Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kapitel 3.6

Kriegsschiffe für Griechenland

Der Auftrag

Bereits 1986 wurde auf der Werft darüber gemunkelt, dass nach der Türkei nun auch der mit ihr im Dauerstreit liegende Nachbar Griechenland MEKO-Fregatten von B + V erwerben wolle. Aber erst am 18. April 1988 wurde die Entscheidung der Athener Regierung über den Kauf von vier Fregatten des Typs MEKO 200 Mod 3HN bekanntgegeben. Am 10. Februar 1989 kamen die Geschäftsparteien vor Piraeus auf dem alten Panzerkreuzer ,Averoff" zusammen, um den Hauptvertrag feierlich zu unterzeichnen; B + V war durch Werftchef Rohkamm vertreten. Der Hauptvertrag und eine weitere Vereinbarung vom 10. Mai 1989 sahen vor: Bau des ersten Kriegsschiffs bei B + V in Hamburg bis 1992, Bau der anderen drei mit Materialpaketen und technischer Unterstützung aus Deutschland auf der griechischen Staatswerft Hellenic Shipyards in Skaramanga bis 1997. An dem Lieferkonsortium waren neben B + V wiederum die für die Finanzierung zuständige Thyssen Rheinstahl Technik GmbH (Düsseldorf) und die Howaldtswerke Deutsche Werft AG (Kiel) beteiligt, wobei letztere nur in relativ geringem Umfang durch Fertigung einiger Materialpakete mitwirken sollte.

Die finanzielle Seite

Der Auftragswert für die vier Kriegsschiffe wurde mit 1,232 Milliarden US-Dollar (rund 2,5 Milliarden DM) angegeben. In dieser Summe nicht enthalten waren die Elektronik- und Waffensysteme, die aus den USA geliefert und über einen Kredit der Foreign Military Sales finanziert werden sollten.51 Den auf B + V entfallenden Umsatzanteil bezifferte Rohkamm Anfang 1989 mit 500-600 Millionen DM.52 Im April 1988, wenige Tage vor der Bekanntgabe des Auftrags, hatte Bundeswirtschaftsminister Bangemann bei seinen Gesprächen mit Griechenlands Ministerpräsident Andreas Papandreou das Geschäft offenbar endgültig unter Dach und Fach gebracht.53 Das Gleitmittel, das Bonn zum Einsatz brachte, nannte sich ,Rüstungssonderhilfe".54 Dafür, dass Athen statt der niederländischen Konkurrenz, die offenbar ein deutlich günstigeres Angebot abgegeben hatte, dem deutschen Konsortium den Zuschlag erteilte, sagte Bonn zu,

  1. der griechischen Armee Waffen im Wert von 348 Millionen DM, darunter 28 generalüberholte Starfighter F-104 G und 75 gebrauchte Panzer Leopard 1, zu schenken, und

  2. 100 Millionen DM direkt für den Bau der Fregatten beizusteuern.

Daneben wurde der übrige deutsche Lieferanteil wie beim Türkei-Fregatten-Geschäft über einen Kredit deutscher Banken finanziert, den die Bundesregierung mit einer Hermes-Bürgschaft absicherte. Die Umstände der Fregattenfinanzierung liessen den ,Spiegel" von einer ,verschleierten Sanierungsaktion für Blohm + Voss" sprechen.

Interessen, Einflussfaktoren, Hintergründe

Schon zu Zeiten der Blockkonfrontation betrachtete die griechische Regierung nicht den Warschauer Pakt, sondern den Erzfeind Türkei als Hauptbedrohung. Kristallisationspunkte der Animositäten sind die östliche Ägäis und Zypern.

Tatsächlich ist die Beschaffung neuer, hochmoderner Fregatten als Reaktion auf die fortgesetzte maritime Aufrüstung der Türkei zu werten - zu der B + V gleichfalls massgeblich beiträgt. Die Krise vom März 1987, in der der türkisch-griechische Streit um die Erdölvorkommen in der Ägäis zu einem Krieg zu eskalieren drohte, wird es der griechischen Marine erleichtert haben, die Notwendigkeit neuer Kampfschiffe innenpolitisch zu begründen.

Eine peinliche Korruptionsaffäre

Die Auftragsvergabe soll - so ein bis heute nicht ausgeräumter Verdacht - von hohen Schmiergeldzahlungen an griechische Politiker und Militärs begleitet gewesen sein. Dass hierüber überhaupt etwas durchsickerte, lag an der Firma ,Zypern Consult" mit Sitz in Como/Schweiz, die sich um die Vermittlungsprovision betrogen fühlte und deshalb eine Klage gegen B + V anstrengte.55 Belegt ist, dass am 31. August 1987 in der Hauptverwaltung von B + V ein Treffen stattfand, bei dem es um das Griechenland-Geschäft ging. Anwesend waren u.a. von B + V Heinz-Georg Wurm (Leiter der Gesamtprojektierung und des Vertriebs von Kriegsschiffen), von Thyssen Heinz Böttger, von Zypern Consult die Kaufleute Elias Tsalikis aus Athen, Klaus Thiele aus Henstedt-Ulzburg und Werner Wintermeyer aus Campione d'Italia sowie Georgios Karavitis, ein Beamter im Beschaffungsreferat des griechischen Wirtschaftsministeriums. Damals sei vereinbart worden, so erklärte Thiele, die Schmiergelder und Provisionen auf ein Schweizer Konto zu überweisen. Bei einem späteren Treffen in Athen habe man sich darauf verständigt, dass B + V eine fünfprozentige Provision in Höhe von 55 Millionen Dollar (über 100 Millionen DM) an Vizepremier Koutsojorgas, an Papandreous Büroleiter Liwanis, an den griechischen Marinechef Admiral Wassilikopoulos und an zwei weitere Personen zahlen solle; daneben sollte für Zypern Consult eine einprozentige Vermittlungsprovision herausspringen. Doch die Schweizer Firma wartete vergeblich auf ihren Anteil. Sie war selbstbewusst genug, um im September 1988 Klage beim Landgericht Hamburg einzureichen. Die Klageschrift bekam politische Brisanz, weil nun auch die Opposition im griechischen Parlament die Bestechungsvorwürfe aufgriff. Die Dementis von B + V wirkten nicht recht überzeugend. Die deutsche Bundesregierung, von Norbert Gansel (SPD) hierzu befragt, sah allerdings keinen Anlass, die Finanzierungshilfe für die griechischen Kriegsschiffe zu überprüfen.56

Im Januar 1990 entschied das Hamburger Landgericht, dass Zypern Consult keine finanziellen Ansprüche gegenüber B + V geltend machen könne, da ein entsprechender, von den Verantwortlichen des Konsortiums unterschriebener Provisionsvertrag nicht vorliege.57 Wenn echte Bestechungsvereinbarungen getroffen worden seien, so das Gericht, wären diese sittenwidrig und von Anfang an nichtig -so oder so: keine Chance für die Kläger, an das Geld heranzukommen. Eine Feststellung zu der eigentlich interessanten Frage, ob Schmiergeld nun geflossen ist oder nicht, traf das Gericht nicht. Generell gilt: Für die deutsche Finanzverwaltung sind Schmiergelder, die deutsche Unternehmen bei Auslandsgeschäften zahlen, keineswegs sittenwidrig - sie können sogar als ,nützliche Ausgaben" von der Steuer abgesetzt werden. Hamburgs Oberfinanzpräsident Dr. Hans de la Motte hat diese Praxis 1995 ausdrücklich bestätigt.58

Der Bau

Nach dem Produktionsbeginn im Mai 1990 fand am 17. Dezember 1990 in Anwesenheit des griechischen Marinechefs die Kiellegung der ersten Fregatte ,Hydra" statt.59 Das Schiff, dessen Produktion im überdachten Baudock 12 erfolgte, wurde am 15. Oktober 1992 mit feierlichem Zeremoniell an die griechische Marine abgeliefert. Ein Brand, der am 13.1.1993 bei einem Übungsaufenthalt in England ausbrach, verursachte unvorhergesehene Zusatzkosten.

Im März 1990 begannen bei B + V die Ausbildungskurse für das Personal der griechischen Nachbauwerft Hellenic Shipyards. Der Bau der drei Fregatten in Skaramanga, für die B + V Materialpakete liefert, sind - offenbar aus Geldmangel - wesentlich langsamer vorangekommen als geplant. Ob das Bauprogramm noch 1997 abgeschlossen wird, erscheint sehr zweifelhaft. Einige Experten rechnen damit, dass das Programm erst im Jahr 2001 beendet werden kann.60 Für die sog. ,Güteprüfung" der vier Kriegsschiffe ist - im Auftrag des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung (!) - der -> Germanische Lloyd zuständig.61

Hydra-Klasse

Bezeichnung

Kiellegung

Taufe

Indienststellung

Bauwerft

Hydra (F 452)

12/90

25.06.91

11/92

B + V

Spetsai (F 453)

08/92

09.12.93

10/96

Hellenic SY

Psara (F 454)

12/93

20.12.94

1997?

Hellenic SY

Salamis (F 455)

12/94

01.03.97

1997?

Hellenic SY



Technische Daten

Verdrängung: 3200 t (Design Displacement), Länge: 117,5 m, Höchstgeschwindigkeit: 31 Knoten, Besatzung: 189 Mann

Hersteller der Waffensysteme aus den USA: FMC Corporation (Geschütz auf Vorderschiff), Raytheon (Sea Sparrow-Flugabwehrsystem), McDonnell Douglas (Seezielflugköper Harpoon), General Dynamics/General Electric (Geschütze), Honeywell (Torpedos), Sikorsky (Seahawk-Hubschrauber)

Weitere Zulieferfirmen aus Deutschland: MTU Friedrichshafen (Dieselmotoren) und wahrscheinlich viele der Firmen, die auch am Fregattengeschäft mit der Türkei beteiligt sind (s. dort)
aus den USA: General Electric (Gasturbinen), Raytheon (Sonar), Argo-Systems (elektron. Kampfführung);
aus den Niederlanden: Hollandse Signaalapparaten (Radar, Kampfdatensystem),
aus Grossbritannien: Racal (Navigationssystem)




Anmerkungen:

(51) Die Welt (Hamburg), 11.2.1989; Jane's Fighting Ships 1995-96, S. 264
(52) Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.2.1989
(53) Hamburger Abendblatt 19.4.1988
(54) Zum Folgenden Spiegel Nr. 26/26.6.1989, S. 89f.; Wehrtechnik Nr. 5/1993, S. 51
(55) Zum Folgenden Hamburger Abendblatt 17.3.1989; Spiegel Nr. 26/26.6.1989, S. 89f.
(56) Bundestags-Drucksache Nr. 11/5198, Antwort auf Fragen 4 und 5
(57) Die Welt (Hamburg) 12.1.1990
(58) Hamburger Abendblatt 13.7.1995 und 14.7.1995 (Leserbrief)
(59) Naval Forces Spec. Supplem. Blohm + Voss (1991), S. 40 u. 44; zum Folgenden vgl. die B+V-Geschäftsberichte ab 1988/89; Blohm + Voss: Prisma '90, S. 12; Prisma-Zeitung Nr. 1/1993, S. 3
(60) Prézelin 1995, S. 246
(61) Germanischer Lloyd: Tätigkeitsbericht 1994, S. 61