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Polen kritisiert
Bonner Asylpolitik
Folgen wären
für Warschau fatal
Der
deutsche Parteienkom-
promiß
zum künftigen Asyl-
recht
überschattet gegenwär-
tig
die Beziehungen zum
Nachbarland
Polen. Das zeig-
te
sich auch beim gestern be-
endeten
Besuch des sächsi-
schen
Ministerpräsidenten
Kurt
Biedenkopf in Warschau.
Im
Mittelpunkt der meisten
Gespräche,
die er hier führte,
stand
die Flüchtlingsproble-
matik.
Biedenkopf mußte ein-
räumen,
daß man sich bei der
Verabschiedung
des Kompro-
misses
nicht in genügendem
Maße
bewußt gewesen war,
welche
Lasten auf die Nach-
barn
zukommen würden. Er
zog
aus seinem Polen-Aufent-
halt
für sich den Schluß, daß
die
Bundesrepublik mit den
schon
im Lande lebenden
Asylbewerbern
aus eigener
Kraft
fertig werden müsse.
Die
Probleme eines
„sicheren
Drittstaats"
Hinsichtlich
der zukünfti-
gen
Regelung des Flüchtlings-
zuzugs
sprach sich Bieden-
kopf
zusammen mit dem pol-
nischen
Außenminister
Krzysztof
Skubiszewski für
eine
einvernehmliche Lösung
aus.
Die Beziehungen zwi-
schen
Deutschland und Polen
sollten
dadurch nicht belastet
werden.
Doch
tatsächlich ist das bi-
laterale
Verhältnis erstmals
seit
der Unterzeichnung des
„Vertrages
über Freundschaft
und
gute Nachbarschaft" im
Juni
1991 wieder gespannt.
Die
Asyldiskussion in Bonn
hat
in Polen zum Teil herbe
Kritik
an der deutschen Seite
hervorgerufen.
Selbst ausge-
sprochen
„Deutschland-
freundliche"
Politiker wie der
Minister
für EG-Angelegen-
heiten,
Jan Krzysztof Bielecki,
schlagen
inzwischen schärfere
Töne
an; Er bezeichnete das
deutsche
Auftreten in dieser
Woche,
als, „Großmachtpoli-
tik"
und warnte vor den Fol-
gen
dieser Entwicklung.
Im
Parteienkompromiß war
Polen
als „sicherer Drittstaat"
eingestuft
worden. Demnach
müßte
Warschau all jene Asyl-
bewerber
zurücknehmen, die
über
Oder und Neiße in die
Bundesrepublik
gekommen
sind.
Außerdem sollten nach
dieser
Regelung neu ankom-
mende
Flüchtlinge gleich an
den
schwarz-weiß-roten
Schlagbäumen
zurückgewie-
sen
werden.
Vize-Innenminister
Jerzy
Zimowski,
Chef der polni-
schen
Verhandlungsdelega-
tion
bei den Asylgesprächen
Anfang
dieser Woche in Bonn,
bekräftige
nach seiner Rück-
kehr,
daß Polen sich die Auf-
nahme
Tausender abgescho-
bener
Flüchtlinge einfach
nicht
leisten könne. Die Asyl-
bewerber,
die in den vergan-
genen
Jahren nach Deutsch-
land
gekommen sind, seien
„ein
inneres Problem" der
Bundesrepublik.
Die von
Bonn
angestrebte rückwir-
kende
Gültigkeit der Abschie-
beregelung
wies Zimowski aus
diesem
Grunde zurück. Ein
künftiger
deutsch-polnischer
Vertrag
solle nach Warschau-
er
Ansicht nur zusammen mit
dem
neuen deutschen Asyl-
recht
rechtskräftig werden.
Ansonsten
wären die Folgen
für
Polen nämlich fatal: War-
schau
hätte sich um mehrere
zehntausend
Menschen zu
kümmern,
ohne administrativ
und
finanziell darauf einge-
stellt
zu sein. Selbst eine Ab-
schiebung
in die Heimatlän-
der
wäre zu teuer. Wie soll Po-
len
das schaffen, wenn nicht
einmal
die reiche Bundesrepu-
blik
mit ihrem zehnmal höhe-
ren
Bruttosozialprodukt pro
Kopf
der Bevölkerung das
Problem
erledigen kann, frag-
te
dieser Tage die Vize-Vorsit-
zende
der polnisch-deutschen
Parlamentariergruppe
im
Sejm,
Irena Lipowicz. Polen
bliebe
ihrer Ansicht nach
überhaupt
nichts anderes
übrig,
als riesige Lager für die
Flüchtlinge
einzurichten, was
der
hochverschuldete Staats-
haushalt
sich aber nicht lei-
sten
kann.
Eine
neue Mauer will
keiner
errichten
Die
Abgeordnete machte
noch
auf einen - ihrer Mei-
nung
nach - weiteren Trug-
schluß
auf deutscher Seite
aufmerksam:
Mit der neuen
Regelung
sei der Zuzug von
Flüchtlingen
gar nicht zu
stoppen.
Viele Menschen, die
sich
schon Geld und Papiere
für,
die .Ausreise gesorgt ; ha-,
ben,
würden trotz allem ver-
suchen
über Polen in die Bun-
desrepublik
zu gelangen. War-
schau
müßte also eine Mauer
errichten,
was man nicht wol-
le.
Noch ernstere Folgen hätte
eine
nicht auszuschließende
Flüchtlingswelle
aus den Re-
publiken
der früheren Sowjet-
union.
Warschau wäre bei der
Aufnahme
dieser Menschen
auf
sich allein gestellt.
Polen
orientiert sich des-
halb
auf eine europäische Lö-
sung
des Problems. Die Blicke
richten
sich auf Budapest, wo
Anfang
nächster Woche die
Innenminister
der Bundesre-
publik,
Polens, Ungarns, der
Tschechischen
und der Slowa-
kischen
Republik, Öster-
reichs,
der Schweiz und der
Ukraine
über eine internatio-
nale
Lösung der Flüchtlings-
problematik
nachdenken wollen.
Von
ANDREAS MÜHLMANN, Warschau ND,11.02.1993
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