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Berlin: 24. Prozesstag: RZ-Prozess vor dem Aus?

24. Prozesstag: RZ-Prozess vor dem Aus?

Noch bevor die Vorsitzende Richterin, Gisela Hennig, am heutigen Prozesstag über den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens beschließen konnte, den die Verteidigung bereits am 13. September gestellt hatte, meldeten sich erneut die Rechtsanwältinnen Studzinsky und Würdinger zu Wort.

Zwar läge ihnen jetzt das weitere Beweismaterial in Form von zusätzlichen 955 Kassetten aus den Telefonüberwachungen der Anschlüsse Mouslis und 23 Aktenordner mit Wortprotokollen vor, doch hätte sich bereits bei einer ersten Durchsicht der 825 Kassetten der ersten Lieferung und der dazugehörigen Abhörprotokolle erwiesen, dass ihr Antrag auf Aussetzung der Verfahrens um weitere Elemente erweitert werden muss.

Erstens belegten sie anhand von Beispielen, dass die Wortprotokolle nicht mit den auf den Kassetten zu hörenden Gesprächen identisch sind - es müssten also alle Bänder abgehört und mit den Wortprotokollen abgeglichen werden. Zudem sei es notwendig zu prüfen, ob Originale und Kopien der Kassetten identisch seien, denn es gebe auffällige Lücken.

Zweitens hatten die Berechnungen der Rechtsanwältinnen ergeben, dass es 716 Stunden und damit selbst bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden mehrere Monate dauern würde, alle Bänder abzuhören - eine Aufgabe, die parallel zu dem jetzt stattfindenden Verfahren nicht geleistet werden kann. Klar wurde dabei auch, dass sich offensichtlich weder das Gericht, noch die Bundesanwaltschaft (BAW), noch die anderen VerteidigerInnen bisher überhaupt der Mühe unterzogen haben, die Telefonüberwachungskassetten anzuhören.

Drittens konnten sie allein mit einer kleinen Stichprobe aus dem Konvolut dieser Kassetten nachweisen, dass es in den abgehörten Telefongesprächen um Fragen geht, die mindestens für das Zustandekommen der Aussagen Mouslis von großer Bedeutung sind. Die BAW hatte das bisher immer wieder vehement bestritten. - So stellte sich aber heraus, dass Mousli offensichtlich schon viel früher als bisher von Bundeskriminalamt (BKA) und BAW angegeben, die Kronzeugenregelung angeboten wurde und dass das BKA seiner damaligen Lebensgefährtin Janet O. telefonisch mitteilte, sie müsse gegenüber dem damaligen Anwalt Mouslis "jetzt nicht mehr weiter lügen."

Das Gericht hatte bereits am 25. September schriftlich die Aufhebung der Haftbefehle abgelehnt, wollte heute aber über diesen erweiterten Antrag - der wiederum die Aufhebung der Haftbefehle und die Aussetzung des Verfahrens bis zur vollständigen Sichtung des Beweismaterials beinhaltet - nicht entscheiden. Der Prozess ist daher bis zum 4. Oktober 2001 unterbrochen.


 

27.09.2001
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