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Berlin: 56. Verhandlungstag im Weinrich-Prozess | Abstecher zum Maison de France


Da die Kammer im Anschluss an den heutigen Prozesstermin noch ein weiteres Verfahren zu verhandeln hatte, wurden nur Teile aus dem Urteil von 1994 gegen Helmut Voigt verlesen.

Voigt war zu Beginn der achtziger Jahre als MfS-Mitarbeiter mit der "Betreuung" von Mitglieder der Carlos-Gruppe in Ost-Berlin befaßt. Deshalb hatte man ihn der Mitschuld am Bombenanschlag gegen das Maison de France bezichtigt und verurteilt.

Der verlesene Teil des Urteils befasste sich mit dem seinerzeitigen Tatablauf. Demnach sei Weinrich am Morgen des 25. August 1983 in der syrischen Botschaft in Ost-Berlin erschienen und habe von einem dortigen Mitarbeiter namens Shritah eine Tasche mit 24 Kg Sprengstoff abgeholt, die er kurz zuvor dort deponiert hatte. Zwei weitere Mitglieder der Carlos-Gruppe ("El Sibai"/"Abul Hakam") sollen den Sprengstoff dann am Vormittag nach West-Berlin gebracht und im - für die Öffentlichkeit gesperrten - vierten Stock des Maison de France deponiert haben. Anschließend hätten sich die beiden nach Ost-Berlin zurück begeben und seien noch am gleichen Tag mit unterschiedlichen Zielen abgereist. Weinrich sei gegen Mittag erneut in der syrischen Botschaft erschienen und habe jenen Shritah aufgefordert, das Radio einzuschalten, da eine besondere Meldung zu erwarten sei. Bei der Nachrichtenmeldung der Bombenexplosion soll er sodann geäußert haben, das dies sein Werk gewesen sei.

Am Nachmittag des Tattages ging bei einer Presseagentur eine Bekennung der armenischen ASALA zum Anschlag ein. Wenige Tage später erhielt ebenfalls eine Presseagentur ein Bekennerschreiben der Carlos-Gruppe, in der der genaue Ablageort des Sprengstoffs mit einer Skizze bezeichnet war.


Da es eine Vereinbarung der Gruppe mit dem MfS gab, keine Operationen von Ost-Berlin aus gegen westliche Ziele auszuf=FChren, erklärte Weinrich bei einem Treffen mit Voigt zwei Tage später, daß die ASALA die Urheberin des Anschlags gewesen sei.

Insbesondere aus kopierten Unterlagen des ungarischen Staatssicherheitsdien stes sei dann jedoch hervorgegangen, das sich Weinrich in einem Brief an Sanchez ("Carlos") ausführlich zu der Tat äußerte.

Soweit die Verlesung aus dem Urteil.

Voigt wurde 1994 wegen Beihilfe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Das MfS hatte bei der Einreise Weinrich nach Ost-Berlin den von ihm mitgeführten Sprengstoff zuerst beschlagnahmt, nach längeren Verhandlungen und der Versicherung Weinrichs, den Sprengstoff lediglich nach Syrien zu verschieben dann wieder herausgegeben. Anschließend hatte Weinrich die Tasche in der syrischen Botschaft deponiert.

Verteidiger Elfferding hatte nach der Verlesung noch anzumerken, daß es sich bei dem damaligen Verfahren um einen "Deal" gehandelt habe. Um das Verfahren abzukürzen sei die Verteidigung Voigts einverstanden gewesen, auf eine genaue Prüfung aller Umstände und diverse Anträge zu verzichten. Im Gegenzug hätte man von Seiten der Justiz davon abgesehen, Voigt wegen der Unterbringung ehemaliger RAF-Mitglieder in der DDR zu belangen.

Nächster Termin: 9.2., 9.30 Uhr, Turmstr. 91, Saal 500


 

28.01.2004
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Repression]  [Schwerpunkt: Weinrich-Prozess]  Zurück zur Übersicht

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