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Eine rechtsextreme Verbindung –
die „Normannia Leipzig“

Schüsse, ein Hitlergruß und »Sieg-Heil«-Rufe ließen die Normannia Leipzig Anfang des Jahres mal wieder in einem schlechten Licht dastehen.  Nach dem Rauswurf des Mitgliedes Jürgen Gansel schien für die Öffentlichkeit wieder alles in Ordnung zu sein. Für Marktfrühschoppenanmelder T. P. ist damit nun auch die Notwendigkeit vom Tisch, sich von eindeutig rechten Verbindungen zu distanzieren. Den Rauswurf bezeichnet er als ein „gutes Zeichen“. Und mehr als das ist es auch nicht. Denn Gansels Rechtsextremismus ist kein Einzelfall bei der Normannia.

Die Normannia Leipzig wurde 1868 gegründet und ist seit 1908 eine Burschenschaft. Sie ist mit etwa 100 anderen Burschenschaften aus der BRD und Österreich in dem Dachverband der Deutschen Burschenschaft organisiert.

Rechtsradikale Umtriebe

1996 schaltete die Normannia Leipzig in der Parteizeitung der rechtsextremen Republikaner eine Anzeige. Darin wird „Studenten, die ihr Studium in Marburg beginnen“ ein günstiges Zimmer auf dem Haus der Verbindung angeboten.

Im selben Jahr hält Professor Dr. Bernd-Thomas Ramb, Unternehmer aus Linden bei Gießen und außerplanmäßiger Professor in Siegen, einen Vortrag bei den »Normannen«. Er trat 1994 dem Bund Freier Bürger – Die Freiheitlichen (BFB) bei und war deren stellvertretender Bundesvorsitzender und Landeschef in Hessen. Der BFB versucht sich mit einer nationalliberalen Politik rechts von der Union zu positionieren und umfasst ein Spektrum von rechtskonservativen bis rechtsextremen Mitgliedern. Der BFB stand politisch der FPÖ nahe.

Ramb schreibt auch als Wirtschaftsredakteur in der einschlägig bekannten, rechtsextremen Jungen Freiheit.

Normannia Leipzig und der RHV

Ein weiterer prominenter Rechtsextremist der Normannia war Eike Erdel. Er war an der Gründung des Republikanischen Hochschulverbands (RHV) beteiligt und saß für sie von 1997 bis 1999 im Studierendenparlament der Uni Marburg. Weiterhin nahm er für die Republikaner ein Kreistagsmandat wahr.

Während die Ausstellung »Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944« in Marburg gezeigt wurde, meldete Erdel für den RHV eine Kundgebung an. Daran nahmen auch mehrere Neo- und Altnazis von bundesdeutschem Rang teil. Unter anderen der als Rechtsterrorist verurteilte Manfred Röder, der nsdap/ao-Sympathisant Roy Godenau (ao steht für „Auslands- und Aufbauorganisation“) , sowie 50 bis 60 Neo-Nazis der Sauerländer Aktionsfront (SAF). Zu diesen scheinen gute Kontakte zu bestehen. Denn schon im Januar des selben Jahres tummelten sich deren Führungskader am Rande einer verhinderten Wahlveranstaltung des RHV.

Auch die Marburger Fördergemeinschaft für Soldatenverbände (FfS) kann Erdel zu ihren aktiven Mitgliedern zählen. So zeichnete er verantwortlich für einen Unterstützungsaufruf für die FfS in der NPD-nahen, rechtsextremistischen Zeitschrift Nation&Europa. Er informierte die LeserInnen der Monatszeitschrift über geplante Aktionen gegen die sog. »Wehrmachtsausstellung«.

Lob für Erdel

Für seinen Verbandsbruder Erdel hatte Dr. Harald Lönnecker, Mitglied der Normannia Leipzig, 1997 im Studentenkurier nur Lob übrig. Nachdem Erdel durch eine Klage allgemeinpolitische Äußerungen des Marburger AStA so gut wie unmöglich gemacht hatte, schrieb Lönnecker: „wenn jemand endlich etwas für die Bekämpfung des linkslastigen AStA in Marburg tut, dann hat er meine Unterstützung“ und ergänzte wie schon fast zu erwarten, „gleichgültig welcher Partei oder welcher Hochschulgruppe er angehört.“

Im Frühjahr 2000 trat Eike Erdel schließlich aus der Normannia-Leipzig aus.

Als Kläger gegen die Arbeit des linken Marbuger AStA traten auch die beiden Mitglieder der Normannia Patrick Müller und Walfried Grosse auf. Zusammen mit Erdel klagten sie gegen das fortschrittliche politische Engagement des AStA.

Die Scharnierfunktion von »Burschenschaften« zwischen der extremen Rechten und konservativen Kräften wird am Beispiel der Normannia Leipzig besonders deutlich. So traf sich die Fördergemeinschaft für Soldatenverbände (FfS) regelmäßig auf dem Haus der Normannia.

Die »parteiübergreifende« FfS wurde 1989 gegründet und verbindet die gesamte Rechte. So kommen hier CDU-Mitglieder und Rechtsextreme zusammen. Zum zehnjährigen Jubiläum der »Fördergemeinschaft« gab es von Oberbürgermeister Möller (CDU) sogar ein Grußwort. Gleichzeitig sind auch Rechtsradikale Mitglieder der FfS. Der Republikaner-Vorsitzende in Marburg-Biedenkopf, Gerhard Lengelsen, ist ebenso Mitglied wie der Republikaner-Funktionär Martin Dembowsky, der nach eigenem Bekunden auch dem neofaschistischen Lager sehr zugetan ist. Beispielsweise trug er auf einer Demonstration des offen nationalsozialistisch auftretenden Nationalen Widerstand Hessen im September 1999 in Marburg das Fronttransparent.

Weiterhin ist der Vorsitzende der NPD Marburg-Biedenkopf, Alfred Horst aus Lohra, Mitglied der FfS und regelmäßig Gast auf Marburger Verbindungshäusern.

Der erwähnte REP-Funktionär Martin Dembowsky hielt sogar auf dem Haus der Normannia für die »Fördergemeinschaft« am 12.3.1998 und 11.2.1999 Vorträge.

Die Alten Herren versuchen das Ansehen zu retten

Inzwischen wird sogar den »Alten Herren« der Normannia das Treiben der Aktivitas zu viel. Setzten sich die rechten Aktivitäten der Verbindung fort, „würde die Bereitschaft der alten Herren sicherlich zurückgehen, sich weiterhin in Marburg zu engagieren“, so der Vorsitzende der Alt-Herrenschaft Professor Helmut Göttsche. Weiter sagte er: „Die Alten Herren sind nicht willig, solche Dinge hinzunehmen.“

Diese Haltung als »aktiven Antifaschismus« zu interpretieren wäre sicherlich falsch. Vielmehr geht es darum, das Ansehen der Verbindung in der Öffentlichkeit zu wahren.

 

 

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dazu: Jürgen Gansel

Eins der zahlreichen Bindeglieder zwischen Marburger Verbindungen und die Neonazi-Szene. Er wurde aus der Normannia Leipzig zu Marburg ausgeschlossen, nachdem er auf einen Hausmeister geschossen und den Hitlergruss entboten hatte ...

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In den Jahren 1997 bis 1999 wurde der Marburger AStA mit Klagen überschüttet. Hauptakteur war der Korporierte Eike Erdel, unter anderem verantwortlich für die Neugründung des Republikanischen Hochschulverbandes (RHV). Wieso und auf welcher Rechtsgrundlage Korporierte bei den Verwaltungsgerichten Unterstützung bekommen ist hier zu lesen.