blohm + Voss (1988), S. 60-71
(63) Täglicher Hafenbericht (Hamburg) 28.7.1983. Ein entsprechender Hinweis findet sich schon in der Wehrtechnik Nr. 11/1982, S. 52.
(64) Vgl. den von einem anonymen Autor (***) verfassten Aufsatz ,Deutsche Fregatten für Portugals Marine?" in: Europäische Wehrkunde/WWR Nr. 10/1984, S. 588ff.
(65) Regierungsvorlage vom 19.9.1985 für den Haushaltsausschuss des Bundestages
(66) Auch zum Folgenden: Vorlage der Bundesregierung vom 16.10.1985 für den Haushaltsausschuss des Bundestages; Wehrdienst Nr. 1010 vom 4.11.1985
(67) Zitat aus der Regierungsvorlage vom 19.9.1985
(68) Hamburger Abendblatt 8.11.1985
(69) Vgl. den Aufsatz ,The strategic Relevance of the Azores" des portugiesischen Marinebefehlshabers de Sousa Leitao in: NATO's Sixteen Nations, Sonderausgabe 1/1984, S. 80f.; Bundestags-Drucksache 10/3419 (Mai 1985)
(70) Vgl. die Regierungsvorlage vom 16.10.1985
(71) Der Stützpunkt Beja wurde tatsächlich erst im Dezember 1993 von der Bundeswehr an Portugal zurückgegeben (Wehrtechnik Nr. 2/1994, S. 66).
(72) Hamburger Abendblatt 17.1.196
(73) Bild-Zeitung (Hamburg) und Hamburger Abendblatt vom 8.11.1985
(74) Hamburger Abendblatt 8.11.1985
(75) Bürgerschafts-Drucksache 11/5918, Antwort des Senats auf Frage C II. 1
(76) taz 9.1.1985
(77) Zu MPLA: Südfrüchte aus Oberndorf. Der Reader zum Film, hrsg. von der BUKO-Kampagne ,Stoppt den Rüstungsexport!" u.a., Bonn 1986, S. 71 Anm. 16; zu FRELIMO: Autorenkollektiv St.Pauli-Werftausschuss: Blohm & Voss. Geschichte einer Werft - Beispiel eines Rüstungsbetriebes, hrsg. v.d. SDAJ Hamburg, Dortmund 1971, S. 40f.
(78) Vgl. informationsdienst südliches afrika Nr. 4/1977, S. 8ff.; Stern Nr. 32/28.7.1977, S. 112ff.
(79) Prisma '87 (Informationen für Betriebsangehörige und Freunde des Hauses Blohm + Voss AG), S. 33; zum Folgenden: Prisma '88, S. 33; Prisma '89, S. 9; Hamburger Abendblatt 27.6.1989; Naval Forces, Special Supplement on Blohm + Voss (1991), S. 11ff.; Jane's Fighting Ships 1995-96, S. 529.
(80) Die Welt (Hamburg) 1.8.1990 (,Spitzenprodukt ohne Aufgabenfeld?")