Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

vorheriges Kapitel

Kapitelübersicht

nächstes Kapitel

Suche im Buch

Startseite

Firmenverzeichnis



Kapitel 3.1.3.

MEKAT: Luftkissen-Katamarane nur militärisch brauchbar ?

Wie intensiv hat sich B + V darum bemüht, mit neuen Produkten die Abhängigkeit vom Kriegsschiffbau abzubauen? Das im Folgenden zu schildernde Beispiel gibt eine ernüchternde Antwort auf diese Frage.

Mit der Entwicklung eines schnellen Luftkissen-Katamarans wollte B + V in den 80er Jahren die Grundlagen für ein grosses Geschäftsfeld der Zukunft legen.1 Dieser Schiffstyp wird auch als SES (Surface Effect Ship) bezeichnet. Es handelt sich dabei um ein Doppelrumpfschiff, das durch ein Luftkissen soweit aus dem Wasser gehoben wird, dass nur noch ca. 20 Prozent des Schiffsgewichtes vom Wasser, aber fast 80 Prozent vom Kissen getragen werden. Gegenüber der Öffentlichkeit hob B + V zunächst die friedlichen Nutzungsmöglichkeiten dieses Schiffstyps in den Vordergrund, aber im Laufe der Zeit wurde immer deutlicher,dass B + V eher die möglichen militärischen Interessenten im Blick hatte.2

Nach den 1982-85 durchgeführten Entwurfsarbeiten baute B + V 1987/88 auf eigene Rechnung und mit Unterstützung der Zulieferindustrie den Prototyp "Corsair", einen 36 m langen, 160 Tonnen verdrängenden, ganz aus glasfaserverstärktem Kunststoff bestehenden Luftkissen-Katamaran, der eine Höchstgeschwindigkeit von 50 Knoten (über 90 km/h) erreicht. Bei der Vorstellung des "Corsair" am 30. März 1989 erklärte die Werft gegenüber der Presse, sie betrachte das Schiff "als Beginn einer neuen Generation von Hochgeschwindigkeitsfähren, die mit bis zu 500 Passagieren und auch leichter Ladung beispielsweise zwischen den Karibik-Inseln oder im Mittelmeer pendeln werden".3

Experten fiel gleich die eigentümlich hochgezogene Brücke der "Corsair" auf. Der Grund hierfür lag in der angepeilten militärischen Verwendung des Katamarans. In eine Lukenöffnung vor der Brücke sollte ein MEKO-Waffen- Container eingepasst werden können. Um über das darauf zu installierende Geschütz hinwegblicken zu können, hatte man die Brücke mit dem Fahrstand so hoch angeordnet.4

Tatsächlich verwandelte sich die "Corsair" 1990/91 in ein Erprobungs-Kriegsschiff; sie wurde mit einer Bofors-Bordkanone und einem Waffenkontrollsystem von Hollandse Signaalapparaten ausgerüstet. In Kooperation mit der Wehrtechnischen Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen (WTD 71) in Eckernförde führte B + V nach dem Umbau ausgiebige Testfahrten in der Ostsee durch.

Bei der Weiterentwicklung des Luftkissenkatamarans konzentrierte sich B + V auf militärische und paramilitärische Versionen, die seit 1993 mit beträchtlichem Werbeaufwand unter der Bezeichnung MEKAT (Mehrzweck-Katamaran) angeboten werden. Zu einer der ersten internationalen Präsentationen der MEKAT-Palette kam es im Februar 1993 auf der Rüstungsmesse IDEX in Abu Dhabi. Der Kunde kann derzeit zwischen drei Grössen wählen: MEKAT 80, MEKAT 150 und MEKAT 200. Insbesondere die grösste, hochseefähige Version MEKAT 200 (Länge ca. 43 m, Verdrängung 190-240 Tonnen), die mit Gasturbinen eine Höchstgeschwindigkeit von 55 Knoten (über 100 km/h) erreichen könnte, soll das Interesse von Seestreitkräften wecken: B + V bietet sie je nach Wunsch als Hubschrauberträger, als Raketen- oder Torpedo-Schnellboot, als Minenkampfschiff oder als schnelles Landungsschiff an. B+V-Ingenieur Wolfgang Bohlayer hat die "ausgezeichneten Flachwassereigenschaften" des MEKAT hervorgehoben und beschrieben, wie gut die Variante MEKAT 200 HSLC (High Speed Landing Craft) bei militärischen Landungsunternehmen vor fremden Küsten eingesetzt werden könnte:5 „Aufgrund der erprobten Luftkissentechnologie kann der MEKAT 200 HSLC - weitgehend unabhängig von den herrschenden Seegangsverhältnissen und Wassertiefen - mit hoher Geschwindigkeit das beabsichtigte Landungsgebiet erreichen, die Landung von Truppen und Material durchführen und ebenso schnell das Operationsgebiet wieder verlassen."

Die früher formulierte Absicht, sich mit Luftkissen-Katamaranen auf dem zivilen Markt für Hochgeschwindigkeitsfähren ein neues, ökonomisch tragfähiges Standbein zu verschaffen, hat B + V nach dem Ausbleiben von Bestellungen offenbar aufgegeben. Zwar kommen inzwischen immer mehr schnelle Katamaran-Fahrgastschiffe zum Einsatz - z.B. seit 1996 zwischen Hamburg und Stade ("Elbe-City-Jet") - doch an B + V sind diesbezügliche Neubauaufträge stets vorbeigegangen. Allein den Prototyp "Corsair" konnte die Hamburger Werft nach siebenjähriger Erprobung 1997 an einen skandinavischen Reeder verkaufen.6




Anmerkungen:

(1) Zum Folgenden: Naval Forces Spec. Supplem. Blohm + Voss (1991), S. 83ff.; Naval Forces Nr. IV/1993, S. 60ff.; Wehrtechnik Nr. 8/1994, S. 61ff.; Schiff & Hafen Nr. 12/1996, S. 34.
(2) Blohm + Voss: Prisma '88, S. 16
(3) Hamburger Abendblatt 31.3.1989
(4) Hansa Nr. 11/12-1989, S. 801
(5) Schiff & Hafen Nr. 12/1996, S. 34
(6) Hamburger Abendblatt 17.2.1997