Dieses Dokument ist Teil des Buches „Wie geschmiert - Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg“, 1998

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Kapitel 3.1

Die Rahmenbedingungen



Kapitel 3.1.1.

Die Abkehr vom Handelsschiffbau

Bis in die 70er Jahre hinein war das wichtigste Geschäftsfeld von B + V der Bau von Fracht- und Containerschiffen, von Verkehrsmitteln also, die im seegebundenen Gütertransport eine reale wirtschaftliche Funktion erfüllen. Doch dann liessen neue Schiffbaukapazitäten in Billiglohnländern wie z.B. Südkorea und die Ölkrise die Preise für Handelsschiffe sinken. Ab 1972/73 blieben zunächst die Aufträge der grossen Hamburger Reedereien, insbesondere der bisherigen B+V-Stammkunden Hamburg-Amerika-Linie, Hamburg-Süd und Ahrenkiel, weg. Ab 1977 verbuchte B + V auch keine Exportaufträge im Handelsschiffbau mehr. Am 5. April 1977, dem Tag, an dem B + V das 100jährige Bestehen feierte, lief mit dem Massengutfrachter "Australian Progress" das letzte grosse Handelsschiff vom Stapel. Eine Zeitlang erwog die Unternehmensleitung, in den Tankerbau einzusteigen - laut Rohkamm lagen die "Investitionspläne fertig in der Schublade"1 -, entschied sich dann jedoch für den Kriegsschiffbau.

Zum Hauptziel des B+V-Vorstands wurde es damit, durch die Kombination von Bundeswehraufträgen und Bestellungen ausländischer Streitkräfte eine ständige und profitable Auslastung der Kriegsschiffskapazitäten zu erreichen. Vorstandssprecher Budczies erklärte 1981: "Zur Sicherung der Arbeitsplätze brauchen wir aber auch in Zukunft Marineaufträge, und - ich möchte das ganz offen aussprechen - da die Bundeswehr allein uns nicht genügend Beschäftigung geben kann, auch Marineaufträge aus dem Ausland. Wir sind und bleiben daher auch auf den Export von Marineschiffen angewiesen."2 Kritische Stimmen innerhalb der eigenen Belegschaft, vor allem vom Arbeitskreis Alternative Fertigung, warnten bereits 1981/82, die Werft werde bei einseitiger Ausrichtung auf den Rüstungsbereich bald den technischen Anschluss auf anderen Gebieten verlieren; sie wurden überhört.

Während der 80er Jahre zeigte der Vorstand keinerlei Interesse an der Hereinnahme von Handelsschiffsaufträgen; stets wurde auf die nicht gewinnbringenden Preise in diesem Sektor verwiesen. Als 1983 in der IG-Metall-Mitgliederzeitung "metall" unter der Überschrift "Werft will keine Aufträge" wegen eines konkreten Falls Kritik an der B+V-Politik geübt wurde, erklärte die Chefetage, für den Bau kleiner und einfacher Containerschiffe sei B + V "überqualifiziert und deshalb zu teuer". Man könne, so der für die Selbsteinschätzung nicht uninteressante Vergleich, "auch nicht bei Daimler Benz einen Volkswagen kaufen".3 Die einzigen zivilen Schiffe, deren Bau B + V gerne übernahm, waren Mega-Yachten für die Reichsten der Reichen. Die Parallele zum Kriegsschiffbau bestand in der ausgeprägten Vorliebe von B + V für solche Kunden, die Macht zum Geldverschwenden haben. Nach dem Bau von vier Luxusyachten für Scheichs und andere geheimnisumwitterte Auftraggeber in den Jahren 1986 bis 1991 brach dieser Markt allerdings schon wieder zusammen, was nach Angaben von B + V ein Resultat des zweiten Golfkriegs war.

Wenn der Vorstand von B + V davon spricht, dass der Kriegsschiffbau im Unterschied zum Handelsschiffbau gute Gewinne abwirft, erwähnt er natürlich nicht, dass diese Rentabilität nur eine künstlich erzeugte ist und von ganz bestimmten, politischen Voraussetzungen abhängig ist, die sich schnell ändern können. Im Falle von Auslandsgeschäften zeigt die Erfahrung, dass die Gewinnaussichten in solchen Ländern am besten sind, in denen militärische und gewaltbereite Machtzirkel über entscheidenden politischen Einfluss verfügen und in denen jene Kräfte nicht zum Zuge kommen, die sich für die sozialen Interessen und Belange der Bevölkerung einsetzen.

Mindestens ebenso wichtig sind die politischen Rahmenbedingungen im eigenen Land: Die rüstungsorientierte Unternehmensstrategie von B + V kann nur so lange gewinnbringend sein, wie die Bundesregierung erstens über den Bedarf der Landesverteidigung hinaus immer neue Kriegsschiffe bestellt, zweitens Kriegsschiffsexporte - gegebenenfalls unter Mißachtung des Gesetzes - nicht nur genehmigt, sondern auch finanziell abgesichert.

Extreme Beispiele dafür, wie Kriegsschiffsexporte erst im politischen Raum profitabel gemacht werden, sind die Fregattengeschäfte von B + V mit der Türkei, Griechenland und Portugal: Sie wurden, wie zu zeigen sein wird, durch Bereitstellung von mehreren hundert Millionen DM direkt aus der deutschen Staatskasse mitfinanziert. Nur aufgrund dieser Zahlungen ist überhaupt zu erklären, warum B + V in den Jahren 1991 bis 1993 jeweils eine 20-Prozent-Dividende an die Aktionäre ausschütten konnte. Wären die Haushaltsmittel der Werftindustrie für die Realisierung anderer, ziviler Projekte zur Verfügung gestellt worden, hätten mit Sicherheit viele der Arbeitsplätze erhalten werden können, die inzwischen abgebaut worden sind.

Zeitspanne 1970-96 4

Anmerkung: Nicht aufgeführt sind hier die Kriegsschiffe, die mit Blaupausen, Material und Bauassistenz von B + V auf anderen Werften gebaut wurden.


Anmerkungen:

(1) Rohkamm in Klaus Schomacker u.a. (Hrsg.): Zivile Alternativen für die Rüstungsindustrie, Baden-Baden 1986, S. 97f.
(2) Hansa Nr. 11/1981, S. 834.
(3) Blohm + Voss: Auf unserer Werft 1983, S. 5
(4) Nicht berücksichtigt sind in dieser Übersicht Arbeitsschiffe (z.B. Kranschiffe), Schwimmdocks und Bohrinseln.