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                        Berlin: Prozessbericht vom 28.06.2001 
						 
                          Verteidigung stellt Befangenheitsanträge
 Die gute Nachricht vorne weg: die Vorsitzende Richterin Gisela Hennig wurde
 informiert, dass der Freispruch für Rudolf Sch. im Frankfurter OPEC-Prozess
 nun rechtskräftig ist. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt hatte in dieser Woche ihre 
 Revision gegen den Freispruch des Landgerichts Frankfurt zurückgenommen. Der 
 dortige Vorsitzende Richter Gehrke hatte in den Urteilsgründen nochmals deutlich 
 gemacht, dass auch Angaben von Kronzeugen nicht nur der Staatsräson wegen 
 einfach übernommen, sondern kritisch überprüft werden müssen. Dieser 
 Überprüfung hielt die Aussage von Hans-Joachim Klein gegen Rudolf Sch. nicht 
 stand.
 Keine Beugemittel gegen den Kronzeugen Mousli
 Heute stellte das Gericht durch Beschluss fest, dass der Kronzeuge Mousli berechtigt 
 sei, an bestimmten Punkten die Aussage zu verweigern. Der Antrag der 
 Verteidigung, Beugemittel gegen Mousli anzuwenden, wurde abgewiesen. Damit 
 steht es Mousli frei, über das zur Debatte stehende Telefongespräch mit seiner 
 Freundin im November 99 zu schweigen. (s. Bericht 21.6.)
 Das Gericht begründete das Zeugnisverweigerungsrecht mit der  
 Verpflichtungserklärung von Mousli und einer drohenden Gefahr für seine Sicherheit. 
 Am 22. Dezember 99 hat Mousli sich nach dem sogenannten Verpflichtungsgesetz 
 zur Geheimhaltung in Sachen Zeugenschutzprogramm verpflichtet. 
 Daher müsse Mousli zu allen Gesprächen und Vorgängen rund um das 
 Zeugenschutzprogramm schweigen - auch wenn sie vor der Unterzeichnung der 
 Verpflichtungserklärung stattgefunden haben. Darüber hinaus habe das Gericht eine 
 "Fürsorgepflicht gegenüber dem Zeugen". Eine umfangreiche Gefahrenanalyse der 
 Zeugenschutzdienststelle habe ergeben, dass Lebensgefahr für Mousli bestehe, 
 wenn seine neue Identität bekannt würde. Letzte Woche hatte der Leiter dieser 
 Abteilung des Bundeskriminalamts weder Angaben zu den Quellen für diese 
 Einschätzungen gemacht, noch die Bedrohungen konkretisiert. Heute hieß es nun, 
 aus besagtem Telefongespräch - zu dem Mousli Aussagen machen sollte - könne 
 Rückschluss auf seine neue Identität gezogen werden (Dazu gab es von Seiten der 
 Verteidigung und aus dem Zuschauerraum Gelächter und heftiges Gemurmel. 
 Sabine E.: "Quatsch!"). Vergangenen Freitag hatte Staatsanwalt Monka als Zeuge 
 unter Eid dazu gesagt, in dem Gespräch sei es nur um Privates gegangen. Er, 
 Monka, habe "diskret mitgehört" und könne sicher sagen, "über das 
 Zeugenschutzprogramm sei nicht gesprochen worden." Trotzdem darf Mousli sich 
 jetzt - durch richterlichen Beschluss - auf sein Aussageverweigerungsrecht als 
 Kronzeuge der Bundesanwaltschaft (BAW) berufen.
 Die Verteidigung mochte den Beschluss nicht einfach hinnehmen.
 
 Befangenheitsanträge werden gestellt
 Die Angeklagten haben mit dem heutigen Beschluss den Eindruck gewonnen, dass 
 das Gericht befangen ist. Der Wahrheitsfindung sei es nicht dienlich, wenn die 
 Widersprüche um Absprachen und Versprechungen im Rahmen der 
 Kronzeugenregelung nicht aufgeklärt werden. Deswegen sollen Ablehnungsgesuche 
 eingereicht werden. Damit wird das Gericht in seiner Zuständigkeit für das Verfahren 
 abgelehnt (Befangenheitsantrag). Einige Ablehnungsgesuche sind dem Gericht 
 heute Nachmittag bereits zugestellt worden. 
 Das Gericht hat entschieden, den morgigen Verhandlungstag ausfallen zu lassen, 
 um zu beraten. Die endgültige Entscheidung über die Befangenheitsanträge fällt 
 allerdings der andere Senat (der Zweite Senat des Berliner Kammergerichts).
 Voraussichtlich wird die Hauptverhandlung am Donnerstag, den 5.Juli 2001, um 9.15 
 Uhr fortgesetzt.
 
						 
	                      
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