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172. Prozesstag | Schluss mit Lustig - Beweisaufnahme geschlossen

Jetzt neigt sich das Verfahren seinem Ende zu. Heute wurden die letzten Beweisanträge vom Senat vom Tisch gewischt. Egal ob es sich um massive Verfahrensfehler (Unterschlagung von Aktenmaterial), die Einholung weiterer Gutachten (der Senat besitzt eben Sachkunde genug) oder die Vernehmung von Zeugen (was die zu sagen hätten, sei ohnehin offenkundig) handelte – alles unerheblich und deshalb abzulehnen. Das Motte des Senats heute: Wir machen den Weg frei!

So konnte im Anschluss die Bundesanwaltschaft aus ihrer Sicht die wieder aufgenommene Beweisaufnahme der letzten Verhandlungstage bilanzieren. Wenig überraschend, wie von Bundesanwalt Bruns selbst eingestanden, sah sie sich (und ihren Kronzeugen) in allen Fragen bestätigt. Ob Mehringhof-Depot, Patriarchatspapier oder "Seegraben-Problematik" – in dubio contra reo. Laut BAW gab es also im Mehringhof ein Sprengstoff- und Waffendepot der RZ. Wenn nicht im Garagenraum, dann eben anderswo, denn - wie wusste Bruns zu schlussfolgern – hätte die Zeugenvernehmungen ergeben, dass es dort eine Vielzahl von Verstecken gäbe. Spricht sich hier die BAW für eine großzügige Bewertung aus, soll dies für das Patriarchats-Papier von Sabine E. nicht gelten, denn so Bruns: "Wer Ausstieg meint, schreibt das Wort 'Ausstieg' auch hinein". Der selbst ernannte RZ-Intimus weiter: "Wie ein Ausstiegspapier aussieht, zeigt das Papier 'Das Ende unserer Politik'." Und auch beim Seegraben alles im Lot. Der Versuch der Verteidigung nachzuweisen, dass Mousli keineswegs 1995 dort Sprengstoff versenkt hat, sei kläglich gescheitert. Da half es der Gutachterin Dr. Kasten auch nicht, dass sie sich am 170. Verhandlungstag dagegen verwahrt hatte, ihrem Gutachten irgendwelchen Beweiswert zu zusprechen. Auch heute scherte das Bruns nicht, und so wurde aus ihrem Gutachten zur Häufigkeit des Algenvorkommens auf dem Sprengstoffpaket aus dem Seegraben der unumstößlichen Nachweis, dass der Sprengstoff dort Jahre gelegt hat.

Die Verteidigung zeigte sich angesichts dieser Ausführungen verständlicher Wiese etwas wortkarg. Es sei "nicht lohnenswert", so Rechtsanwältin Lunnebach, auf Bruns einzugehen. "Die Bundesanwaltschaft ist in allen Fragen fest an Mousli gekettet und nicht mehr in der Lage, objektiv zu urteilen."Dieser Bewertung schlossen sich in ähnlicher Weise die VerteidigerInnen von Harald G. und Sabine E. an. Kommenden Donnerstag folgen dann noch die Schlussvorträge von Rechtsanwalt Euler und der Verteidigung von Axel H.. Ob der Senat dann tags darauf sein Urteil spricht, oder ob er zumindest die obligatorische Schamfrist von einer Woche einhält, war heute nicht zu erfahren. Dass die Urteile schön längst gefällt sind, daran kann kein Zweifel bestehen. Also handelt es sich eher um eine Frage des Stils. Doch wie heißt es so schön: Ist der Ruf erst einmal ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert. Also lassen wir uns überraschen.

Der Prozess geht am Donnerstag, 11. März, um 9.15 Uhr weiter. Ein ausführlicher Bericht folgt.


 

04.03.2004
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