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Berlin: RZ-Prozess - Verfahrensfehler beenden ersten Prozesstag

Der heutige erste Verhandlungstag endete bereits nach knapp zwei Stunden - zur Verlesung der Anklageschrift kam es nicht.
Nach der obligatorischen Personalienfeststellung der Angeklagten monierten die Rechtsanwälte BECKER und EISENBERG namens aller RechtsanwältInnen einen Verfahrensfehler durch das Gericht.
Um prüfen zu können, ob tatsächlich die zuständigen Ergänzungsrichter ihr Amt wahrnehmen - ihnen kommt im Falle der Erkrankung der Beisitzenden Richter die Aufgabe zu, diese zu vertreten -, fehlten den StrafverteidigerInnen wesentliche Unterlagen. Zudem hatte bereits im Vorfeld des Prozesses der Beisitzende Richter ALBAN die Zusammensetzung der Ergänzungsrichter bei der Kammergerichtspräsidentin in einem Schreiben kritisiert, ohne dass dies zur Prüfung geführt habe.
Kern des Problems ist, dass ein nicht ordnungsgemäß zusammengesetztes Gericht gegen Artikel 19 GG (Jeder Beschuldigte hat das Recht auf einen gesetzlichen Richter) ebenso verstößt wie gegen wesentliche Teile der Strafprozessordnung und das Gerichtsgesetz. Sollten also nicht rechtmäßig berufene Ergänzungsrichter zum Einsatz kommen, wäre dies ein Grund, etwaige Gerichtsentscheidungen anzufechten.
Zweiter wesentlicher Punkt des ersten Verhandlungstages war der Gesundheitszustand von Sabine ECKLE, zu dem die Haftärztin Dr. FRIEDMANN als Zeugin befragt wurde. Friedmann bestätigte einen Gewichtsverlust von Frau Eckle auf nunmehr 43 Kilogramm und sehr starke Migräneanfälle, konnte sich zur Genese aber nicht äußern, da sie Frau Eckle erst seit dem 28. Februar 2001 behandle. Ganz offensichtlich, so die Rechtsanwälte, ist aber die kurzfristige und umfassende medizinische Versorgung von Frau Eckle in der Haftanstalt in Pankow nicht gewährleistet.
Dritter Tagesordnungspunkt war ein Antrag der Rechtsanwältin Edith LUNNEBACH. Sie monierte namens ihres Mandanten sowie der anderen StrafverteidigerInnen die Sicherheitsvorschriften für die zum Prozess zugelassene Öffentlichkeit und das Ansinnen der Vorsitzenden Richterin HENNIG, den Kronzeugen MOUSLI mit bewaffneten Kräften im Gerichtssaal vorführen zu wollen.
Sie wandte sich gegen das Fotokopieren der Ausweisunterlagen aller ProzessbesucherInnen, für das es keinen Grund gebe und kritisierte mit den Rechtsanwälten Kaleck, Becker und Eisenberg die Militarisierung der Gerichtsverhandlung durch die geplante bewaffnete Begleitung Mouslis.
Zu einem abschließenden Eklat kam es durch eine Intervention von Rechtsanwalt KALECK, der darauf hinwies, dass die im Gerichtssaal anwesenden (internationalen) ProzessbeobachterInnen keine Möglichkeit bekamen, sich mit Papier und Bleistift Notizen zu machen. Darauf erhoben sich nacheinander die ProzessbeobachterInnen aus Frankreich, Irland, Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz und kritisierten das Vorgehen der bundesdeutschen Justiz als skandalös.
Der Prozess wird am 29. März 2001 um 09.15 Uhr fortgesetzt.

 

23.03.2001
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