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Berlin: Prozessbericht vom 24. Mai 2002 | 77. Prozesstag: "Was Herr Mousli gesagt hat, wurde auch so protokolliert"

Eine drei Viertel Stunde dauerte heute das Schauspiel vor dem Kammergericht. Hauptdarsteller der
heutige Aufführung: Rechtsanwältin Andrea Würdinger und Klaus Schulzke, der berühmt-berüchtigte
pensionierte BKA-Beamte mit der enormen Erinnerungsleistung. Wegen ihrer aufopferungsvollen
Nebenrolle ausdrücklich vom Gericht bedacht, waren heute auch die wenigen Prozessbesucher, deren
Aufführungsbeitrag allerdings als "unreif" abqualifiziert wurde.

Zur Darbietung kam eine weitere Episode aus dem Leben des Kronzeugen. Erneut ging es um seine
Wahrheitsliebe und seinen seriöses Umgang mit Geld. Kurz nach seiner zweiten Verhaftung erzählte
Tarek Mousli seinem Vernehmungsbeamten Klaus Schulzke von einem Betrag von 60.000 Mark, die
er zur Unterstützung von in der Illegalität lebenden RZ-Mitgliedern "Siggi" gegeben haben will.
"Siggi" soll laut Mousli Harald G. sein. Das Geld will Mousli von Michael W. (Spitznamen Roger) für
diesen Zweck erbeten haben. Ende 1994 oder Anfang 1995 will er dann das Geld in einem Umschlag
"Siggi" übergeben haben.

Wie Schulzke heute bestätigte, habe er in diesem Zusammenhang die Kontobewegungen Mouslis
überprüft und im Zuge weiterer Vernehmungen den Kronzeugen mit den Ergebnissen konfrontiert und
dessen Aussagen zu Protokoll genommen. Dabei zu Tage getretenen Widersprüchen, sprich
Unterschiede in den Darstellungen, hätten ihn aber nicht interessiert. "Diese Unterschiede des
Geldeingangs und der Weiterleitung durch Auffüllungen haben wir nicht gegeneinandergestellt, das
war für mich kein Knackpunkt." Warum auch, zählt doch bei BKA-Ermittlungen anscheinend nur das
Ergebnis und das war durch die Vorgaben des Kronzeugen doch erreicht: Harald G. als RZ-Mitglied
dingfest zu machen.

Und dann interessiert es eben nicht mehr, dass Mousli in vier Vernehmungen drei verschiedene
Versionen der Geldtransaktion gegeben hat. Ausgangpunkt ist eine Überweisung auf das Konto der
damaligen Lebensgefährtin des Kronzeugen Karmen T. über 50.000 Mark im November 1994. Das
Geld stammt von einer Tante von Michael W. aus Kanada. (vgl. 63. Prozesstag, 21.2.2002) Anfang
Dezember gibt Mousli dazu an: "Diese 50.000 DM waren für die RZ bestimmt. Ich habe sie später
über 'Siggi' weiter geleitet." Am 12.1.2000 konkretisiert er: "Diese 50.000 DM plus 10.000 DM, also
60.000 DM, übergab ich kurz nachdem das Geld bei mir eingegangen war an 'Siggi', der es an die RZ
weiterleitete." Nach Vorlage von Kontoauszügen, die u.a. den Eingang eines Orderschecks seines
Bruders Talal Mousli in Höhe von 100.000 Mark und eine Barauszahlung in Höhe von 25.000 Mark
ausweisen, revidiert er seine frühere Version in einer Vernehmung am 29.2.2000. Jetzt gibt er an, dass
die 60.000 Mark sich aus den 25.000 Mark der Barauszahlung und der Rest in Höhe von 35.000 Mark
aus Barbeständen zusammensetzen würden. Version Nummer 3 bietet Mousli dann am 6.7.2000 feil:
"Auf dem Kontoauszug Blatt 1, Nr. 1 vom 11.1.1995 sieht man den Eingang von 50.000 DM, sowie
eine Barauszahlung von 25.000 DM. Auf dem Blatt Nr. 3 desselben Kontoauszugs sieht man eine
weitere Barauszahlung über 3.500 DM. Diese drei Vorgänge haben RZ-Relevanz." Nach dieser
Version war die Stückelung der Gesamtsumme von 60.000 Mark also 28.500 Mark vom Konto und
32.500 Mark aus Barbeständen.

Auch Schulzke bestätigte heute diese unterschiedlichen Darstellungen. Immer wieder versicherte er:
"Ich kann mich erinnern, dass das, was Herr Mousli gesagt hat, auch so protokolliert wurde." Aber
warum widerspricht sich der Kronzeuge? Hat es diese angeblichen Geldtransaktion mit "RZ-
Relevanz" vielleicht nie gegeben? Ist das Geld eventuell für ganz andere Zwecke verwendet worden?
Karmen T., über deren Konto die Geldgeschäfte Mouslis zu dieser Zeit abgewickelt wurde, sagte
jedenfalls in einer Vernehmung im Juli 1999: "Mir ist heute nur noch erinnerlich, dass Tarek dieses
verbliebene Guthaben (also 125.000 DM, nachdem Mousli 25.000 DM für eine Geschäftseinlage für
sein Sportstudio Snoops bar abgehoben hat) in ca. einem Monat verbraucht hat."

 

24.05.2002
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