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 Tarifa Spanien 02.-10.0Tarifa Spanien 02.-8.07.2001 
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Situation in Südspanien
Spanische Flüchtlingspolitik
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Wer schweigt, darf vorerst bleiben

In winzigen Ruderbooten setzen 
schwarzafrikanische Flüchtlinge
über die Meerenge von  Gibraltar

- Für illegale Einwanderer aus
Afrika galt Italien lange als die
wichtigste Pforte zur EG. Doch seit
einigen Monaten haben die Schlep-
per eine neue Route erschlossen:
Die Straße von Gibraltar.

Die drei Männer mit ihren Video-
recordern haben sich auf Tarifas
„Plazuela del Viento" aufgebaut. Der
Blick vom höchstgelegenen Platz
des Städtchens ist wirklich reizvoll:
Die blau-weißen Fischerboote unten
im Hafen, die spanische Küste. Ein
kleiner Schwenk bringt den Atlantik
ins Objektiv, schließlich die nur 14
Kilometer entfernten marokkani-
schen Berghänge, die schon zu
Afrika gehören. Zufrieden packen
die Touristen ihre Kämeras wieder
ein. Von dem „Aufnahmezentrum
für illegale Immigranten", das sie
mit im Bild haben werden, wenn sie
daheim ihre Urlaubsvideos abspie-
len, ahnt keiner von ihnen etwas.

Der Westwind treibt die
Kähne nach Andalusien

Am Kai nimmt die Fähre Passa-
giere für Tanger an Bord. In der al-
ten Zollstation gleich nebenan, die
Platz für 45 Menschen bietet, warten
fast doppelt so viele auf die behörd-
liche Erfassung ihrer Anwesenheit.
Zwei Femseher plätschern den gan-
zen Tag vor sich hin, einer für die
Einwanderer, einer für das Wach-
personal. Desinteressiert fragen die
Beamten die Angekommenen nach
ihrem Herkunftsland, teilnahmslos
nehmen sie das erwartete Schwei-
gen zur Kenntnis. Wer seine Natio-
nalität nicht angibt, kann nicht ab-
geschoben werden - das haben die
Insassen der Zollstation gelernt, ehe
sie sich auf den Weg nach Spanien
machten.

Monat für Monat überqueren
Hunderte illegal die Meerenge. Jede
Nacht bei Westwind, wenn die Sicht
klar ist und das Meer ruhig, setzen
sie in hölzernen Ruderboote mit Au-
ßenbordmotor über das Wasser. Für
die vorwiegend aus Äthiopien, Libe-
ria, Sudan oder Südafrika stammen-
den Menschen ist es die letzte
Etappe einer langen Flucht. Sie flie-
hen vor Armut und Bürgerkrieg, um
sich als Tagelöhner in Andalusien,
als Bauarbeiter in Barcelona oder
als Straßenhändler in Mitteleuropa
das Leben zu verdienen.

Auf den Radarschirmen der Kü-
stenwache ist jedes Boot-zu sehen,
das sich in der Meerenge bewegt.
Die Menschenjagd mit Helikopter
und Geländewagen im Morgen-
grauen am Strand wird so zur Routi-
neangelegenheit, Wer hier noch
durchs Netz rutscht, den liest späte-
stens die Verkehrspolizei an der Na-
tionalstraße auf, wenn er per Auto-
stopp nach Algeciras weiterzukom-
men versucht.

Durch die Einrichtung der Außen-
grenze des EG-Binnenmarktes ist
das Geschäft für die Menschen-
schmuggler lukrativ geworden. Seit
Spanien im Mai 1991 die Visapflicht
für Nicht-EG-Bürger einführte, stieg
der Preis für die Passage von umge-
rechnet 400 auf l 200 Mark. Durch-
schnittlich 15 Erwachsene drängen
sich in einem Kahn mit sechs Qua-
dratmetern Grundfläche. Verliert ei-
ner, von ihnen während der minde-
stens anderthalb Stunden auf See
das Gleichgewicht, kann das Boot
kentern. Jeden dritten Tag treiben
die Leichen ertrunkener Schwarz-
äfrikaner an die andalusische Küste.

Doch nicht jeder, der seinen Fuß
an Bord setzt und dessen Boot nicht
umschlägt, ist schon sicher in Spa-
nien. Oft lassen die Fährleute ihre
Passagiere in der Mitte der Meer-
enge aussteigen und den Rest der
Strecke schwimmen, um das Ge-
schäftsrisiko zu vermindern, von
der spanischen Küstenwache er-
wischt zu werden. Andere kassieren
die Gebühren für die Überfahrt, dre-
hen eine Runde auf See und setzen
die Flüchtlinge an der marokkani-
schen Küste wieder ab. Die Betroffe-
nen brauchen bei den Behörden in
Tanger, die Schmiergelder zu schät-
zen wissen, auf Nachsicht nicht zu
hoffen: Die Ersparnisse ihres ga
zen Lebens haben sie in der verga
genen Nacht verloren.

Nach Olympia bekommt die
Guardia Verstärkung

Wer erst einmal spanischen Bo-
den erreicht hat, den erwartet kei-
nesfalls das Paradies, von dem er
vorher gehört hat, doch er ist vor-
erst in Sicherheit. Zwar werden bis
zu 80 Personen unter unhygieni-
schen Bedingungen in der Zollsta-
tion von Tarifa zusammengepfercht,
aber hinter den Gittern des Aufnah-
mezentrums gibt es ausreichend zu
essen, trockene Kleidung und Woll-
decken. Zahnbürsten und Zigaret-
ten aus Spenden dürfen Rotes
Kreuz und Caritas regelmäßig vor-
beibringen. Die Behörden haben we-
der das Geld noch den Willen, die
Einwanderer auch nur medizinisch
untersuchen zu lassen. Da ist huma-
nitäre Hilfe nicht unwillkommen

40 Tage bleiben die Afrikaner so
verwahrt, da sie keine Straftat, son-
dem nur die Ordnungswidrigkeit
der illegalen Einreise begangen ha-
ben. Gelingt es den Beamten in der
Zollstation in dieser Zeit nicht, ihre
Nationalität festzustellen, werden
sie mit dem Ausweisungsbefehl in
der Hand auf die Straße gesetzt und
haben drei Wochen Zeit, sich einen
Anwalt zu nehmen und Klage zu er-
heben. Tun sie das nicht, gelten sie
wieder als illegal und werden, wenn
sie der Polizei in die Hände fallen,
erneut festgesetzt.

Um diesen Kreislauf zu durchbre-
chen, haben Spanien und Marokko
vereinbart, alle Bürger dritter Staa-
ten, denen die illegale Überquerung
der Meerenge nachgewiesen wer-
den kann, nach Marokko zurückzu-
führen. Außerdem sollen dieselben
Schnellboote der Guardia Civil, die
während der Olympischen Spiele
vor Barcelona kreuzten und bis Ok-
tober noch die Weltausstellung in
Sevilla gegen Terroranschläge absi-
chern, im Herbst an die Meerenge
von Gibraltar verlegt werden. Die
Umsetzung dieses Vertrages schei-
tert bisher allerdings noch an den
hohen finanziellen Forderungen 
Hassans II.

„Algeciras Acoge", eine Vereini-
gung, die sich für einen würdigen
Umgang mit den Immigranten ein- 
setzt, fordert statt der unterschieds-
losen Abschiebung eine gesetzliche
Regelung für ihre Einreise. „Es han-
delt sich um ein europäisches Pro-
blem, das europäisch gelöst werden
muß", sagt Mario Arias, der in Tarifa
mit der Vereinigung zusammenar-
beitet. Er wirft den Behörden in Ma-
drid und Brüssel Doppelmoral vor:

„Die EG führt mit Marokko lange
Verhandlungen über Fischbänke.
Wenn aber Menschen zwischen den
Küsten sterben, sehen die staatli-
chen Organe nicht hin, und die
Überlebenden dieser 'natürlichen
Auslese' sollen dann auch noch ei-
ner brutalen und nicht demokra-
tisch kontrollierten Polizei in die
Hände gespielt werden. Wer garan-
tiert eigentlich, daß in Marokko nie-
mand verschwindet?"
Von unserem Mitarbeiter Johannes Rexin, Sevilla -BZ, 18.8.92
 

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