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Neofaschistische Tendenzen

Seit Jahrzehnten konstatieren AntifaschistInnen neofaschistische Tendenzen in der Deutschen Burschenschaft (DB), dem Dachverband von gegenwärtig etwa 100 Burschenschaften aus der gesamten BRD und Österreich. Immer wieder konnte man feststellen, dass Burschenschafter in neonazistischen Zusammenhängen aktiv waren; immer wieder wurden auf Burschentagen, den jährlichen Verbandstreffen der DB, Anträge abgelehnt, sich von der NPD oder anderen rechtsradikalen Organisationen zu distanzieren; und über allem schwebte die Erinnerung daran, dass die Deutsche Burschenschaft 1933 die Machtübergabe an Adolf Hitler begrüsst und in der Folgezeit durch freiwillige Selbstgleichschaltung ihre grundsätzliche Übereinstimmung mit den Zielen des Nationalsozialismus dokumentiert hatte.

Seit Jahrzehnten kann allerdings ebenso konstatiert werden, dass es den Neofaschisten unter den Burschenschaftern bisher nicht gelungen ist, ihren Dachverband zu dominieren. Es gab radikal-völkische Initiativen, die nach längerem Bemühen Erfolg hatten, wie beispielsweise die Aufnahme österreichischer Burschenschaften in die Deutsche Burschenschaft. Damit wird immerhin die Ansicht ausgedrückt, österreichische Burschenschaften seien eigentlich deutsche und Deutschland somit grösser als die BRD. Nicht selten jedoch kam es vor, dass rechtsradikale Burschenschaften auf Burschentagen herbe Niederlagen einstecken mussten; häufig verblieben wichtige verbandsinterne Positionen in den Händen des konservativen Flügels der DB. Zu allem Überfluss versumpften gelegentlich ganze Burschenschaften im vermeintlich unpolitischen Bierdunst.

Hohn, Spott und Populismus

Dies hat dazu geführt, dass Burschenschaften von FaschistInnen häufig abschätzig beurteilt werden. Kräftige Polemik konnten beispielsweise die LeserInnen von Nation & Europa, der ältesten neofaschistischen Zeitschrift in der BRD, im Frühling letzten Jahres miterleben. Franz Schönhuber, regelmäßiger Autor des Blattes, spottete damals (vielleicht verärgert daran denkend, dass es ein Burschenschafter war, der ihn 1994 vom Vorsitz der sogenannten „Republikaner“ verdrängt hatte): „Von studentischen Verbindungen, schlagenden zumal, halte ich nicht viel. Während bedeutende Faschisten wie der Engländer Sir Oswald Mosley oder der Argentinier Juan Perón immerhin das Florett bevorzugten, haut man sich hierzulande mit dem Säbel solange auf die Köpfe, bis einer genug hat. Und Salamanderreiben, sich besaufen bis zur Bewußtlosigkeit, ist keine respektgebietende Lebensart. Das ist, um mit Stefan Zweig zu sprechen: »Die Welt von gestern«.“

Einigen Lesern war diese Polemik zu platt. Jürgen Schwab etwa, inzwischen für die NPD tätig, nannte Schönhuber in einem Leserbrief einen plumpen „Populisten“. „Es stellt keine Neuigkeit dar, daß unter Waffenstudenten der Opportunismus verbreitet ist und der elitäre Anspruch hinter der politischen Wirklichkeit des einzelnen oftmals weit zurückbleibt“, gab auch er zu, um sogleich abzuwiegeln: „Jedoch das läßt sich auf andere gesellschaftliche Gruppen des deutschen Volkes genauso übertragen.“

Jürgen Schwab weiß, wovon er spricht: Er ist selbst Mitglied einer Burschenschaft, der Burschenschaft Thessalia Prag zu Bayreuth, die der Burschenschaftlichen Gemeinschaft angehört – einem Zusammenschluss innerhalb des rechtsradikalen Flügels der DB. Das Innenleben von Neonaziorganisationen kennt er, seit er zu Beginn der neunziger Jahre für den Deutschen Freundeskreis Franken das Faschoblättchen Junges Franken gestaltete. Seine schriftstellerischen Fähigkeiten hat er mit einem Journalistikstudium zu verbessern versucht und dann zunächst in den Dienst der DB gestellt, in deren Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit er sich 1997 wählen ließ. Inzwischen ist er Redakteur der Deutschen Stimme, der Parteizeitung der NPD.

Als strategisch denkender Mensch hat Schwab Interesse daran, den rechtsradikalen Flügel der DB zu stärken. Zur Zeit begleitet er dessen Aktivitäten kritisch-wohlwollend auf der Hochschulseite der Deutschen Stimme. Dort dominiert freilich die Berichterstattung über den Nationaldemokratischen Hochschulbund (NHB) als Hochschulorganisation der NPD. Die Führung des NHB hat nun ebenfalls ein bestimmtes Interesse an Burschenschaften.

Kulturkampf um das nationalistische Prinzip

Die zugrundeliegenden Gedanken des NHB formulierte der Politikstudent Dietmar Engelhard als dessen stellvertretender Bundesvorsitzender in der Ausgabe von Nation& Europa vom März 1999. Er plädierte dafür, an die vor allem in Ostdeutschland für die NPD positiven Erfahrungen mit der neonazistischen Jugendkultur anzuknüpfen und jetzt insgesamt den „Kulturkampf“ aufzunehmen:

„Wir brauchen ein umfassenderes Konzept, eine komplette Gegenkultur. In allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens müssen Zonen nationaler Exklusivität geschaffen werden. Selbstbestimmte, unabhängige Freiräume, in denen die Identität gewahrt werden kann und die Zugriffsmöglichkeiten des politischen Gegners begrenzt sind.“

Das gesellschaftliche Leben macht bekanntlich vor den Toren der Hochschulen keinen Halt, und Engelhard verortet „Zonen nationaler Exklusivität“, auf die AntifaschistInnen kaum Zugriffsmöglichkeiten haben, zielsicher in Burschenvillen. „Im Zuge der vielbeschworenen und notwendigen Intellektualisierung des nationalen Lagers wäre es angebracht, sich verstärkt studentischer Korporationen anzunehmen. Häufig besteht dort noch ein gesundes Verhältnis zu traditionellen Werten und Idealen, das man beim Rest der angehenden Akademikerschaft oft vergeblich sucht.“ Hier gelte es anzusetzen: „Es liegt in der Natur der Sache, daß potentielle Ansprechpartner jene sind, die sich ein Mindestmaß an nationalem Prinzip bewahrt haben (...) Das sind nicht wenige.“

Ähnliches hatte drei Jahre zuvor Jürgen Schwab geäußert. Wenn Burschenschaften auch nicht immer politisch aktiv seien, hatte er damals geschrieben, so stecke in ihnen dennoch politisches Potential. Allein in den „unzeitgemäßen“ Riten wie etwa den männerbündischen Trink- und Feierritualen der Korporationen zeige sich „eine gewisse Oppositionshaltung“ zur modernen Kultur, die durchaus national radikalisiert werden könne. Dies müsse etwa bei Vortragsveranstaltungen in den Korporationshäusern geschehen, die „als Band zwischen Burschenschaftern einerseits und nationaler Opposition andererseits“ dienen sollten.

Den wichtigsten Anknüpfungspunkt bildet für Schwab jedoch der völkische Nationalismus, der in den Prinzipien der DB festgeschrieben ist. Die burschenschaftliche Bewegung habe das völkische Denken in Deutschland maßgeblich geprägt, beide seien untrennbar miteinander verbunden, schrieb er kürzlich in der Deutschen Stimme. Und erklärte ganz offen: „Von daher ist es auch plumpe Geschichtsklitterung, wenn manche DB-Vertreter die – faktisch erzwungene, von vielen jedoch befürwortete – Auflösung der Korporationen und Überführung in den NS-Studentenbund (1935) als Betriebsunfall abhandeln möchten, so als ob Burschenschaften und NS-Bewegung eigentlich im geistigen Widerspruch gestanden hätten.“

Nationalistische Ideale, männerbündische Riten und völkische Ideologie bilden die Anknüpfungspunkte, die die Burschenschaften für FaschistInnen interessant machen und die die Grundlage dafür sind, dass immer wieder Burschenschafter rechtsradikale Positionen übernehmen. Sollen jedoch die Aussichten der beispielsweise von Schwab und Engelhard eingeschlagenen Strategie, den rechtsradikalen Flügel in der DB zu stärken, eingeschätzt werden, dann müssen die konkreten Kräfteverhältnisse innerhalb des Dachverbandes in den Blick genommen werden.

Dort hat sich am 13. Januar 1996 Einschneidendes ereignet. Acht Burschenschaften, die bis dahin dem konservativen Flügel der DB angehört hatten, traten aus der Organisation aus und gründeten einen eigenen Dachverband: Die Neue Deutsche Burschenschaft (NDB). Diese unterscheidet sich von der DB dadurch, dass sie Kriegsdienstverweigerer in ihren Reihen duldet, vor allem aber dadurch, dass sie angesichts der europäischen Einigung die Forderung für überholt hält, Teile Polens, Tschechiens und Russlands dem Territorium der BRD einzuverleiben. „Die politischen Grenzen des deutschen Vaterlandes sind die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland“, stellt die NDB in Abgrenzung zur DB in ihrem Programm fest. Ungehinderter Zugang zu den ehemaligen deutschen Ostgebieten und ihre Anbindung an die BRD lässt sich im Rahmen der EU-Osterweiterung viel gefahrloser und billiger erreichen.

Der rechtsradikale Flügel der DB strebt weiterhin ein „Deutschland in den Grenzen von ...“ an, nur auf das Bezugsdatum kann man sich nicht so recht einigen – die „Grenzen von 1937“ dürften den Minimalkonsens bilden, diskutiert werden darüber hinaus Gebiete „von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt“. Burschenschaften, die diese Politik für unnötig riskant halten, sehen für sich in der NDB zunehmend eine Alternative zur DB; inzwischen sind schon 17 Bünde in den neuen Dachverband übergetreten. Damit ist eine Schwächung des konservativen Flügels der DB verbunden, und die darin liegende Chance haben NeofaschistInnen schnell gewittert. Künftig könne „die DB-Verbandspolitik noch mehr von den Mitgliedsbünden der nationalen Fraktion innerhalb der DB bestimmt werde“, schrieb Jürgen Schwab im September 1996 in den neofaschistischen Staatsbriefen, und da deren Auflage eher gering ist, wurde Schwabs Artikel bald darauf im Thule-Net veröffentlicht, um ihn einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Werben um die Rechten

Denn der rechtsradikale Flügel der DB sucht breitere Unterstützung bei seinem Versuch, den Dachverband vollständig auf die eigenen Positionen festzulegen. Unterstützung besteht zunächst einmal darin, dass Jungnazis, wenn sie ein Studium beginnen, sich in einer Burschenschaft engagieren, anstatt Burschenschafter als Opportunisten zu beschimpfen. Entsprechend haben sich immer mehr Burschenschaften darauf verlegt, nicht mehr in der als zu angepasst geltenden rechtsradikalen Wochenzeitung Junge Freiheit mit Kleinanzeigen um Nachwuchs zu werben, sondern in der klar neofaschistischen Zeitschrift Nation&Europa. Auch um Mitglieder der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten bemüht man sich offensichtlich. Auf die Frage, ob es „Sinn“ mache, „einem nationalen Studenten zu empfehlen, das Band einer Burschenschaft aufzunehmen“ antwortete Dennis Witt, Mitglied der Burschenschaft Franco-Germania Halle und aktiv in einem wichtigen DB-Ausschusses vor einem Jahr in einem Interview mit der NPD-Zeitung Deutsche Stimme kurz und knapp: „Definitiv.“

Unterstützung erhält der rechtsradikale Flügel der DB ausserdem von zahlreichen ihm nahestehenden Prominenten, die bereit sind, ihre Thesen im Rahmen von Vortragsveranstaltungen in Burschenhäusern zur Diskussion zu stellen. Im vergangenen Jahr hat beispielsweise der zum bekennenden Nazi konvertierte Rechtsanwalt Horst Mahler zwischen seinen Vorträgen vor NPD-Untergliederungen und neonazistischen Freien Kameradschaften immer wieder Veranstaltungen in Burschenhäusern eingeschoben. Derlei Veranstaltungen bringen die burschenschaftsinterne Diskussion voran und sorgen zugleich dafür, dass nichtkorporierte rechtsradikale ZuhörerInnen den Kontakt zu Burschenschaftern aufrecht halten.

Interne Fechtpartie: Eisenach 1999

Über den Zwischenstand bei der DB-internen Fechtpartie »rechtsradikal gegen konservativ« konnte man sich beim letztjährigen Burschentag in Eisenach informieren. Schlecht sieht es aus für die konservativen Schmissgesichter. Bei den verbandsinternen Wahlen konnten sie fast nur Positionen besetzen, für die der gegnerische Flügel keine Kandidaten aufgestellt hatte. Inhaltliche Anträge wurden durchweg im Sinne der Rechtsradikalen entschieden. Den Gipfel stellte der mit deutlicher Mehrheit beschlossene Antrag dar, die DB solle sich für eine Änderung des Volksverhetzungsparagraphen einsetzen. Der Paragraph stellt unter anderem die Leugnung des Holocaust unter Strafe, und genau das ist es, was die Burschenschaften kritisieren.

Inzwischen geht es kräftig voran. Im Sommer 1999 hat die Burschenschaft Oberösterreicher Germanen zu Wien den Vorsitz der DB übernommen; sie gehört der rechtsradikalen Burschenschaftlichen Gemeinschaft an, in deren Sinne sie die Führung der laufenden Geschäfte ausgeübt und die Vorbereitung des Burschentages getroffen haben dürfte. Im Sommer 2000 wird die Burschenschaft Rheinfranken Marburg den Vorsitz übernehmen. Sie ist nicht in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft organisiert, zählt aber inzwischen auch zum rechtsradikalen Flügel der DB.

Der wiederum könnte bald die Burschenschaftliche Initiative absorbieren, also den DB-internen Zusammenschluss, der es sich eigentlich zum Ziel gesetzt hatte, zwischen beiden Flügeln zu vermitteln. Zu diesem Zweck hatte die Frankfurt-Leipziger Burschenschaft Arminia beim Burschentag 1999 – damals war sie Vorsitzende der DB – einigen Aufwand betrieben, gar Helmut Kohl als Festredner eingeladen, um den Vormarsch der Rechtsradikalen zu bremsen. Das gelang ihr damals nicht; der frenetische Beifall konservativer Burschenschafter konnte gähnende Langeweile bei den Mitgliedsbünden der Burschenschaftlichen Gemeinschaft kaum verdecken. Inzwischen jedoch entfernt sich die Frankfurt-Leipziger Burschenschaft Arminia vom Versuch, im Dachverband zu vermitteln; mit Vortragsveranstaltungen mit dem REP-Vorsitzenden Rolf Schlierer, der Junge Freiheit Autorin Ellen Kositza und einem FPÖ-Funktionär bezog sie selbst zunehmend eine rechtsradikale Position.

Vor Ort müssen die Rechtsradikalen gelegentlich auch Rückschläge hinnehmen. Während etwa die Burschenschaft Rheinfranken Marburg sich auf den DB-Vorsitz vorbereitet, gleichzeitig zahlreiche Vortragsveranstaltungen organisiert und sich darüber hinaus mit dem REP-Hochschulverband ein hochschulpolitisches Standbein hält, krankt die Burschenschaft Germania Marburg - die in den achtziger Jahren die Vorreiterin bei der Radikalisierung der Marburger Burschenschaften war – an konstantem Mitgliedermangel. Die Altherrenschaft der Burschenschaft Normannia-Leipzig zu Marburg gar erzwang kürzlich den Austritt des NPD-Aktivisten Jürgen Gansel aus der Burschenschaft. Öffentliche Positionierung ist also wohl für »Normannen« zunächst nicht angesagt.

Überparteilichkeit heißt NPD, Rep und RCDS

Von Vorteil ist da freilich, dass sich keine Burschenschaft jemals auf eine politische Partei hat festlegen lassen. Mit welcher Organisation man die burschenschaftlichen Ziele verfolgt, das – so will es der völkische Pluralismus der DB – bleibt den einzelnen Mitgliedern vorbehalten. Und es erweist sich als äußerst vorteilhaft, stets mehrere Eisen im Feuer zu haben. Die Marburger »Normannen« etwa können auch ohne REP und NPD. Kurz nach dem Rausschmiss von Gansel und Erdel druckte der Marburger RCDS, in dem der „Normanne“ Jens-Markus Sanker eine führende Rolle spielt, in seinem »Erstsemesterinfo« eine ganzseitige Anzeige für die rechtsradikale Junge Freiheit ab. Nur nicht aufgeben heißt die Devise.

 

 

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dazu: Burschenschafter gegen Wehrmachtsausstellung

Über die Beteiligung Korporierter an den Protesten gegen die Ausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944“

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Der Marburger Marktfrühschoppen lockt neuerdings neben feiernden Burschen, Polizei und GegendemonstrantInnen auch die organisierte Neonaziszene an. Welche rechten Gruppen darin verwickelt sind und welche Ziele sie dabei verfolgen in diesem Artikel.

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Ein historischer Abriss der burschenschaftlichen Aktivitäten vor und während des Nationalsozialismus. Es wird herausgestellt, wie die Verbindungen als Wegbereiter für den Nationalsozialismus agiert haben – vom Widerstand gegen die Weimarer Republik bis zur freiwilligen Selbstgleichschaltung 1935.