Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

vorheriges Kapitel

Kapitelübersicht

nächstes Kapitel

Suche im Buch

Startseite

Firmenverzeichnis



Kapitel 3.1.5.

Die Freunde in der Politik

B + V hat schon immer einen besonderen Draht zu den Mächtigen im Land gehabt. Das gute Verhältnis zum Hamburger Bundeskanzler Helmut Schmidt, in dessen Amtszeit B + V mit der Rüstungsexportoffensive beginnen konnte, dokumentierte sich z.B. im April 1977, als Schmidt zur 100-Jahr-Feier von B + V erschien und dabei der Werftindustrie bedeutende Hilfen und Marineaufträge ankündigte.1 1981 überbrachte die B+V-Spitze dem passionierten Segler ein Modell des Segelschulschiffs "Gorch Fock" zur Aufstellung im Bundeskanzleramt - es wirkte wie ein "Dankeschön" für die rüstungsexportfördernde Politik des Kanzlers.2 Schmidt war übrigens bei früherer Gelegenheit Besitzer einer bei B + V gebauten Conger-Jolle geworden. Als Helmut Kohl im Oktober 1982 Bundeskanzler wurde, gehörte B + V zu den ersten Unternehmen, die er besuchte (am 2.12.1982). Auch bei deutschen Verteidigungsministern - vom Hamburger Hans Apel über Manfred Wörner3 und Gerhard Stoltenberg bis hin zum Hamburger Volker Rühe - hatte B + V stets gute Karten. Als die Unternehmensleitung am 22. November 1994 ein Symposium "Exportchancen des deutschen Marineschiffbaus" veranstaltete, um mehr politische Unterstützung für Rüstungsexporte zu verlangen, war es für sie keine Schwierigkeit, den EU-Kommissar für Industriepolitik Martin Bangemann (FDP) als Referenten zu gewinnen - 4 als deutscher Wirtschaftsminister hatte Bangemann B + V schon 1988 bei den Fregattengeschäften mit Griechenland und Australien geholfen (s. die entsprechenden Kapitel). Bei den Landesregierungen der norddeutschen Küstenländer hat die Kriegsschiffsindustrie gleichfalls immer wieder Fürsprecher gefunden. Der Hamburger Senat hat den Rüstungskurs von B + V in vielfältiger Weise unterstützt, mal durch Interessenvertretung auf bundespolitischer Ebene, mal durch Werfthilfe-Zuwendungen für betriebliche Infrastrukturmassnahmen.5 Im Verwaltungsrat von B + V haben als Senatsvertraute mitgewirkt: der Chef der landeseigenen Hamburgischen Landesbank, Hans Fahning (seit mindestens 1980), Senator Alfons Pawelczyk (1981-87) sowie die Wirtschafts-Staatsräte Gerhard Schattschneider (1978-81) und Claus Noé (seit 1988). Die Thyssen-Werften und ihr Rüstungspartner HDW haben auch im Bundestag manchen Freund sitzen. Besonders wichtig ist es bei Rüstungsvorhaben, sich das Wohlwollen einer Mehrheit im Haushalts- und Verteidigungsausschuss zu sichern. Etlichen Abgeordneten scheint es dort hauptsächlich darum zu gehen, möglichst viel aus der Staatskasse für die heimische Rüstungsindustrie herauszuholen.

Vorsitzender des Haushaltsausschusses wurde zu Beginn der laufenden Wahlperiode der SPD-Abgeordnete Helmut Wieczorek, ehemals Duisburger Bürgermeister. Die "Wehrtechnik" schrieb über ihn 1994: "Er kennt die Rüstungsindustrie im Detail. Vom Dreherlehrling bis zum Oberingenieur hochgearbeitet, hat er zuletzt bei der Thyssen AG unmittelbar dem Vorstand zugearbeitet."6 Wieczorek sitzt auch in jenem nur siebenköpfigen Unterausschuss des Haushaltsausschusses, der offiziell "Berichterstattergruppe zum Einzelplan 14" und inoffiziell " Rüstungsbewilligungsausschuss" heisst. Zufall oder nicht, in diesem wenig bekannten Gremium arbeiten auch drei Herren mit, die sich besonders für norddeutsche Rüstungsinteressen einsetzen: der Itzehoer CDU-Abgeordnete Dietrich Austermann als Unterausschussvorsitzender, der Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen FDP Jürgen Koppelin und der niedersächsische SPD-Abgeordnete Ernst Kastning.

In dem für Rüstungsvorhaben ebenfalls bedeutsamen Verteidigungsausschuss wirkt als treuer Förderer des Kriegsschiffbaus bei B + V Hamburgs ehemaliger Senator, Oberst a.D. Peter Zumkley (SPD). Seine Partei hat ihn dort u.a. zum Mitberichterstatter für das Kapitel 1418 des Einzelplans 14 gemacht - das umfasst Kriegsschiffe und Marinegerät.7

Die genannten Abgeordneten sind sich für PR-Termine bei B + V nicht zu schade. Im Oktober 1996 besuchten zunächst Austermann und Koppelin die Werft. Das christlich-liberale Duo betonte die Bedeutung der von ihnen mitbewilligten neuen Marineaufträge (Fregatte 124) für die Überlebensfähigkeit von B + V. Der Freidemokrat Koppelin sprach sich zugleich für die Fortsetzung der Kriegsschiffsexporte in die Türkei aus, auch warb er nochmals für eine Genehmigung des Marinegeschäfts mit Taiwan.8 Mit einer fast identischen Botschaft erschienen dann im Januar 1997 die SPD-Abgeordneten Peter Zumkley und Ernst Kastning auf der Werft.9 Mit Werftchef Herbert von Nitzsch und Betriebsrat Tetau liessen sich die beiden Volksvertreter vor dem im Bau befindlichen Kriegsschiff für die Türkei ablichten. Den eingeladenen Journalisten gegenüber traten Zumkley und Kastning entschieden für die Fortsetzung des Kriegsschiffbaus ein und forderten B + V auf, sich beim geplanten Korvettenprojekt der Bundesmarine (siehe Abschnitt "Kriegsschiffe für Deutschland") zu beteiligen. Aufschlussreich war ihre Forderung, die Personalstärke der Bundeswehr zu verkleinern, um Rüstungsprojekte finanzieren zu können. Unterstützung sagten die beiden B + V auch beim Export von Kriegsschiffen zu: "Nur mit derartigen Aufträgen", so Zumkley, "können Auftragstäler durchschritten werden. Von der Bundesmarine allein können die Werften nicht leben."10 Es war genau das, was die Werftleitung hören wollte -von ziviler Produktion, Konversion oder dergleichen war nicht die Rede.

Als am 27. August 1997 ein gemeinsamer Wahlkampfantritt von Bürgermeister Voscherau und Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder bei B + V inszeniert wurde, fanden auch sie keinen besseren Platz, um für die Fotografen zu posieren, als den Bug der neuen Türkei-Fregatte, gegen deren Export sicj die Bundestags-SPD 1995 ausgesprochen hatte. Eine Demonstration für den Kriegsschiffsexport!




Anmerkungen:

(1) Die Welt, Hamburg-Teil, 6.4.1977
(2) Blohm + Voss: Auf unserer Werft 1981, S. 30. Bei der Überreichung des Schiffsmodells war auch B+V-Arbeitsdirektor Werner Knödler dabei. In seiner früheren Funktion als B+V-Betriebsratsvorsitzender hatte Knödler zusammen mit Kollegen von acht anderen
(3) Als neuer Verteidigungsminister besuchte Wörner B + V am 9.12.1982 und erklärte, die Auslastung von Rüstungskapazitäten mit Exportaufträgen läge "im Interesse des Gesamtstaates" (Die Welt, Hamburg-Teil, 10.12.1982).
(4) Vgl. Hamburger Abendblatt 23.11.1994; Marineforum 1/2-1995, S. 21; Soldat und Technik Nr. 1/1995, S. 16
(5) Beispielsweise stellte der Senat 1980-83 für den Umbau der Werftanlagen 31,5 Mio. DM zur Verfügung. Die damit finanzierte Umgestaltung des Steinwerder Kais kam auch dem Kriegsschiffbau zugute. Davon war in der Presse natürlich nicht die Rede; der Öffentlichkeit wurde die Massnahme mit der Ankündigung nahegebracht, dass mit dieser Finanzspritze 500 Arbeitsplätze geschaffen würden. (Vgl. Hamburger Abendblatt, Die Welt/Hamburg-Teil und Hamburger Morgenpost 30.7.1980, daneben Blohm + Voss: Auf unserer Werft 1980, S. 9)
(6) Wehrtechnik Nr. 12/1994, S. 3
(7)Wehrdienst Nr. 5/30.1.1995, S. 2
(8) Die Welt (Hamburg) 24.10.1996
(9) Die Welt (Hamburg) und Hamburger Abendblatt 23.1.1997
(10) Zit nach: Die Welt (Hamburg) 23.1.1997