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Jedes Jahr findet in Marburg am ersten Juliwochenende der Marktfrühschoppen statt – ein Fest der Marburger studentischen Verbindungen. Der Marktfrühschoppen, das sind nationalistische Gesänge, uniformierte Dominanz weißer Männer und korporierte Trinkrituale. Jedes Jahr gibt es dagegen Proteste linker und antifaschistischer Gruppen. Und so findet regelmäßig eine Debatte um die Rolle der studentischen Verbindungen/Korporationen statt.

Wir wollten die Diskussion um den Marktfrühschoppen aufgreifen, um eine grundlegende Kritik an studentischen Verbindungen zu formulieren und damit die Argumentation gegen den Marktfrühschoppen und das Korporationswesen zu unterstützen.

Die in den Marburger Medien geführten Diskussionen und geäußerten Positionen zum Thema sind dabei oftmals unkritisch und stützen mit ihrer Berichterstattung aktiv den Marktfrühschoppen. Argumente gegen die Verbindungen werden, wenn überhaupt, nur stark verkürzt dargestellt. Ebenso wie in den kommerziellen Medien ist auch die verbindungskritische Diskussion oftmals zu sehr auf spektakuläre, aktuelle neofaschistische Vorkommnisse beschränkt. Oder die Betrachtung wird auf die nicht zu unterschätzende Beteiligung studentischer Verbindungen am deutschen Faschismus konzentriert.

Eine grundsätzliche Kritik an den Verbindungen, eine Kritik an ihren hierarchischen Strukturen, ihrem Sexismus, ihrer nationalistischen Ideologie – wovon auch die sogenannten „harmlosen“ Verbindungen nicht frei sind – fällt leider oft unter den Tisch. Zwar müssen die Verbindungen differenziert betrachtet werden, aber eine Trennung in besonders „schlimme“ und „harmlose“ Verbindungen wollen wir nicht aufmachen. „Wenn eine Verbindung harmlos sein will, soll sie sich auflösen.“ Aus dem Verbindungswesen können sich keine fortschrittlichen gesellschaftlichen Impulse entwickeln.

In den Medien und seitens der Stadt wird gerne eine Trennung in „Marburger Bevölkerung“ und „Studierende“ vorgenommen. Alle, die sich für die Erhaltung „Marburger Traditionen“, d.h. in diesem Fall den Marktfrühschoppen einsetzen, gehören zur „Bevölkerung“. Der unkorporierte Rest, alien-gleich, „studiert nur“ und hat in der Marburger Politik nichts zu melden.

Das gesellschaftliche Klima der konstruierten „Marburger Bevölkerung“ äußert sich u.a. alljährlich am ersten Juliwochenende auf dem Marktplatz. „Traditionen“, die Verbrüderung von Verbindungsstudenten und dem BürgerInnentum werden verklärt und idealisiert: „Weißt des noch, wie mer jedes Jahr auf dem Marktfrühschoppe zusamme mit de Studende in ihre bunte Mütze un Bänder gesunge hawwe?“ (Oberhessische Presse, 1. Juli 1999). Die Weigerung, über den Sinn und die Funktion von „Traditionen“ nachzudenken, treibt zum Teil seltsame Blüten: „Un heut? Plakate hawwe so Kaode uffgehängt, un gegen „Herrentage und andere Widerwärtigkeiten“ gehetzt.“ Die Meinung über KritikerInnen fällt dann auch erwartungsgemäß aus: „Rabauke“ und „doll un außer Rand un Band, das sin se!“

Die Texte auf dieser Seite stammen aus der Zeitung „verbindungen kappen“, die im Sommer 2000 erstellt und breit verteilt wurde. Mit diesem Internetangebot sollen nun einem breiteren Kreis von LeserInnen anti-korporierte Standpunkte zugänglich gemacht werden.

 

Sie können den Marktfrühschoppen jetzt abdrehen!

 

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