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Berlin: Weinrich-Prozess: 83. Verhandlungstag

"Auf zum letzten Gefecht..."

so hallte der Aufruf des Justizwachtmeisters am heutigen 83. Verhandlungstag durch das Kriminalgericht Moabit. Und er sollte recht behalten.

Vorab verlas der Vorsitzende jedoch noch die Antwort auf das Rechtshilfeersuchen an Frankreich, eine Vernehmung von Sanchez per Videokonferenz betreffend. Dieser hatte bei einer Vernehmung im Pariser Gefängnis Fresne, bei der er schwor, "die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit" zu sagen, mitgeteilt, daß er "zu keinerlei indirekter Vernehmung bereit" sei. Er würde "für meinen lieben Genossen Johannes Weinrich" nur persönlich in Berlin aussagen und dann auch alle ihm gestellten Fragen beantworten. "Das bestätigt unseren Beschluß vom letzten Verhandlungstag" so Ehestädt.=20

Staatsanwalt Mehlis eröffnete das Gefecht dann mit einem Statement, in dem er die angebliche Aussage Issawis noch einmal "für glaubhaft und beweiserheblich" hielt. Es gebe in diesem Zusammenhang "keine Anzeichen" für den von der Verteidigung geäußerten Folterverdacht. Schließlich sei Jordanien bereits 1991 der Anti-Folter-Konvention beigetreten. In den MfS-Unterlagen könne man zudem nachlesen, was Weinrich selbst zu den diversen Anschlägen geschrieben habe. Und "natürlich" handele es sich dabei um Aufzeichnungen Weinrichs.

Verteidiger Elfferding replizierte mit der Feststellung, daß Mehlis damit "nix Neues" erzählt habe und fragte, ob denn bekannt sei, wann die USA der Anti-Folter-Konvention beigetreten sind. Im Übrigen verwies er noch einmal darauf, daß die Schriftsachverständigen die Wahrscheinlichkeit für die Handschrift Weinrichs auf der untersten Stufe angesiedelt hatten und seriöse Sachverständige es eigentlich hätten ablehnen müssen, mit dem Kopienmaterial zu arbeiten.

Im Anschluß verlas er ein fünfseitiges Nachplädoyer, das sich noch einmal mit der angeblichen Aussage Issawis beschäftigte und eine Reihe neuer Ungereimtheiten in diesem Zusammenhang herausarbeitete.

Nebenklagevertreter Ehrig stellte daraufhin einen Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens, damit er Zeit habe, diese Ausführungen anhand der Akten zu überprüfen. (Anmerkung: Die Nebenklagevertreter haben bis dato weder durch Anwesenheit noch durch Aktenkenntnis geglänzt). Prozeßbeobachter werteten dies als "letzten Versuch" Ehrigs, einen Revisionsgrund "einzubauen":

Die Kammer lehnte den Antrag mit einem Beschluß ab. Einem erfahrenen Anwalt sei es zuzumuten, in einem solchen Fall direkt zu replizieren, zumal er ja aufgrund der langen Verhandlungsdauer über eine gute Aktenkenntnis verfügen müßte. Diese Spitze hatte sich die Kammer erkennbar gegönnt.

Man werde sich nun "Gedanken machen" so der Vorsitzende und am 23. 8. werde es zur "Verkündung einer Entscheidung" kommen.

Nächster Termin: 23.08.. 9.30 Uhr, Turmstr. 91, Saal 500

 

11.08.2004
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Repression]  [Schwerpunkt: Weinrich-Prozess]  Zurück zur Übersicht

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