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Situation in Südspanien
Spanische Flüchtlingspolitik
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Im Blickpunkt: Fluchtziel Spanien
„Tod ist besser als Elend"

Die Marokkaner sind jung, arm und 
arbeitslos. Sie hören vom schönen 
Leben in Europa. Dann wagen sie es.
Das Abenteuer endet mit Schwarz-
arbeit oder Verhaftung oder mit dem 
Tod. 1992 sind bei der Überfahrt über 
die Meerenge von Gibraltar nach
Spanien mindestens 80 Personen
ertrunken. Solange der Süden
so viel ärmer als der Norden ist, wird 
die illegale Auswanderung nach 
Europa nicht aufhören.

Kaddouri beschloß erst, nach Europa
zu gehen, als er am Strand von Buca-
na bei Nador Leute sah, die das Boot
für die Überfahrt vorbereiteten. „Wie-
so sollen wir nicht abhauen, wir zah-
len für die Fahrt ja nichts?" sagte er
zu einem Freund. Die beiden kletter-
ten ins Boot und ergatterten sich zwi-
schen 190 jungen Männern und zwei
Frauen, von denen jeder dem Bootsbe-
sitzer umgerechnet rund 500 Mark be-
zahlt hatte, einen Platz. Kurz nach der
Abfahrt hievten die Insassen den her-
beigeschwommenen Hassan Kaoshi
ins Boot "Ich sah das Boot vorbeifah-
ren und benützte die Chance", erzählt
der letzte Passagier später.

Kaddouri und Hassan wußten, daß
die Fahrt lebensgefährlich war. Bis
zur spanischen Küste bei Almeria wa-
ren es 200 Kilometer, das Boot, in dem
die 195 zusammengepfercht kauerten,
war ganze 14 Meter lang, die beiden
Außenbordmotoren brachten es nur
fünf Kilometer in der Stunde voran -
und der Seegang nahm zu. Ans Essen
dachte fast niemand. Hassan trank in
41 Stunden Überfahrt nur Wasser und
Milch. „Wenn du ißt, wirst du see-
krank", sagt er. Die letzte Nacht war
besonders hart. Zur Kälte, Nässe und
den erstarrten Muskeln kam der See-
gang. Die Wellen schlugen immer hö-
her ins Boot, die Passagiere schöpften
mit Kübeln und Flaschen Wasser.

Am dritten Tag wurden sie ent-
deckt Zwei spanische Kutter sichte-
ten das Emigrantenboot wenige Mei-
len vor dem Ziel. Es ragte noch einen
halben Meter aus dem Wasser. Eine
Stunde später schleppte es ein Kü-
stenwachboot in den hafen von Alme-
ria. Das Abenteuer war gescheitert
„Bei der nächsten Gelegenheit werde
ich es wieder versuchen, der Tod ist
besser als das Elend", sagt Hassan
trotzig. Kaddouri und Hassan sind per
Fähre wieder nach Hause gebracht
worden. Am Samstag kam es zur bis-
her größten Tragödie: heimliche Emi-
granten, die in zwei „Nußschalen" ge-
startet waren, erlitten in der Meeren-
ge von Gibraltar im Wind und Wellen-
gang Schiffbruch. Zwei konnten le-
bend und vier tot geborgen werden, 38
sind verschwunden - ertrunken. Die
Suche nach ihnen ist hoffnungslos.
Fast keiner der Emigranten kann
schwimmen.

Bewohner  des  Maghreb  und
Schwarzafrikas benötigen ein Visum,
um nach Spanien einzureisen. Dieses
Visum bekommt nur der Arbeiter, der
eine Anstellung im Gastland vorwei-
sen kann. Die anderen nehmen die
Meeresüberfahrt in Kauf.

„Das Ende dieses Jahrhunderts
wird im Zeichen der Migration stehen.
Je mehr sich Europa schützt und ein-
igelt, je mehr es sich von seinen Nach-
barn des Südens, dem Maghreb, ab-
wendet desto mehr entwickelt sich
der Fremdenhaß und der Rassismus.
Um in der Konkurrenz mit den Verei-
nigten Staaten und Japan zu bestehen
und seine Macht zu wahren, wird
Europa Türen und Fenster schließen
und keine Gefühle zeigen." Dies
schreibt der marokkanische Schrift-
steller Tahar Ben Jelloun. Vorschläge.
wie die Lage zu verbessern wäre,
macht er aber keine. Dies versuchen
die Politiker des spanisch-französi-
schen Gipfeltreffens, die sich am Mon-
tag und Dienstag in Salamanca ver-
sammeln. Sie stellen sich folgende
Frage: Soll der Visumszwang gelok-
kert werden, soll jährlich ein genau
festgelegtes Kontingent von Maghre-
binem zur Verrichtung der „niederen
Arbeiten" nach Spanien -- und damit
nach Europa gelassen werden? „Der
Emigrantenstrom ist unaufhaltbar",
erwidert ein Experte der südspani-
schen Hilfsorganisation "Algeciras
Acoge". 

WERNER HERZOG (Madrid)29.9.1992
 

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