Aktueller Stand der Entschädigung für NS-Verbrechen

Öffentliche Verhandlung am Intenationalen Gerichtshof
in Den Haag vom 12. - 16. September 2011

Sonntag, 11.9.2011 ¹
mittags: Pressegespräch mit Überlebenden aus verschiedenen Ländern
abends: Informations- und Diskussionsveranstaltung

Montag, 12.9.2011 ¹
morgens: Kundgebung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag anschließend: Besuch der Gerichtsverhandlung und Infopoint vor dem Gerichtshof
nachmittags: Kundgebung vor der Deutschen Botschaft in Den Haag

¹ weitere Informationen folgen an dieser Stelle in Kürze

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag verhandelt vom 12. September 2011 an öffentlich über eine Klage Deutschlands, die zum Ziel hat, Entschädigungsansprüche von griechischen und italienischen NS-Opfern zu beseitigen. Dieser Prozess ist nicht nur für alle Opfer von NS-Verbrechen von großer Bedeutung, er wird auch Auswirkungen auf Schadensersatzansprüche von Überlebenden heutiger Kriegsverbrechen haben. Wir wollen daher in Den Haag vor dem Internationalen Gerichtshof für die Durchsetzung der Entschädigungsansprüche der Opfer und gegen die deutsche Verweigerungshaltung demonstrieren.

Seit Jahrzehnten verweigern bundesdeutsche Regierungen den Opfern von NS-Verbrechen in ehemals von Nazi-Deutschland besetzten Ländern Entschädigungsleistungen. Die Überlebenden der Massaker von Distomo, Kalavryta, Civitella oder Marzabotto haben wie die meisten anderen Opfer von NS-Verbrechen niemals vom deutschen Staat eine Entschädigung erhalten. Dies gilt auch für viele ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.

Die Überlebenden des Massakers deutscher SS-Truppen im griechischen Distomo (Am 10. Juni 1944 wurden dort 218 Menschen ermordet) haben bereits im Jahr 2000 vor dem Obersten Gerichtshof Griechenlands (Areopag) ein rechtskräftiges Urteil gegen die Bundesrepublik Deutschland erstritten, wonach diese ca. 28 Mio. Euro plus Zinsen an die Kläger zahlen muss. Die Bundesregierung hintertrieb die Durchsetzung des Urteils und nötigte die griechische Regierung, die begonnene Zwangsversteigerung deutscher Liegenschaften (Goethe-Institut) zu stoppen.

Die Kläger wandten sich daher an italienische Gerichte, um in Italien Vollstreckungsmaßnahmen zu ermöglichen. Mit Erfolg: Der Oberste Gerichtshof Italiens (Kassationshof) erklärte die Vollstreckung in Italien im Juni 2008 für zulässig. Gleichzeitig erklärte der Kassationshof auch die Klagen italienischer NS-Opfer (ehemalige Zwangsarbeiter und Opfer von Massakern) vor italienischen Gerichten in mehreren Entscheidungen für zulässig. Doch Deutschland will auch diese Entscheidungen nicht anerkennen. Die Kläger aus Distomo begannen daraufhin Vollstreckungsmaßnahmen. Sie ließen u.a. die Villa Vigoni pfänden, eine im bundesdeutschen Eigentum befindliche Liegenschaft am Comer See. Auf deutschen Wunsch stoppte die Regierung Berlusconi mit einem Regierungsdekret im Jahr 2009 vorläufig sämtliche Pfändungen deutschen Vermögens in Italien.

Zudem erhob die Bundesregierung am 23. Dezember 2008 Klage gegen Italien vor dem Internationalen Gerichtshof, um endgültig alle Entschädigungsprozesse und Vollstreckungsmaßnahmen jetzt und für die Zukunft zu stoppen. Die Bundesregierung versucht, den Internationalen Gerichtshof dafür zu missbrauchen, die Ansprüche der Opfer von NS-Verbrechen weiter zu torpedieren und die Unabhängigkeit der italienischen Gerichte außer Kraft zu setzen. Angeblich habe die italienische Justiz die Staatenimmunität Deutschlands missachtet. Deutschland kann sich jedoch nicht auf Staatenimmunität berufen, weil das Privileg der Immunität für Verbrechen gegen die Menschheit, die Nazi-Deutschland begangen hat, nicht gilt. Dies hat der Kassationshof in Rom unmissverständlich dargelegt. Tatsächlich missachtet Deutschland die staatliche Souveränität Italiens, indem es Entscheidungen unabhängiger italienischer Gerichte unterläuft.

Im Januar 2011 trat auch Griechenland dem Verfahren in Den Haag bei. Der Internationale Gerichtshof hat den Beitritt kürzlich zugelassen.

Die Klage in Den Haag ist der vorerst letzte Akt der Missachtung Deutschlands gegenüber den Überlebenden der NS-Verbrechen. Diese sind an dem Prozess gar nicht beteiligt. Deutschland stellt sich öffentlich gerne so dar, als habe man die NS-Vergangenheit aufgearbeitet und aus der Geschichte gelernt. Das tatsächliche Verhalten der jetzigen und aller früheren Bundesregierungen aber steht dazu im krassen Widerspruch. Die Verweigerung der Entschädigung bedeutet nichts anderes als die Zurückweisung der Verantwortung für die Verbrechen Nazi-Deutschlands. Die Verweigerung der Entschädigung heißt, dem von Nazi-Deutschland verübten Unrecht weiteres Unrecht hinzuzufügen und die Überlebenden weiter zu demütigen.

Deutschland bricht mit der Missachtung der griechischen und italienischen Urteile vor aller Öffentlichkeit internationales Recht und unterstellt dabei den Opfern, ihre Klagen würden den Frieden gefährden. Die Tatsachen werden so auf den Kopf gestellt. Wenn selbst schwerste Kriegsverbrechen keine Haftung des Täterstaates zur Folge haben, ist das ein Freibrief, auch zukünftig Kriegsverbrechen zu begehen. Es darf angenommen werden, dass sich Deutschland mit seiner Klage auch für Auslandseinsätze der Bundeswehr wie in Afghanistan den Rücken frei halten will.

Ein Urteil zugunsten von Deutschland hätte aber auch Auswirkungen auf alle anderen Staaten, denn die Rechtsprechung des IGH ist weltweit Leitlinie für die Auslegung des Völkerrechts. Setzt sich Deutschland mit seiner Position durch, würde dies bedeuten, dass ein Agressorstaat auch in Zukunft nicht befürchten müsste, von den Opfern für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dies wäre ein Rückfall hinter die Prinzipien von Nürnberg.

Wir wollen in Den Haag vor dem Internationalen Gerichtshof deutlich zu machen, dass es Widerspruch gegen diese deutsche Politik gibt. Wir erwarten von den Richterinnen und Richtern des Internationalen Gerichtshofs, dass sie die Klage Deutschlands zurückweisen. Wir möchten gemeinsam und solidarisch mit griechischen, italienischen, slowenischen und anderen Überlebenden der NS-Verbrechen für die Durchsetzung ihrer Rechte eintreten.

Der Internationale Gerichtshof wird vom 12.9.-16.9.2011 verhandeln. Die genaue Uhrzeit steht noch nicht fest. Die Verhandlungen sind öffentlich. Voranmeldungen auch für Gruppen sind möglich. Wir haben uns bislang folgende Aktivitäten in Den Haag überlegt:

Sonntag, 11.9.2011
mittags: Pressegespräch mit Überlebenden aus verschiedenen Ländern
abends: Informations- und Diskussionsveranstaltung

Montag, 12.9.2011
morgens: Kundgebung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag anschließend: Besuch der Gerichtsverhandlung und Infopoint vor dem Gerichtshof
nachmittags: Kundgebung vor der Deutschen Botschaft in Den Haag

Weitere Aktivitäten, nicht nur in Den Haag, sind natürlich möglich und wünschenswert.

Die genauen Zeiten und Orte sowie Übernachtungsmöglichkeiten werden wir noch bekannt geben. Wir sind in Kontakt mit Freundinnen und Freunden in den Niederlanden, die wir mit einbeziehen werden. Den Haag ist mit der Bahn oder dem Flugzeug (Flughafen Schiphol) gut erreichbar. Wir würden uns freuen, wenn viele Menschen nach Den Haag kommen, auch um die öffentliche Wirkung zu erhöhen.

AK-Distomo
AK-Angreifbare Traditionspflege

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