Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kapitel 3.1.2.

MEKO: mit einer "Philosophie" an die Spitze des Kriegsschiffbaus

Die technische Trumpfkarte, die B + V zunächst im Rüstungsexport zum Durchbruch verhalf, hieß MEKO. Es ist ein Kürzel für "Mehrzweckkombination". Laut B + V verbindet sich mit MEKO eine Philosophie, nämlich "die modernste Entwurfsphilosophie im Marineschiffbau heute und morgen".1 In der Mitarbeiterzeitung wird erläutert:

"Hauptmerkmal des MEKO-Entwurfskonzeptes ist die Verwendung standardisierter Module - meist in Form von Containern oder Paletten für die Waffen-, Elektronik- und auch Schiffsbetriebssysteme. Diese Module werden in standardisierte Decksöffnungen eingesetzt und über genormte Schnittstellen mit den entsprechenden Systemen des Schiffes verbunden (also z.B. mit der Stromversorgung, der Klimatisierung, dem Datennetz etc.). Da diese Module unabhängig vom Bauzustand des Schiffes produziert werden können, lässt sich die Bauzeit des Gesamtsystems erheblich reduzieren. Spätere Überholungen und Modernisierungen lassen sich wegen der kurzen Montagezeiten erheblich zeit- und kostengünstiger durchführen."

Um die Idee bis zur Produktionsreife zu entwickeln, führte B + B zwischen 1970 und 1976 eingehende Studien und Tests durch.2 Als erster Prototyp eines MEKO-Moduls wurde 1973 in Kooperation mit dem italienischen Rüstungskonzern OTO Melara (mit dem B + V auch im Panzerbau zusammenarbeitete) ein Waffencontainer für ein 76-mm-Bordgeschütz produziert. Zahlreiche Modulvarianten für andere Geschütze und Raketensyteme sowie Container für Radar-, Sonar-, Feuerleit- und Kommunikationselektronik kamen später hinzu.

Entscheidende Hilfe bei der Entwicklung dieser kriegstechnischen Innovation, die B + V zu einem der grössten Rüstungsexporteure Deutschlands machte, erhielt die Werft von der Bundeswehr. So wurde der erwähnte Modul-Prototyp 1974 zunächst an Land in der Wehrtechnischen Dienststelle für Waffen und Munition in Meppen, 1975 dann an Bord eines deutschen Zerstörers getestet. Die Kosten für den Umbau des Zerstörers und für die Seeversuche trug nicht etwa B + V, sondern das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung.

Von 1977 bis 1994 haben sieben ausländische Seestreitkräfte insgesamt 36 MEKO-Kriegsschiffe bestellt. Es handelte sich dabei um: 1 Fregatte MEKO 360 für Nigeria (inzwischen schrottreif), 4 Fregatten MEKO 360 und 6 Korvetten MEKO 140 für Argentinien (wobei 2 Korvetten nicht fertiggestellt wurden), 8 Fregatten MEKO 200 für die Türkei, 3 Fregatten MEKO 200 für Portugal, 4 Fregatten MEKO 200 für Griechenland, 8 Fregatten MEKO 200 für Australien und 2 Fregatten MEKO 200 für Neuseeland. Auffällig ist die Tendenz, die Produktion der Kriegsschiffe auf auswärtige Werften zu verlagern. Von den 36 genannten Kriegsschiffen wurden oder werden 10 in Hamburg selbst, 3 weitere bei HDW in Kiel, die übrigen 23 aber auf Werften in Argentinien, der Türkei, Griechenland und Australien gebaut. Für B + V bedeutet dies: gute Einnahmen durch Blaupausen-, Know-how- und Materialexporte, aber wenig Beschäftigung für Hamburger Werftarbeiter.

Die Exporterfolge mit den MEKO-Kriegsschiffen haben B + V den Weg an die Spitze der deutschen Kriegsschiffsbauer gebahnt. Die beiden früheren Hauptkonkurrenten bei der Konstruktion von Überwasserkampfschiffen wurden deutlich abgehängt. Der Bremer Vulkan blieb im Kriegsschiffsexport fast völlig erfolglos3, und die Kieler HDW-Werft verzichtete ab 1982 auf eigenständige Exportaktivitäten in diesem Bereich. Sie wählte dafür - erstmals beim Fregattengeschäft mit der Türkei - den Weg der Kooperation mit B + V, um so an den MEKO-Geschäftserfolgen teilzuhaben.4 Die Konsequenz war, dass HDW sich mit der Rolle der "zweiten Geige" begnügen musste - bei allen Fregattengeschäften liegt seitdem die Federführung bei B + V. Die Zusammenarbeit beider Werften ist 1992 durch einen Kartellvertrag verfestigt worden, der sich auf den Export von Überwasserkampfschiffen über 1.000 t Standardverdrängung in Länder ausserhalb der Europäischen Gemeinschaft bezieht und der vom Bundeskartellamt genehmigt wurde.5

Mit dem Bau der Fregattenklasse 123 ist die MEKO-Baukastentechnik auch bei der Bundesmarine eingeführt worden.

Allein die Werbung für die MEKO-Kriegsschiffe verschlingt ein Vermögen. Vom 26. - 29. August 1997 hat das Deutsche Fregattenkonsortium, angeführt von B + V, in Hamburg die erste MEKO-Konferenz, "MECON '97" ausgerichtet.6 Mit ihr wurde das Ziel verfolgt, die Kontakte zwischen den MEKO-Nutzermarinen, potentiellen neuen Käuferländern und der Industrie zu intensivieren. Zu dieser Kriegsschiff-Werbeveranstaltung, die unter der Schirmherrschaft des Verteidigungsministeriums stand, kamen Militärs und Industrievertreter aus 32 Staaten. Zu den 22 vertretenen Nicht-NATO-Ländern gehörten u.a.: Argentinien, Brasilien, Chile, Peru, Indonesien, Thailand, Malaysia, Philippinen, Katar, Südafrika, Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate, Kuweit, Indien und Pakistan, als ehemaliger Ostblockstaat auch Polen.

Der Hamburger Senat veranstaltete für die Teilnehmer der Kriegsschiffskonferenz einen Rathausempfang. Bürgermeister Voscherau erklärte in einem Grusswort, er sei "glücklich" über die Entscheidung, die MECON '97 in Hamburg stattfinden zu lassen.




Anmerkungen:

(1) Auch das folgende Zitat aus Blohm + Voss: Prisma-Zeitung Nr. 3/1993, S. 1
(2) Vgl. Naval Forces Spec. Supplem. Blohm + Voss (1991), S. 40f.
(3) Der Bremer Vulkan konnte nur 1980 ein grösseres Versorgungsschiff für die malaysische Marine bauen.
(4) Vgl. Wehrtechnik Nr. 12/1995, S. 61f. - 1980/81 hatte HDW sechs leichte Fregatten an Kolumbien und Malaysia verkauft, ohne dabei die erwarteten Gewinne machen zu können.
(5) Handelsblatt 2.1.1991; Bundesanzeiger 20.2.1992
(6) Vgl. Schiff & Hafen Nr. 12/1996, S.7; Wehrtechnik Nr.6/1997, S.42 ff. .