Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kapitel 3.2.1

Fregattenprogramm F 122



Der Auftrag

Am 15. Juni 1977 bestimmte das Bundeskabinett den Bremer Vulkan zum Generalunternehmer für das Fregattenprogramm F 122 und beschloss zugleich, am Bau der sechs Kriegsschiffe vier weitere norddeutsche Werften zu beteiligen.1 Ein entsprechender Vertrag wurde am 21. November 1977 zwischen dem Bremer Vulkan und dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung geschlossen. Dem Generalsubunternehmer -> AEG-Telefunken wurde die Ausrüstung der Fregatten mit Waffen- und Führungssystemen übertragen.

Der Bremer Vulkan baute das Typschiff selbst und übernahm bei den übrigen fünf Fregatten die Endausrüstung. Während die AG Weser (Bremen), HDW (Kiel) und TNSW (Emden) jeweils eine Fregatte mit "Schnittstelle niedrig" (Bauanteil ca. 70 Prozent) ausführten, fertigte B + V als einzige Werft zwei Fregatten mit "Schnittstelle hoch" (Bauanteil ca. 90 Prozent).

Die finanzielle Seite

Nach dem Bauvertrag in der Neufassung vom 29.1.1979 belief sich die Auftragssumme für die sechs Fregatten auf 1,794 Mrd. DM (mit Umsatzsteuer auf 2,01 Mrd. DM). Davon sollten "nur" 393 Mio. DM auf den Generalunternehmer Bremer Vulkan entfallen, aber rd. 900 Mio. DM auf den Generalsubunternehmer AEG-Telefunken. Der hohe AEG-Anteil erklärt sich daraus, dass in ihm die Kosten für teure Waffen- und Elektronikanlagen enthalten waren, die AEG vorwiegend im Ausland beschaffte. Für B + V war in dem Vertrag von 1979 eine Summe von 116 Mio. DM vorgesehen - nicht mitgerechnet die 19,7 Mio DM, die B+V-Tochter Noske-Käser für die Klimatechnik der Fregatten erhalten sollte. Vermutlich hat sich der B+V-Anteil während der Bauphase, in der es zu einer kräftigen Kostensteigerung kam, noch erhöht.

Interessen, Einflussfaktoren, Hintergründe

In militärischer Hinsicht resultierte das F-122-Fregattenprogramm aus einer 1972 neuformulierten Konzeption der Bundesmarine, die eine Intensivierung der Aktivitäten in der Nordsee vorsah. Im Kriegsfall sollten dort künftig moderne Lenkwaffen-Fregatten, so die Vision der Marineführung, die Nachschublinien zwischen Nordamerika und Westeuropa sichern und mit Hilfe ihrer Bordhubschrauber sowjetische U-Boote jagen. Neben den militärischen Zielsetzungen erwies sich bald die schwere Krise des deutschen Schiffbaus als Motor für das Fregattenprojekt. Unter den fünf norddeutschen Grosswerften, die 1975 vom Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) zur Abgabe eines Angebots aufgefordert worden waren, entwickelte sich ein Konkurrenzkampf, der um so heftiger wurde, desto schlechter die Gewinnaussichten im Handelsschiffbau wurden. 1976 formierten sich zwei Werftgruppen: Der Verbindung Bremer Vulkan/HDW (Bremen/Kiel) stand die Gruppe B + V/Thyssen Nordseewerke/AG Weser (Hamburg/Emden/Bremen) gegenüber. Als sich das BWB für das Angebot der Bremer-Vulkan-Gruppe aussprach, wollte die Thyssen-dominierte Gegengruppe dies nicht ohne weiteres akzeptieren. Unterstützt von Parlamentsfreunden aus den Reihen der SPD und der CDU argumentierte diese, ihr Angebot sei nicht nur günstiger, sondern berücksichtige auch mehr Zulieferer. Wie der "Spiegel" berichtete, streuten die Lobbyisten sogar gezielt die Verdächtigung, beim Bremer Vulkan sässen "einige Kommunisten" im Betriebsrat.2

Unter massgeblicher Mitwirkung von Bundeskanzler Schmidt wurde schliesslich ein Weg gefunden, durch den alle fünf Werften am Bauprogramm beteiligt wurden. Spätestens an diesem Punkt bekam der Fregattenbau den Charakter eines Krisenbewältigungsprogramms für die deutsche Werftindustrie. Denn die politisch Verantwortlichen waren sich darüber im Klaren, dass die Aufteilung des Auftragkuchens aus finanzieller wie produktionstechnischer Sicht unsinnig war und die Gesamtkosten um mindestens 300 Mio. DM in die Höhe treiben würde.3

Der Bau

Insgesamt war B + V mit dem Bau der zwei F-122-Fregatten knapp zweieinhalb Jahre befasst:

Fregatte "Rheinland-Pfalz" (F 209)



Fregatte "Köln" (F 211)



Technische Daten für beide Schiffe

Verdrängung: 3.600 t, Länge: 130 m, Höchstgeschwindigkeit: 30 Knoten, Besatzung: 207 Mann

Feierlichkeiten

Beide Stapelläufe wurden aufwendig inszeniert, wobei man sich alle Mühe gab, vom kriegerischen Charakter des Produkts abzulenken. Für die Taufe der Fregatte "Rheinland-Pfalz" wurden das Marinemusikkorps Ostsee, ein Jagdhorn-Bläserchor, Weinprinzessinnen und eine sich zu rheinischen Trinkliedern wiegende Winzertanzgruppe aufgeboten, um die erwünschte "Volksfeststimmung" zu erzeugen.

Militärische Verwendung

Beide Schiffe sind in Wilhelmshaven, dem traditionellen deutschen Nordsee-Kriegshafen, stationiert. Während des Golfkriegs von 1991 gehörte die Fregatte "Köln" zu dem Schiffsverband "Southern Guard", der im Mittelmeer strategisch wichtige Positionen besetzte. 1994 konnte man die "Köln" vor dem Hafen von Mogadischu als Führungsschiff des deutschen "Marineverbands Somalia" wiedersehen. Sie wirkte dabei mit, Bundeswehreinheiten aus dem Kriegsgebiet zurückzuholen.

Kritik/Proteste

Frühzeitig wurde von Friedensforschern und Rüstungskritikern darauf aufmerksam gemacht, dass das Fregattenprogramm B + V und die anderen beteiligten Werften in eine nur schwer wieder rückgängig zu machende Abhängigkeit von Kriegsschiffsaufträgen führen würde.4 Anlässlich des Stapellaufs der Fregatte "Rheinland-Pfalz" im September 1980 warnte der damals noch in Hamburg tätige Friedensforscher Herbert Wulf: 5

"Der `künstliche' Aufbau von Werftkapazitäten, der jetzt durch das Fregattenprogramm stattfindet, wird in wenigen Jahren unweigerlich zur nächsten Werftenkrise führen - oder zur Belastungsprobe für unseren inneren Frieden."

Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Prof. Jörg Huffschmid stellte in dem 1981 erschienenen Buch "Für den Frieden produzieren" dar, dass "Rüstungsaufträge als beschäftigungspolitisches Instrument für die Werften denkbar ungeeignet sind" und dass mit einem Konversionspaket bedeutend mehr Arbeitsplätze gesichert werden könnten als mit dem Fregattenprogramm. 6

Auch unter der Werftbelegschaft regte sich Protest. Am Tag des Stapellaufs der "Köln" am 29. Mai 1981 wurden auf dem Werftgelände Handzettel geklebt und verteilt, Aufschrift: "Soll B & V Profit mit Fregatten raffen? Wir wollen lieber für den Frieden schaffen!". Einem Jugendvertreter, den die Werftleitung beim Verbreiten des Handzettels beobachtet haben wollte, wurde die fristlose Kündigung ausgesprochen. Die Aktion ginge weit über das akzeptable Mass der persönlichen Meinungsfreiheit hinaus, befand die Chefetage, ausserdem könne sie eine unerwünschte "Unruhe auf dem Werftgelände herbeiführen". Der Betriebsrat lehnte die fristlose Kündigung ab; die Jugendvertretung von B + V forderte zu Solidarität mit dem Betroffenen auf.7




Anmerkungen:

(1) Vgl. zum Folgenden Andreas Harder: Das Waffensystem Fregatte 122, in: Deutscher Kriegsschiffbau heute, hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik e.V., München 1982, S. 9-22; Jörg Huffschmid (Hrsg.): Für den Frieden produzieren. Alternati
(2) Spiegel Nr. 24/1977, S. 18
(3) Ebd.
(4) So der Autor dieses Textes in Ulrich Albrecht/Peter Lock/Herbert Wulf: Arbeitsplätze durch Rüstung?, Hamburg 1978, bes. S. 123
(5) Zitiert nach Szene Hamburg Nr. 11/1980, S. 23 (Interview mit Roland Jäger)
(6) dort S. 48ff.
(7) Erklärung der Jugendvertretung von B + V vom 9.6.1981; vgl. die tat Nr. 27/3.7.1981