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Auch im falschen Leben gibt es richtige Schweine!

Zum Umgang der "Antifaschistischen Aktion Berlin" und der AA/BO mit dem Vergewaltigungsvorwurf gegen eins ihrer Mitgliede

Der Vorwurf gegen AAB und der Umgang der AA/BO

Vor über einem Jahr wurde ein Papier veröffentlicht, in dem einem Mitglied der AAB von einer Frau vorgeworfen wurde, daß sie von ihm vergewaltigt wurde. In der AA/BO wurde daraufhin von einigen Gruppen - mehr oder weniger ergisch - eine Stellungnahme von AAB und eine Diskussion über den Umgang mit Vergewaltigungsvorwürfen gefordert.

Zu den konkreten Vorwürfen kamen von AAB immer wieder widersprüchliche Aussagen. Mal hieß es die Person sei nie bei AAB gewesen, dann hieß es er sei rausgeflogen, dann wieder die Person sei sowieso nur am Rande bei AAB gewesen und wäre schon länger nicht mehr aufgetaucht. Konkrete Nachfragen konterte AAB mit dem Hinweis man spekuliere grundsätzlich nicht über Mitgliedschaft in linken Gruppen.

Als von AAB eine Stellungnahme zu den Vorwürfen (die inzwischen dadurch angereichert würde, daß AAB vorgeworfen wurde weiter mit dem Vergewaltiger abzuhängen und diesen sogar gegen körperliche Angriffe von Frauen schützt) gefordert wurde, kündigte AAB immer wieder eine. ausführliche Stellungnahme an und teilte mit, man diskutiere intensiv über das Thema. Nachfragen wurden mit dem Hinweis abgebügelt, man brauchte eben Zeit, um nicht nur eine oberflächliche Stellungnahme abzugeben. Konsequent hat es AAB geschafft über Monate hinweg, daß Problem "auszusitzen" und jede Stellungnahme ihrerseits zu verschleppen.

Als Teil der AA/BO sind auch wir mitverantwortlich für den Umgang der Organisation mit dem Vorwurf der Vergewaltigung gegen ein Mitglied einer AA/BO-Gruppe. Auch wenn wir immer wieder darauf gedrängt haben, daß AAB endlich Stellung nimmt zu den Vorwürfen, haben wir viel zu lange geduldet, daß AAB sich immer wieder um die Erscheinung ihrer Stellungnahme winden konnte und die Diskussion über den Umgang der AA/BO mit solchen Vorwürfen und sexistischem Verhalten so gut wie nicht geführt wurde.

Mit "Neuer Sachlichkeit" auf die Seite des "geouteten" Vergewaltigers

Trotz einjähriger Diskussion hat es AAB geschafft, ihre angekündigte "grundsätzliche Auseinandersetzung" mit dem Thema Sexismus und Vergewaltigung vollkommen inhaltslos und fernab der gesellschaftlichen Verhältnisse darzustellen. So findet sich in ihrem großspurig als "Beitrag zu Debatte um Sexismus" angekündigten Papier kaum ein Wort über die patriarchale Ausprägung dieser Gesellschaft. Schon allein die Tatsache, daß es fast ausschließlich Frauen sind, die vergewaltigt werden, ist für AAB offensichtlich ein "Dogma". Und Dogmen mag man gar nicht bei AAB. So werden im Text lieber die realen Verhältnisse verschleiert und durchgängig "geschlechtsneutral" von betroffenen Personen gesprochen.

Auf die konkreten Vorwürfe gegen AAB wird erst gar nicht eingegangen. Wurde der "geoutete Vergewaltiger" - wie sie ihn nennen - nun aus der Gruppe geschmissen - oder ist er etwa noch Mitglied, weil der AAB Gerichtshof keine genaue Schilderung der Vorgänge bekommen hat? Fragen, um die AAB sich offensichtlich gerne drückt. Aber eigentlich darf man danach ja auch gar nicht fragen, denn grundsätzlich wird bei AAB nicht über Mitgliedschaften in linksradikalen Zusammenhängen spekuliert.

So einfach entzieht man sich jeder Diskussion über das Konkrete und flüchtet in die formale und schematische Abhandlung des Allgemeinen.

Undogmatisch,wie AAB sich gerne sieht, hat die Gruppe nun die "Neue Sachlichkeit" für sich entdeckt. "Sachlichkeit' bedeutet für AAB offensichtlich sich grundsätzlich zunächst auf die Seite des "geouteten" Vergewaltigers zu stellen. Dem Schutz seiner Person gilt ihre erste Sorge. Da wird bejammert, daß die "Szene" Sanktionen verhänge, bis "hin zu körperlicher Gewaltausübung und lebenslangen Ausschluß aus allen Zusammenhängen". Ein "Automatismus", der sich sogar dem "Einflußbereich der betroffenen Person" entziehe. Was eine Vergewaltigung für eine Frau bedeutet, davon ist bei AAB nirgends die Rede. Nun ist AAB aber angetreten, um gegen die "Vorverurteilungen" von "geouteten" Vergewaltigern anzugehen. Denn immerhin - so AAB - bietet auch der bürgerliche Staat in dem wir leben der Bürgerin und dem Bürger das Recht auf Verteidigung. Und so stellt die "Koppelung von Definitions- und Sanktiorisrecht' für AAB einen Rückfall in barbarische Zeiten dar.

Die bürgerlichen Rechtsstaatsverteidiger von AAB stören sich insbesondere am "Definitionsrecht, das die "subjektiven Empfindung" einer Vergewaltigung durch die Frau als alleinigen Maßstab zur Beurteilung ansetzt. Entsprechend der bürgerlichen Rechtsauffassung müsse es dagegen Rechtssicherheit geben und Taten "objektiv" eingeordnet werden. Dabei gehe es AAB jedoch "nicht darum der betroffenen Person ihre Erfahrungen und Äußerungen abzusprechen bzw. diese nicht ernst zu nehmen". Welch zynische "Nettigkeit' von AAB.

Mit dem bürgerlichen Strafgesetzbuch in der Hand hat sich AAB daran germacht eine "objektive Definition, die Allgemeingültigkeit beansprucht zu suchen. Bei all den Lobpreisungen auf das bürgerliche Strafrecht verwundert es nicht daß AAB genau dort eine "relativ fortschrittliche Definition" (laut Aussage eines Vertreters der AAB auf dem letzten AA/BO Treffen) gefunden hat und sich nun daran orientiert.

Der AAB Gerichtshof

Wenn man AAB mit ihrer angeblich klaren Definition ernst nimmt, bleibt nur eine genau Untersuchung des 'Vorfalls". Denn nur wenn die vergewaltigte Frau genau schildert, was passiert ist, kann sich AAB eine genaues Bild machen, "objektive" Maßstabe ansetzen und die Tat beurteilen. Daran ändert auch nichts, daß AAB gnädigerweise den "Umgang damit für die betroffene Person soweit wie möglich" erleichtern will.

Völlig unklar ist auch, ob AAB den Schilderungen der Frau überhaupt glauben schenkt, denn für AAB sehen die Äußerungen der Frau lediglich als "maßgebliche Grundlage" für alle Diskussionen an. Was ist. wenn die auch vom "Beschuldigten" geforderte "Stellungnahme" abweicht von den Schilderungen der Frau?

Wer sich auf das Parkett "allgemeingültiger Definitionen" begibt gerät spätestens in der Praxis ins Straucheln. Wo fängt denn die psychische/physische Gewalt an? Was ist eine sexuelle Handlung? Wann ist dem Opfer die Möglichkeit sich dem zu entziehen verwehrt?

Letztendlich läuft das gesamte Vorgehen darauf hinaus, daß die betroffene Frau bei AAB als Bittstellerin auftreten muß. Sie muß den "Vorfall schildern, sie muß Forderungen aufstellen, ihre

"subjektiven Empfindungen" werden negiert und der "Vorfall anhand angeblich "objektiver Definitionen" beurteilt (Definitionen, die im übrigen AAB allein bestimmt und für "objektiv" und allgemeingültig erklärt).

Wahrend das bürgerliche Strafgesetzbuch zumindest auf dem Papier für Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen konkrete Strafen vorzieht, will AAB in der Frage von Sanktionen dann doch völlig "undogmatisch" verfahren. Die einzige Sanktion, die ihnen einfällt ist der Rausschmiß aus der Gruppe. Doch auch hier gibt es Unbehagen. Denn man will keine "Stigmatisierung" einzelner als Täter".

Immerhin muß sich die beschuldigte Person (aber nur auf "Wunsch") zum "Schutz der betroffenen Person ... bis auf weiteres" fernhalten. Konkret heißt dies jedoch nicht einmal, daß die Person nirgends dort auftauchen darf, wo die Frau sich potentiell aufhält. Man stelle sich das einmal bildlich vor: da kommt die betroffene Frau z.B. in ein linkes Zentrum und trifft dort auf die "Genossinnen" von AAB, die der "sozialen Kontrolle" wegen mit ihrem Vergewaltigen ein Bierchen schlürfen. Falls sie es vorher nicht ausdrücklich gewünscht hat, kann sie nun gnädigerweise ihren "Wunsch" an AAB richten,daß der Typ zu gehen habe. Falls sie ihm dagegen einfach in die Fresse tritt, könnte das damit enden, daß AAB gegen diese "körperliche Sanktion" einschreitet, um dem "geouteten" Vergewaltiger die Möglichkeit zu geben, erst einmal sein "eigenes Verhalten zu reflektieren, als falsch zu erkennen und zu verändern", denn so AAB: "Sanktionieren kann mensch dann immer noch".

Die "Verbannung" der "beschuldigten Person" aus "allen linken und sozialen Zusammenhangen" will AAB nicht. Für die Frau heißt dies, daß sie bei jeder politischen Veranstaltung, bei jeder Demonstration, in jeder linken Kneipe damit rechnen muß, auf ihren Vergewaltiger zu stoßen.

Auffallend, daß AAB sich nicht dazu äußert, was ist, wenn die Frau selbst Mitglied bei AAB ist. Hier entsteht der Eindruck, daß in den Köpfen von AAB Vergewaltigungsvorwürfe sowieso nur aus der "Szene" oder von "Frauengruppen" kommen und letztendlich etwas ganz anderes zum Ziel haben.

Daß Menschen von den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen geprägt werden, wird bei AAB zur Entschuldigung für sexstische Angriffe und Vergewaltigungen. Mit dem Ziel der "sozialen Kontrolle" und um "Veränderungs- und Reflexionsprozesse" in Gang zu setzen, rechtfertigt AAB den Verbleib von Vergewaltigern, Rassisten, Sexisten und so weiter in linken Gruppen und Strukturen. Dort werden sie dann von AAB sanft mit ihrem Fehlverhalten" konfrontiert, therapiert und vor Angriffen geschützt.

AAB stellt sich mit ihrer gesamten Herangehensweise konsequent auf die Seite derjenigen, die von den patriachalen gesellschaftlichen Verhältnissen profitieren. Eine solche Sichtweise steht im Widerspruch zum Anspruch emanzipatorischer oder gar revolutionärer Politik und hat in der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) nichts zu suchen! Für uns ist deshalb eine Organisierung gemeinsam mit AAB nicht mehr möglich.

Antifaschistisches Plenum Cyriaksring 55 38118 Braunschweig Fax:0531-2809920
 

Quelle: Interim 495 v. 9.3.2000

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