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Berlin: 89. Prozesstag | Deutsche Gründlichkeit

Deutsche Gründlichkeit (89. Prozesstag)

Weitere fünf KriminalbeamtInnen, die an der Durchsuchung des Mehringhofes am 19. Dezember 1999 beteiligt waren, legten mit eben der Gründlichkeit Zeugnis über ihre damaligen Durchsuchungsverrichtungen ab, mit welcher sie seinerzeit auch zu Werke gingen. Da wurde zur Seite geschoben, weggeräumt, abgelöst, gebohrt, abgeklopft, abgehört und durchgeguckt, dass sich die Balken bogen im Wortsinne. Verbogen war zum Schluss nicht nur die Stahltüre der Behindertentoilette in der Durchfahrt beim EX, welche mit einem Rammbock aufgebrochen worden war.
Gesucht wurden, das gaben alle Zeugen übereinstimmend an: Sprengstoff, (Schuss-)Waffen, Munition, Hohlräume und Depots in welchen erstere Gegenstände verstaut werden könnten, worden sein könnten oder verstaut waren sowie technische Geräte wie Funkpeilsender, Scanner und dergleichen. Außerdem sollten RZ-relevante Schriftstücke gesucht, gefunden und beschlagnahmt werden.
Gesucht wurde - wie gesagt, und darauf legten die Befragten großen Wert - sehr gründlich, wie sie das eben gelernt und als Berufsehre verinnerlicht haben.
Gefunden wurde indes - nichts. Und Herr Oberstaatsanwalt, Bundesanwalt Homann, zeigte sich kaum einmal bei seinen rackernden BeamtInnen geschweige denn, dass er Anweisungen gegeben hätte. Heute waren BeamtInnen da, die den Buchladen, den Fahrradladen, das Puppentheater Hanswurst Nachfahren, das Mehringhoftheater, diverse Werkstätten, Lagerräume, Abstellkammern und Treppenaufgänge sowie die Büros von den Angeklagten, Herrn Haug und Herrn Glöde (FFM), durchsucht haben. Vereinzelt wurden Sprengstoffhunde oder Techniker des BKA durch die Räume geführt, um an verdächtigen Stellen Wischproben (im Falle der Hunde Riechproben) zu nehmen, Probebohrungen und endoskopische Späharbeiten vor zu nehmen.

Am kommenden Donnerstag (11 Uhr) ist der Gutachter Jendrossek, Mikrobiologe an der Uni Stuttgart, als Zeuge in Sachen Klebeband, Algenbewuchs und weitere Mikroorganismen im Seegraben geladen und hat sein Kommen zugesagt. Davor und danach wird die Zeit wohl mit Zeugen aus dem üppigen Reservoir an KriminalbeamtInnen ausgefüllt, die den Mehringhof auseinander genommen haben.
Das Gericht gab bekannt, dass es den Beschluss bestätige, die Zeugin Elisabeth E. nach ihrer Aussage vor der Sommerpause nicht vereidigt zu haben.
Die Anwältin Studzinsky stellte Antrag auf Ladung des Zeugen Teichert. Teichert ist Mitarbeiter der Sachsen-Anhaltinischen Sprengstoffwerke und kann Auskunft über den Sprengstoff Gelamon 40 geben, der zu DDR-Zeiten im VEB in Schönebeck (hauptsächlich für den Export) hergestellt worden ist. Das Archiv des VEB ist bei der Firma Herrn Teicherts zu finden.
Herr Teicherts Aussage soll den Nachweis erbringen, dass Gelamon 40 immer eine hohen Anteil an Ammoniumnitrat enthielt und dass dieser nicht verändert wurde. Damit läßt sich der Zweifel begründen, dass es sich zumindest bei einem Teil der im gefundenen Dynamitstangen (Probe 1) ohne Ammoniumnitrat tatsächlich um Gelamon 40 handelt. Das jedoch würde bedeuten, dass auch die Vermutung, der Sprengstoff stamme aus einem - mutmaßlich von den RZ verübten - Sprengstoff-Raub in Salzhemmendorf 1987, und etliche weiter gehende Mutmaßungen höchst zweifelhaft sind.

Die Verhandlung wird am Donnerstag, 15. August, um 9.15 Uhr fortgesetzt. Der Verhandlungstermin am Freitag, 16. August, indes entfällt.
Ein ausführlicher Bericht entfällt heute ebenfalls mangels Masse.

 

09.08.2002
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