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Kiel: der 2. Prozesstag wegen TKDV und Landfriedensbruch

Wenn die Blätter fallen:

Bericht zum 2ten Prozesstag wegen TKDV (totaler
Kriegsdienstverweigerung) und Landfriedensbruchs gegen einen Kieler
Genossen

(Diesen Text könnt Ihr als layoutets PDF runterladen, ausdrucken &
weiterverteilen:  http://www.gaarden.net/hausdruck )

Fand schon der erste Prozesstag unter Polizeistaatsbedingungen statt
(zur Erklärung verweisen wir auf den Bericht vom ersten Tag) allerdings
da noch von den Bullen selber über den Landgerichtspräsidenten
inszeniert, setzte der Richter trotz gegenteiliger Zusage in Eigenregie
noch einen drauf. Richter Franz ließ "seinen" Prozess in den
Staatsschutzsaal des Kieler Landgerichts verlegen.
Er betrachtet die Prozessöffentlichkeit laut eigener Erklärung als
bedrohliche Menge, vor der er sich und andere zu schützen hat. Seine
Begründung ist eine offene Darstellung des paranoiden Weltbildes
spießbürgerlicher Funktionsträger. Nicht etwa das Verhalten der
BesucherInnen am ersten Prozesstag, sondern die Lektüre des zum Prozess
mobilisierenden Flugblattes ließ ihn die Gewalttätigkeit der
Prozessöffentlichkeit unterstellen. In dem Flugblatt wurde das Gericht
als "selbsternannter Kadi" bezeichnet, für einen Richter, der an seine
Unabhängigkeit glaubt wie an Gott, anscheinend eine Ungeheuerlichkeit.
Dazu wurde im Flugblatt auch noch darauf hingewiesen, dass die Justiz in
bruchloser struktureller und personeller Kontinuität zum NS-Faschismus
steht (übrigens als einzige gesellschaftliche Struktur nicht mal mit dem
Anschein der Entnazifizierung). Diese Tatsachenbehauptung, die für
Historiker nicht mehr als eine Binsenweisheit darstellt, ließ ihn
glauben, er selbst würde als faschistoid bezeichnet. Als er dann noch
lesen musste, dass ein Organ der Rechtspflege als "unser Anwalt"
bezeichnet wurde, ist für ihn offensichtlich eine Welt
zusammengebrochen. Eine fremde Welt, die in seinen Gerichtssaal
eindringt, kann sein Bürgerhirn anscheinend nur als gewalttätige
rationalisieren.

Unser Anwalt musste sich wiederum stundenlang damit abplagen, ein
Prozessklima herzustellen, über dem nicht ständig der Polizeiknüppel
hängt. Unter anderem, weil Richter Franz unseren Anwalt als Teil der
bedrohlichen Meute ausgemacht hat, ihn also nicht mehr als Anwalt
akzeptiert hat, waren alle Versuche, die Staatsschutzmaßnahmen
wegzubekommen aussichtslos (die Gegnererklärung des Richters ging so
weit, dass er dem Anwalt die Autorenschaft für das Flugblatt
unterstellte und ihn ständig aufforderte, beruhigend auf das Publikum
einzuwirken). Die völlig undifferenzierte Freund-Feind-Haltung des
Richters führte dann auch konsequenterweise zu einem
Befangenheitsantrag, dessen voraussichtliche Ablehnung durch einen
anderen Senat aber auf später verschoben wurde. Im Zuge des
Befangenheitsantrages erlaubte sich Franz noch die Frechheit, über den
Umgang mit dem Antrag zu entscheiden, bevor er ihn überhaupt kannte. Als

dem Befangenheitsantrag dann noch ein Antrag auf Einstellung des
Verfahrens folgte, der sich auf die derzeitigen gesamtgesellschaftlichen
Verhältnisse bezog, die so extrem von militärischem Denken und
rechtsstaatsfeindlichen Aktionen der Machthaber geprägt sind und damit
ein "faires" Verfahren für AntimilitaristInnen unmöglich machen, hatte
er für diesen Tag die Schnauze voll. Er ließ den Prozess für diesen Tag
beenden.

Als bisheriges Zwischenergebnis lässt sich feststellen, dass der Richter
im Gegensatz zum ersten Prozess schon vor der Urteilsverkündung Farbe
über seine Gesinnung bekannt hat. Er hat seine Zusage die
Staatsschutzbedingungen des Prozesses aufzuheben, mit einer billigen
Bezugnahme auf das Mobilisierungsflugblatt gebrochen, er hat alle
Prozessbeteiligten unserer Seite in einen, den Gewalttätertopf, geworfen
und für den Prozess das Polizeiregime legitimiert. Damit gibt es kaum
noch was zu verhandeln, höchstens noch einiges zu erklären.

Die ProzessbesucherInnen, also wir, haben es auch langsam leid, ständig
abgegrabbelt zu werden, durch eine Sicherheitsschleuse zu rennen, uns
die Drohungen des Richters anzuhören, nur weil der Richter nicht gewillt
ist, ein Prozessklima herzustellen, das eine Verhandlung zur Sache
zulässt, zumal die Akustik durch die Trennscheibe vor den
ZuhörerInnenplätzen einfach nur Scheisse ist.

Der bisherige Prozessverlauf stellt eine Vorverurteilung unseres
Genossen dar. Trotzdem werden wir zusammen (Anwalt, "Angeklagter",
solidarische Prozessöffentlichkeit) unser möglichstes tun, die
Legitimität antimilitaristischer Politik und Aktion klarzumachen. Der
Richter und der Rest der Figuren, die in dem Saal eine Funktion
wahrnehmen, werden davon nichts kapieren, aber sie sollen entweder ihrem
Rechtsstaat Geltung verschaffen oder sich offen als Teil des
Kriegsregimes bekennen. Im Zweifelsfall gilt immer noch: "Wir können sie
nicht zwingen, die Wahrheit zu sagen, aber wir können sie zwingen, immer
unverschämter zu lügen."

Hiermit möchten wir euch noch mal auffordern, mit einem angeklagten
Antimilitaristen solidarisch zu sein und zum Prozess vor dem Kieler
Landgericht zu kommen

Nächster Termin: Dienstag den 20.11. 9.00Uhr

Kündigt die Solidarität mit dem Kriegsregime. Jede Veränderung fängt mit
einem NEIN zum Bestehenden an!

Kiel, 14.11.2001


älteres:
Aufruf zum 1. Prozesstag:
 http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2001/10/21/6852.html

Bericht vom 1. Prozesstag:
 http://www.gaarden.net/hausdruck/
 http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2001/11/03/7075.html

 

14.11.2001
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Antimilitarismus]  Zurück zur Übersicht

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